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"Das müsste eigentlich ausreichen, nach meinem Dafürhalten"

Hans-Peter Friedrich, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ist zuversichtlich, dass Christian Wulff (CDU) im ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt wird - selbst dann, wenn es einige Abtrünnige in den eigenen Reihen geben sollte.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 30.06.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat Hans-Peter Friedrich, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Morgen, Herr Friedrich.

    Hans-Peter Friedrich: Einen wunderschönen guten Morgen!

    Heckmann: Herr Friedrich, bevor wir über die Bundespräsidentenwahl sprechen, aus aktuellem Anlass zur Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen. Die FDP hat nach monatelanger Kritik Klientelpolitik betrieben, diesen Schritt, der übrigens von der CSU mindestens genauso betrieben worden ist, offenbar als Fehler erkannt. Hören wir mal rein, was FDP-Generalsekretär Christian Lindner gestern Früh hier im Deutschlandfunk gesagt hat.

    O-Ton Christian Lindner: Man hätte aus meiner heutigen Sicht diesen einzelnen Umsatzsteuersatz nicht vorab senken sollen, sondern wir hätten da auf die große Reform warten müssen.

    Heckmann: So weit FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Herr Friedrich, die FDP hat ein halbes Jahr gebraucht, um diesen Fehler zu erkennen, und musste erst auf unter fünf Prozent bei der Wählergunst rutschen. Wo liegt bei Ihnen die Schmerzgrenze?

    Friedrich: Wir haben gestern im Koalitionsausschuss über die Frage Mehrwertsteuer gesprochen und vereinbart, dass wir nach der Sommerpause in der Koalition festlegen wollen, wie wir das Gesamtthema Mehrwertsteuer, Neuordnung, Gesamtrevision des Mehrwertsteuersystems angehen. Es gibt im Mehrwertsteuersystem insgesamt ja einige Ungereimtheiten und da will man schon seit vielen Jahren drangehen, das mal etwas zu glätten und in eine neue Ordnung zu bringen. Natürlich ist es immer schwierig, wenn man vorher isoliert irgendwas macht. Dann gerät man unter Rechtfertigungsdruck, das merken wir auch in dieser Diskussion. Aber auch zu früheren Zeiten gab es Diskussionen um isolierte Veränderungen von Mehrwertsteuersätzen. Deswegen, glaube ich, ist es jetzt der richtige Weg, über das Gesamtsystem einmal zu reden und zu diskutieren, und das werden wir nach der Sommerpause machen.

    Heckmann: Aber die FDP hat sich monatelang den Vorwurf anhören müssen, Klientelpolitik betrieben zu haben. Wollen Sie ernsthaft diese Nachfolge antreten?

    Friedrich: Die FDP hat sich diesen Vorwurf zurecht auch nicht gefallen lassen, sondern hat sich gewehrt dagegen. Es gab damals gute Gründe auch in der Abwägung, diesen Schritt so vorzunehmen, aber das ist jetzt nicht die Diskussion. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir, ausgehend vom geltenden Mehrwertsteuerrecht, eine Revision im Herbst angehen wollen, versuchen wollen, und das machen wir auch.

    Heckmann: Sie waren ja wahrscheinlich ganz glücklich darüber, dass die FDP mit dem Thema Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen gleichgesetzt wurde. Dabei war ja auch die CSU daran beteiligt. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass der schwarze Peter jetzt bei Ihnen landet?

    Friedrich: Also wissen Sie, wir gehen das Thema nach der Sommerpause an und dann kann man über alle Argumente für und dagegen und so weiter diskutieren. Ich denke, wir sollten jetzt die isolierte Diskussion über Einzeltatbestände und Sachverhalte beenden.

    Heckmann: Und wird sich die CSU dann dafür einsetzen, nach der Sommerpause, eben diese Privilegierung wieder abzuschaffen?

    Friedrich: Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir in diesem Neuordnungssystem der Mehrwertsteuer ein nachvollziehbares und gutes System erarbeiten werden.

    Heckmann: Das heißt, diese Absenkung soll bleiben?

    Friedrich: Das werden Sie sehen, wenn wir das alles im Herbst dann diskutieren.

    Heckmann: Herr Friedrich, dann kommen wir zum eigentlichen Thema, nämlich zur Wahl des Bundespräsidenten, heute die Bundesversammlung. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier, hat gestern gesagt, für sie sei es entscheidend, dass am Ende des Tages der Präsident Christian Wulff heißt. Das heißt, die Unions-Fraktion ist sich unsicher, ob Christian Wulff im ersten oder zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit erhält?

    Friedrich: Na ja, wir haben eine Mehrheit von 21 Sitzen über diese Mehrheit, die man im ersten und zweiten Wahlgang braucht, und das müsste eigentlich ausreichen, nach meinem Dafürhalten, auch wenn vielleicht der eine oder andere, der schon angekündigt hat, anders zu wählen, Herrn Gauck wählen sollte, dass wir Christian Wulff im ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten wählen. Ich hielte das für den normalen Weg.

    Heckmann: Weshalb haben Sie die Abstimmung eigentlich nicht auch formell freigegeben, wie es Kurt Biedenkopf gefordert hat?

    Friedrich: Diese Diskussion ist höchst merkwürdig, weil die Abstimmung ist frei. Die Abstimmung wird vorgenommen in Wahlkabinen. Jeder der Wahlmänner geht in eine Kabine, dort wird der Vorhang zugemacht und er hat dort das Recht, wie es die Verfassung vorsieht, frei seine Entscheidung zu treffen. Die Abstimmung ist frei, sie ist geheim; insofern ist diese Diskussion unsinnig.

    Heckmann: Ihre Wahlmänner und Wahlfrauen sind völlig frei, werden aber nicht mehr nominiert. Beispielsweise Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, im Jahr 2004 von der CSU als Wahlfrau aufgestellt, sie hat lieber Gesine Schwan als Horst Köhler gewählt und das hinterher auch gesagt. Wie gesagt: Sie wurde nicht mehr nominiert danach. Ist das diese Freiheit, die Sie meinen?

    Friedrich: Wie gesagt, es kann jeder in der Wahlkabine entscheiden wie er will. Aber vorher sind natürlich auch die Landtage frei, ihre Wahlmänner und Wahlfrauen zu wählen. Auch das ist Teil der vorgesehenen Prozedur und ich glaube, das ist auch so in Ordnung.

    Heckmann: Und eine Form des Drucks, die ausgeübt wird?

    Friedrich: Nein, das ist überhaupt kein Druck, der ausgeübt wird. Jeder, der in die Wahlkabine geht, ist dort frei und ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der freien Wahlmänner heute Christian Wulff wählen wird.

    Heckmann: Herr Friedrich, der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Böhmer, hat am Wochenende bei uns im Deutschlandfunk gesagt, die Abstimmung diene auch dazu, politische Stabilität ins System zu bringen, und der CSU-Vize, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, meinte gestern, alle drei Parteien der Koalition würden neuen Zusammenhalt und neue Gemeinsamkeit erleben, wenn Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt würde. Das heißt im Umkehrschluss: wenn sie Wulff nicht zum Bundespräsidenten wählen, erleben sie dann das Gegenteil von Zusammenhalt und Gemeinsamkeit?

    Friedrich: Also von der Wahl des Bundespräsidenten und von der Frage, welche Mehrheiten sich dort zusammenfinden, geht natürlich immer ein gewisses politisches Signal auch aus. Aber man sollte das auch nicht dramatisieren und überbewerten. Momentan ist es so, dass die bürgerlichen Parteien in Deutschland eine Mehrheit haben, wenn man Landtage und Bundestag zusammennimmt, und wenn sich das widerspiegelt auch in der Wahl unseres Staatsoberhauptes, dann ist das ein normaler Vorgang.

    Heckmann: Die Bundesversammlung wählt einen neuen Bundespräsidenten. Heute Mittag um zwölf Uhr treten die Delegierten zusammen. Wir haben gesprochen mit dem Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich. Danke Ihnen für das Gespräch!

    Friedrich: Gerne!