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"Das macht nach Adam Riese …"

Zwei und zwei, das macht nach Adam Riese vier. Das weiß jeder. Doch wer dieser Adam Riese - oder auch Adam Ries - war, wissen die wenigsten. Dabei hat er Generationen von Deutschen das richtige Rechnen beibrachte. Vor 450 Jahren ist Riese gestorben.

Von Kay Müllges | 30.03.2009
    "Ich kann rechnen, der Adam Riese sagt mir, wir kommen um eine Steuererhöhung nicht herum."

    Wie jedes Schulkind kann auch Norbert Blüm zwei und zwei zusammenzählen und weiß, dass das nach Adam Riese vier macht. "Das macht nach Adam Riese" - das ist in Deutschland auch heute noch ein geflügeltes Wort. Dabei war Adam Riese, der als Adam Ries um 1492 im fränkischen Staffelstein geboren wurde, eigentlich nur einer von vielen Rechenmeistern, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts um Schüler und Aufträge miteinander konkurrierten.

    Neue, wegweisende Beiträge zur Entwicklung der Mathematik hat er auch nicht geleistet. Trotzdem erlebte gerade sein zweites Rechenbuch, das "Rechnen auff der linihen und federn", in dem er das Rechnen mit den damals noch neuen indisch-arabischen Ziffern erklärt, zwischen 1522 und 1656 insgesamt 118 Auflagen. Es ist damit das am häufigsten gedruckte deutsche Rechenbuch. Woher kommt diese - bis heute sprichwörtliche - Popularität des Adam Ries?

    "Bei Ries gab es immer sehr viele Anwendungsbeispiele und auch kleine Tricks, wie man eine Multiplikation machen kann, ohne dass man das vollständige Einmaleins kann oder so etwas. Also, es gab auch immer kleine Tipps, wie ein Schüler so etwas lernen kann - und wie er nach und nach seine Rechenkenntnisse erweitern konnte."

    Das unterschied Ries von vielen seiner zeitgenössischen Kollegen, meint Ina Prinz, Leiterin des Bonner Mathematikmuseums Arithmeum. Außerdem verfasste er - ein Zeitgenosse Luthers - seine Bücher auf Deutsch. Als Rechenmeister unterrichtete Ries in Erfurt und ab 1523 in der aufstrebenden Bergbaustadt Annaberg im Erzgebirge. Um zahlungskräftige Schüler zu gewinnen, mussten er und seine Kollegen sich einiges einfallen lassen:

    "Ein Rechenmeister hatte das Recht, in einer Stadt ein Schild an der Tür zu haben. Und dieses Schild war aber nicht einfach, dass da 'Rechenschule' oder 'Rechenmeister' draufstand, sondern man hat versucht, sich anzupreisen und zu sagen: Was kann man jetzt lernen. Das heißt, man hat da wirklich einen Schulraum abgebildet - und dann steht der Lehrer mit der Rute ganz dicht hinter dem Knaben, der gerade am Pult steht und eine Aufgabe vorliest. Sicherlich war es sehr streng, wie es zu der Zeit üblich war."

    Eine aus Nürnberg erhaltene Schulordnung legte fest, dass...

    "...kein Schuhl- oder Rechemaister dem anderen zunahe an die seithen ziehen, sondern wenigstens ohngefähr zwo gaßen weit sein Schuhltaffell auszuhencken schuldig sein, auch die Schuhlkinder, so sie einem andern anvertauet nicht abspannen, noch durch andere abpraktizieren lassen."

    Nicht alle Rechenmeister konnten von ihrem Unterricht leben. Auch Adam Ries suchte und fand zusätzliche Einnahmemöglichkeiten. Dabei kam ihm seine fundierte Ausbildung zugute.

    "Er hat zwar keine Universität besucht, aber in seinem Fach war er sicherlich auch durch den Humanisten Georg Stortz, der ihn in Erfurt schon etwas unterstützt hat und ihm seine ganze Bibliothek zur Verfügung gestellt hat, was zu der Zeit eben auch selten war, dass man sich so bilden konnte in der Form, war er ein wirklich guter Rechenmeister, der eben nicht nur Schüler unterrichtet hat, sondern auch im Bergbau als Finanzangestellter tätig war."

    Für seine Landesherren rechnete er die Abgaben aus dem Silberbergbau in Annaberg aus, prüfte und bearbeitete die vierteljährlichen Rechnungsabschlüsse der Bergmeister und überwachte die Münzprägung. Außerdem wurde er immer wieder mit Sonderaufträgen betraut. So bat ihn der Rat der Stadt Annaberg 1533 eine neue Brotordnung aufzustellen.

    Zu Adam Ries' Zeiten kostete ein Brot immer gleich viel. Auf Schwankungen beim Preis des Getreides reagierte man mit einer Änderung des Brotgewichtes. Das öffnete findigen Bäckermeistern allerlei Manipulationsmöglichkeiten. Weiter verkompliziert wurde die Sache noch dadurch, das in praktisch jeder Stadt Maße und Gewichte anders definiert wurden. Ein Scheffel Weizen etwa umfasste, umgerechnet in heutige Liter, in Leipzig 136, in Zwickau 164 und in Annaberg 194 Liter. Ries entwickelte ein umfangreiches Tabellenwerk, mit dem sich auf die Schwankungen in Preis und Gewicht reagieren ließ - und das zum Vorbild für zahlreiche andere Brotordnungen der Zeit wurde.

    Adam Ries starb wahrscheinlich am 30. März 1559 in Annaberg. Sein Leben bestimmte der Anspruch:

    "…gemeiner deutscher nation hyrinnen seinen dyenst nach vermügen zu beweisen, der jugent zum besten."