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"Das Medium ist die Botschaft"

In den 60er- und 70er-Jahren war Marshall McLuhan der Theoriestar schlechthin. Er revolutionierte nicht nur die Sicht auf die Medien, sondern begriff als erster die mediale Verfassung unserer Gesellschaft: Von ihm stammt auch der Begriff "globales Dorf".

Von Walter van Rossum | 21.07.2011
    "Unsere Zeit ist eine brandneue Welt der Gleichzeitigkeit. 'Zeit' hat aufgehört, 'Raum' ist verschwunden ... Wir leben jetzt in einem globalen Dorf ... ein simultanes Happening."

    Wahrscheinlich war der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan der wildeste Denker des 20. Jahrhunderts – und ist es bis heute geblieben. Kein Wunder, dass er mittlerweile – in Zeiten eines weitgehend zurückgelehnten und institutionalisierten Denkens – eher als Sonderling gilt. Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit kann das verstehen:

    "McLuhan nimmt dem ganzen Buchstabenwesen, das hier dominant war, die ganze Aura der Wahrheit und der Wahrheitsspeicherung. Seit der Einführung des Alphabets durch die Griechen bis um ungefähr 1900 sind die Buchstaben konkurrenzlos. Mit seinem 'Gutenberg-Galaxis'-Buch macht McLuhan das kaputt, indem er die Schrift als ein Medium unter anderen nämlich in der neuen Konkurrenz Radio, Film, Schallplatte stellt, und dieses Medium wird zunehmend unter diesen anderen entwertet. Das hat ihm das europäische Denken bis heute nicht verziehen."

    McLuhan wurde 1911 in Edmonton, Kanada, geboren. Er studierte unter anderem in Cambridge Literaturwissenschaften und wurde Professor an verschiedenen kanadischen und amerikanischen Universitäten. In den 50er-Jahren entwickelte er seine zentrale These:

    "The medium is the message. Das Medium ist die Botschaft."

    McLuhan versteht unter Medien aber nicht bloße Übermittlungstechniken, sondern:

    "Alle Medien sind Ausdehnung menschlicher Fähigkeiten – seien sie psychisch oder physisch –. Das Rad ist eine Ausdehnung des Fußes. Das Buch ist eine Ausdehnung des Auges, Kleider sind eine Ausdehnung der Haut, die Medien unserer Zeit sind eine Ausdehnung des Zentralnervensystems. Indem Medien die Umwelt verändern, schaffen sie in uns eine ganz bestimmte Konstellation sinnlicher Wahrnehmung. Die Ausdehnung nur eines Sinnes verändert die Art, wie wir denken und handeln, die Art, wie wir unsere Körper wahrnehmen. Wenn diese Verhältnisse sich wandeln, wandelt sich der Mensch."

    Die These vom Medium als Botschaft beschreibt McLuhan zum ersten Male systematisch in seinem Werk "Die Gutenberg-Galaxis", das 1962 in den Vereinigten Staaten erscheint.

    "Printing, printing, printing …"

    In seinem zweiten Hauptwerk "Understanding Media" untersucht McLuhan die Auswirkungen der neuen, der elektronischen Medien.

    "Als um 1920 das Radio aufkam, einte der amerikanische Neger zum ersten Mal alle Kulturen der Welt im Zeichen einer neuen Form: dem Jazz. Er war eine universelle Sprache und ist es noch heute. Wir sprechen von der Integration der Neger, die Neger haben den ganzen blühenden Planeten durch Jazz integriert und es geht weiter. Es war eine Sprache der Gesten und nicht der Worte."

    "The medium is the message, the medium is the message …"

    Unsere Gesellschaft nennt sich zwar Mediengesellschaft, aber sie weigert sich standhaft darüber nachzudenken, was denn unsere mediale Verfassung mit uns macht. - Man könnte es mit McLuhan natürlich auch so sagen:

    "Statt sich in eine Ecke zu verkriechen und darüber zu jammern, was die Medien mit uns anstellen, sollte man zur Attacke blasen und ihnen in die Elektroden treten."

    Der Weg ist nicht zu Ende. Es wird vielleicht nicht jedem gefallen, was er für ein gutes Ende hielte, aber wir befinden uns in einem Umbruch, den keiner so treffend, so tiefsinnig beschrieben hat wie Marshall McLuhan:

    "Die Implosion der elektronischen Technologie verwandelt den alphabetisierten, fragmentierten Menschen in ein komplexes und tiefgründiges menschliches Wesen mit einem tiefen emotionalen Gespür dafür, dass er in allen Bereichen mit der gesamten Menschheit verflochten ist."

    Marshall McLuhan starb 1980 an den Folgen eines Hirntumors.