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Das Jesus-Bild im Film
"Der junge Messias" und seine Vorgänger

Rund 100 Jesus-Filme sind seit Beginn der Filmgeschichte gedreht worden - zwei neue Filme sind gerade wieder ins Kino gekommen. Der Actionfilm "Auferstanden" mit Joseph Fiennes als Jesus erzählt von der Zeit nach der Auferstehung, "Der junge Messias" von den ersten zwölf Lebensjahren Jesu. Was hat den Mann aus Nazareth zum Kassenschlager werden lassen?

Von Hartwig Tegeler | 17.05.2016
    HANDOUT - Joseph Fiennes als Clavius in einer Szene des Kinofilms "Auferstanden" (undatierte Filmszene). Der Historienfilm kommt am 17.03.2016 in die deutschen Kinos. Foto: Sony Pictures Releasing GmbH/dpa (zu dpa-Kinostarts vom 10.03.2016 - ACHTUNG: Verwendung nur f
    Joseph Fiennes als Clavius in einer Szene des Kinofilms "Auferstanden" (Sony Pictures Releasing GmbH / picture alliance / dpa)
    "Wer bist du? - Mein Name ist Jesus. Ich komme von Nazareth."
    Nein, es ist nicht 1965, Max von Sydow in "Die größte Geschichte aller Zeiten", sondern Jeffrey Hunter stellt sich hier vor als Messias in Nicholas Rays Film "König der Könige", vier Jahre zuvor. Aber wer kann das schon wirklich noch unterscheiden?
    Doch zunächst einmal gilt es - im Synonym-Lexikon, quasi zum Warmlaufen - zu sammeln, und zwar Begriffe, die sich zur Ehrfurcht paaren. Also Ehrfurcht, dann Demut, Ehrerbietung, Anbetung, Anhimmelei, Verehrung, ja Vergötterung. Und damit wären wir in der richtigen cineastischen Stimmung, um uns dem am Kreuz hängenden Jesus zu nähern. Oder Jesus beim Abendmahl mit seinen Jüngern:
    "Gesegnet seist du, oh Herr, unser Gott, König der Welt. Heute Nacht wird einer unter euch mich verraten."
    Labsal für die Nachkriegsgeneration
    Jesus hat einen festen Platz in der Filmgeschichte. Schon zu Stummfilmzeiten bei den Brüdern Lumiére 1897 oder Anfang des 20. Jahrhunderts bei D. W. Griffith in "Intolerance". Er war Hauptdarsteller im Film-Musical "Jesus Christ Superstar". Und die Bibelverfilmungen im Fernsehen der 1990er Jahre waren episch lang. Aber ihren Höhepunkt hatten die Jesus-Filme von Beginn der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre. Ganz direkt vermittelten sie da die Botschaft vom rechten Glauben und wurden zu Kassenmagneten, denn die Jesus-Story bot großen Stoff für Action und Dramatik. Allein die Sinnkrise im Garten Gethsemane - was für eine Szene für einen Schauspieler.
    Auch wenn Jesus - wie in "Quo Vadis", in "Das Gewand" oder in "Ben Hur" - quasi Nebenfigur war, strahlte seine Botschaft durch. Denn Orientierung in dieser Zeit nach den Verwerfungen des Zweiten Weltkrieges war Labsal für die Kinogänger.
    Und es gab was zu sehen: riesige Heerscharen von Statisten, Wagenrennen, Schwertkämpfe, blinkende römische Helme und Brustpanzer. Pralle Schauwerte. Und dann natürlich die in der Geschichte immanent enthaltenen Spezialeffekte - in alter Sprache: die Wunder. Die gab's immer und gibt es auch in "Der junge Messias":
    "Ich kann sehen." - "Gelobt sei der Herr!" - "Mein Gott: Ich kann sehen."
    Legionär: "Hast du das getan?"
    Der junge Jesus: "Ja."
    Legionär: "Wer bist du?"
    Nicht zu vergessen das menschliche Drama desjenigen, der vom Saulus zum Paulus wird in Gestalt des zunächst ungläubigen römischen Legionärs - "Schon wieder ein Messias unterwegs." - der in der Begegnung mit dem Messias ergriffen wird und zum Glauben findet. So auch in "Auferstanden" von Kevin Reynolds:
    "Ein Mann, der ohne Frage tot ist, und denselben Mann, der wieder lebendig ist. Ich folge ihm, dem Nazarener."
    Jesus-Klischees statt Provokationen
    Die beiden aktuellen Kinofilme - "Auferstanden" und "Der junge Messias" - bedienen allerdings nur das historische Jesus-Film-Bild und bleiben dabei arg konventionell. Dabei bot Jesus im Kino durchaus Anlass zu heftigem Blasphemie-Streit:
    "Hier nehmt und esst. Das ist mein Leib. Nehmt und trinket alle daraus, denn das ist das Blut meines Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden."
    Die katholische Kirche war 1964 nicht sehr glücklich, als der schwule Kommunist Pier Paolo Pasolini in "Das 1. Evangelium - Matthäus" quasi im Vorlauf der Studentenbewegung aus Gottes Sohn einen Revolutionär machte, der für die Armen eintrat und gegen die Reichen opponierte.
    "Du hast jetzt verstanden, was dich erwartet. Auf dem Hügel Golgatha ist noch Platz für dich."
    Nicht weniger Skandalöses präsentierte gut zwei Jahrzehnte später Martin Scorsese mit der Verfilmung von Nikos Kazantzakis' Roman "Die letzte Versuchung Christi". Jesus wird als zweifelnder Mensch gezeigt, der sich erst nach einem qualvollen Prozess der Selbstvergewisserung zu seiner Messias-Rolle bekennt. Ein an seiner Berufung zweifelnder Sohn Gottes, das trieb zu gewalttätigen Protesten. Mit dem Geist der Bergpredigt hatten es allerdings die bibeltreuen Christen nicht so, als sie ein Kino, in dem der Film lief, abbrannten:
    "Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen."
    Pasolini, Scorsese oder Monty Python mit "Das Leben des Brian": Es bedarf wohl anderes intellektuelles Kaliber als das der Macher von "Auferstanden" und "Der junge Messias", um Jesus-Klischees im Kino zu dekonstruieren.
    Austreten gegen pathetische Bibelschinken
    Was sozusagen schlüssig zu der Frage führt, was passiert, wenn der jüdische Witz sich den Heiland vornimmt. Sozusagen intern, denn Jesus Christus war Jude, und Joel und Ethan Coen, die Regisseure von "Hail, Caesar", sind ebenfalls Juden. Ein wenig scheint es dabei, als ob die beiden Filmemacher mit ihrem nostalgischen wie satirischen Blick auf das Hollywood der 1950er Jahre genüsslich austreten gegen die Bibelschinken inklusive Erhabenheit und Ergriffenheit vergangener wie heutiger Zeiten. Auch hier zunächst wieder der bekehrte Römer:
    "Ihr Bürger von Rom. Ich bin Marcus Venizius, Kommandant eurer vierzehnten Legion."
    Nein, nicht der, das ist der aus "Quo Vadis", sondern Baird Whitlock spielt ihn, Mega-Star des Studios - seinerseits gespielt von George Clooney:
    "Geh raus! Und sei ein Star!"
    Der Dreh der Kreuzigungsszene von "Hail, Caesar!". Whitlock, das weiß jeder am Set, ist dumm wie Brot. Aber die Kamera und das Publikum, ach, sie lieben ihn eben. Nun, wie gesagt, am, besser vor dem Kreuz - wir kennen diese Einstellung aus zig Filmen - Jesus, da oben, mit der Dornenkrone, zu sehen von hinten. Davor, ehrfürchtig emporblickend, der Neu-Christ in römischer Uniform: Baird Whitlock hebt an zum Schlussmonolog - und auf einmal ist es da, ganz direkt dieses Gefühl von Erhabenheit.
    Regisseur, Komparsen, Techniker, Skriptgirl sie alle kriegen den Mund nicht mehr zu, was Superstar und Dumpfbacke Whitlock hier entstehen lässt. Und auch wir können nichts dagegen tun: Auch wir im Kinosessel erliegen der Magie dieser großen Worte. Verfallen quasi der Rede von dieser "reinen" Wahrheit
    "Eine Wahrheit, die wir sehen könnten, hätten wir doch nur ..."
    - Ja! -
    "hätten wir nur ..."
    "… einen …"
    Regisseur: "Glauben!" -
    Whitlock: "Glauben! Glauben!"
    Regisseur: "Cut!"
    Da hat der gute Whitlock mal wieder den Text vergessen. Autsch! Ende mit Andacht, Ehrfurcht und Ergriffenheit, die uns ergriff. Herrlich, dieser gemeine Dreh, den die Gebrüder Coen bei "ihrer" Kreuzigungsszene finden und so eine wunderbar böse Brücke bauen zum satirischen Monty-Python-Geist in "Das Leben des Brian". Nein, das hat nichts zu tun mit dem Erlöser-Pathos, das auch heute noch durch die aktuellen Jesus-Filme wie "Auferstanden" oder "Der junge Jesus" mäandert.