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Das Kreuz mit dem Verdienstkreuz

Nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die umstrittene Palästinenseranwältin Felicia Langer hat der Publizist Ralph Giordano die Rückgabe seiner eigenen Ehrung angekündigt.

Von Burkhard Müller-Ullrich | 22.07.2009
    Auf der linken Brustseite hat es ganz rechts außen zu hängen: das Bundesverdienstkreuz. So bestimmt es das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26. Juli 1957 in Paragraf 12 unter dem Stichwort "Trageweise". Erst danach kommen an der Ordensschnalle auf der linken Brust nach links fortschreitend die Eisernen Kreuze, die Kriegsauszeichnungen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg (wobei von denen aus dem Zweiten gemäß Paragraf 6 desselben Gesetzes die Hakenkreuze zu entfernen sind), weitere staatlich genehmigte deutsche Auszeichnungen und schließlich "ausländische Auszeichnungen in der Reihenfolge ihres Klassenverhältnisses". Von wegen ungenehmigte! Es ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit bis zu 5000 Euro Geldbuße bestraft werden, wenn man sich ein Ehrenzeichen - und sei es auch ein frei erfundenes - selbst bastelt, es trägt oder jemand anderem überlässt. Orden und Ehrenzeichen kann nämlich nur der Staat verleihen und genehmigen.

    Der Staat: Das sind wir alle, in der Theorie. Aber unser Staat ist auch eine Machtfantasie, ein Verwaltungsapparat, ein leviathanisches Gebilde, ein Stückchen Fürstenhof - und genau daher kommt die Tradition der Orden, Kreuze und Medaillen. Es sind Gunstbezeugungen des Herrschers. In der Schweiz, dem einzigen Staat weit und breit, der wirklich demokratisch funktioniert, gibt es konsequenterweise keine Verdienstorden, und es ist den Bürgern untersagt, bei offiziellen Anlässen diejenigen, die sie vielleicht im Ausland erhalten haben, zu tragen.

    Damit die Deutschen aber schön Staat spielen können, hat ihnen Papa Heuss vor 57 Jahren den Verdienstorden der Bundesrepublik geschenkt: achtfach abgestuft von der einfachen Verdienstmedaille (Durchmesser 38 Millimeter, das Band ist 30 Millimeter breit) bis hinauf zur Sonderstufe des Großkreuzes (Sterndurchmesser 90 Millimeter, in der Damenausführung 60). Die Verleihung findet meist durch die Regierungspräsidenten statt: eine herrlich verkrampfte Amtshandlung oft in den hässlichsten Behördengebäuden des Landes. Dabei kommt es bei solchen Hoheitsakten ja gerade auf die Inszenierung an. Denn es handelt sich um eine Art Bürgertheater, bei dem der Staat für einen Augenblick so tut, als halte er den Bürger nicht für seinen Feind.

    Der Anteil dieser Braven, deren Gutsein sich durch politische oder geschäftliche Erfolge und etwas Sozialklimbim erweist, nimmt allerdings beständig ab. In 15 Jahren hat sich die Zahl der mit den bundesrepublikanischen Verdienstorden Ausgezeichneten fast halbiert; in den letzten Jahren lag sie unter zweieinhalbtausend. Die deutsche Verdienstkreuzquote ist dermaßen mager, dass der Kreis der Anwärter gewaltig ausgeweitet werden muss. Vom Hitparadenquassler Dieter Thomas Heck bis zum skandalumwitterten FIFA-Boss Sepp Blatter reicht inzwischen die Palette, auch Fuß- und Handballtrainer werden bedacht, Showstars sowieso - trotzdem ist die Kandidatennot enorm, zumal manches Verdienstkreuz wieder zurückgegeben wird, sei es, wie im Fall Zumwinkel, aufgrund von Flecken auf der eigenen Weste, sei es, wie nun angekündigt, aus Ärger über die Auszeichnung einer anderen, für unwürdig gehaltenen Person. Rückgabegründe gibt es viele, aber in der Regel kann man nur einmal davon Gebrauch machen. Die Witwe von Jürgen Ponto tat es wegen eines staatlich geförderten Films über die Terroristen, die ihren Mann ermordeten.

    Vielleicht sollte man beim Bundespräsidialamt die Einrichtung eines Recyclingsystems in Erwägung ziehen: Dann könnte das Bundesverdienstkreuz reihum an jedermann verliehen werden, man könnte es Waschmittel- und Kekspackungen beilegen oder statt Kugelschreibern an Wahlkampfständen verteilen. Hauptsache, die Bürger geben es nach Gebrauch wieder beim schwarz-rot-goldenen Punkt ab.

    Zunächst aber empfiehlt sich vor allem eine Maßnahme, nämlich die Lockerung der Vorschrift, dass man sich nicht selber für ein Bundesverdienstkreuz vorschlagen darf. Dass der Staat ein Selbstbedienungsladen ist, weiß schließlich jeder.