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"Das muss für die Soldatinnen und Soldaten transparent sein"

Frankreich bittet um Hilfe bei der Betankung seiner Flugzeuge für den Militäreinsatz in Mali. Ulrich Kirsch, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, hält eine solche Unterstützung für grenzwertig, weil Deutschland damit in den Konflikt eingreife. Darüber müsse im Bundestag debattiert werden.

Ulrich Kirsch im Gespräch mit Christine Heuer | 26.01.2013
    Christine Heuer: Mali, Afghanistan, der mögliche Einstieg in Drohnenkriege, die eigene Reform – die Bundeswehr hat alle Hände voll zu tun und soll dabei auch noch sparen. Denn die Bundesregierung will für 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. Alle Ressorts sind gefragt, es zirkulieren aber Gedankenspiele, in denen das Verteidigungsministerium gleich mit Milliardenbeträgen zur Kasse gebeten wird. Sparen und gleichzeitig neue Herausforderungen schultern, wie kann das gehen? Darüber möchte ich jetzt mit Ulrich Kirsch sprechen, dem Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands, der die Interessen deutsche Soldaten vertritt. Guten Morgen, Oberst Kirsch!

    Ulrich Kirsch: Guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Kann die Bundeswehr noch sparen?

    Kirsch: Ja, wir sind zwar natürlich fest davon überzeugt, dass Deutschland einen ausgeglichenen Haushalt braucht, also, da gibt es überhaupt gar keine Frage. Nur, bei denen zu sparen, die nun auf der ganzen Welt zunehmend die Kohlen aus dem Feuer holen sollen, das ist schon ein bisschen eigenartig. Und diese Ankündigung - wenn sie denn so stimmt, aber bisher haben diese Ankündigungen in der Vergangenheit immer gestimmt - verunsichern natürlich noch mehr diejenigen, die sowieso schon in einer der tief greifendsten Reformen drin stecken, das sind die Frauen und Männer in der Bundeswehr.

    Heuer: Gestern gab es ja ein Dementi der Bundesregierung, dem glauben Sie demnach offenbar nicht?

    Kirsch: Ich glaube erst das, was letztendlich am 31.01. bei der Sparklausur der Bundesrepublik herauskommt. Und ich sage noch mal, in der Vergangenheit waren eigentlich diese Vorankündigungen recht zuverlässig und man hatte auch immer den Eindruck, da soll mal ein Stein ins Wasser geworfen werden, um zu gucken, welche Wellen dann entstehen. Und ich kann nur davor warnen. Dieser Ansatz, sparen, koste es, was es wolle, funktioniert nicht und schon gar nicht bei Streitkräften.

    Heuer: Und was erwarten Sie dann von Thomas de Maizière?

    Kirsch: Ich erwarte, dass der Minister dagegenhält im Kabinett, und die Staatssekretäre werden das ja vorverhandeln, und dann erwarte ich auch, wenn das nicht zu einer Einigung kommt, eine klare Aussage der Kanzlerin.

    Heuer: Jetzt will Frankreich auch noch deutsches Geld für den Mali-Einsatz. Können wir das auch noch schultern?

    Kirsch: Wir können eigentlich gar nichts mehr schultern bei den Aufgaben, die wir haben, und bei der finanziellen Belastung, die wir haben. Schauen Sie mal, wir haben jetzt seit 1990 sechs Reformen und es kommt ja jetzt insbesondere darauf an, die Überleitung von der letzten Reform und von der letzten Einnahme einer Zielstruktur, was ja gar nicht abgeschlossen worden ist, nun in eine neue Zielstruktur überzugehen. Und man kann sich vorstellen, was das für eine Anstrengung bedeutet für diese Streitkräfte. Und von daher hätten wir erwartet, dass es eine Anschubfinanzierung gibt. Das wäre der richtige Weg gewesen, das macht jedes Unternehmen, nur bei der Bundeswehr hat es nicht funktioniert.

    Heuer: Hellmut Königshaus, der Wehrbeauftragte, sagt heute früh, die Bundeswehr könne eigentlich nicht mehr leisten, als sie jetzt schon tut. Mit ihm sind Sie dann offenbar einig?

    Kirsch: Ja, ich bin mit Hellmut Königshaus in der Tat sehr einig, was diese Dinge angeht, weil wir ja nun jeden Tag, er mit seinem Amt und ich mit meinem gesamten Verband, immer wieder in die Streitkräfte hineinschauen. Wir sind, denke ich, Seismografen, die deutlich machen, wo wir denn stehen. Und man kann eben nur sagen, Politik, nehmt das ernst! Und ich füge noch hinzu: Nehmt es vor allen Dingen in einem Jahr ernst, wo gewählt wird!

    Heuer: Und die Soldaten haben das Gefühl, es steht ihnen das Wasser bis zum Hals, offenbar?

    Kirsch: In der Tat!

    Heuer: Nun bittet Frankreich nicht nur um Geld, Frankreich bittet auch um Hilfe bei der Betankung seiner Flugzeuge. Sind wir dann mittendrin im Krieg?

    Kirsch: Ja, das ist eine spannende Sache, das hört sich ja erst mal eigentlich ganz unproblematisch an. Es ist allerdings technisch problematisch auf der einen Seite, und es ist natürlich auch schon spannend, denn es wurde ja diese saubere Trennlinie gezogen zu Beginn der ganzen Aktion, dass eben die Transall eben nur zum Transport der Kräfte von ECOWAS, der afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, eingesetzt werden sollen. Und nun geht das doch ein Stück weiter. Und ich bin da immer sehr, sehr skeptisch, weil ich der Auffassung bin, wenn das weiter geht, über das hinaus, was bisher gesagt worden ist, dann gehört das ins Parlament, und dann muss im Parlament darüber gesprochen werden. Denn das sind Dinge, die in einer Parlamentsarmee letztendlich in der Herzkammer der Demokratie - und das ist der Deutsche Bundestag - behandelt werden müssen.

    Heuer: Aber der Verteidigungsminister schließt da gar nicht aus, dass im Parlament über solche Einsätze in Mali abgestimmt wird!

    Kirsch: Dann soll er's tun!

    Heuer: Dürfen wir überhaupt teilnehmen an einer solchen Aktion, mit der Betankung der Flugzeuge?

    Kirsch: Also, nach meiner Bewertung ist das grenzwertig, weil wir damit unmittelbar in den Konflikt ja auch eingreifen. Auf der anderen Seite gibt es in der NATO gegenseitige Verpflichtungen, wie man sich unterstützt, das ist überhaupt keine Frage. Nur, das muss doch transparent sein, das muss auch für die Öffentlichkeit transparent sein, das muss für die Soldatinnen und Soldaten transparent sein. Und deswegen gehört diese Transparenz über die Debatte im Deutschen Bundestag erzeugt.

    Heuer: Ich verstehe Sie aber richtig, Herr Kirsch, Sie sind doch eher dagegen?

    Kirsch: Was heißt, ich bin dagegen ... Wenn es jetzt darum geht, einem Partner zu helfen in einer schwierigen Lage, dann bin ich grundsätzlich dafür, das zu tun. Es muss nur öffentlich deutlich sein, wie weit man sich dann verpflichtet und was das gegebenenfalls für einen Rutschbahneffekt auch in einer solchen Auseinandersetzung bedeutet.

    Heuer: Die Bundeswehr will in Mali auch Soldaten schulen. Es gab solche Schulungen aber auch schon früher, 2009 und 2010, und jetzt hören wir, dass malische Soldaten willkürlich Araber und Tuareg hinrichten. Haben die deutschen Ausbilder seinerzeit Fehler gemacht?

    Kirsch: Also, das ist in der Tat eine ganz, ganz schwierige Geschichte und das macht mich auch persönlich sehr betroffen. Denn was hieße das denn, wenn wir jetzt die malischen Streitkräfte unterstützen durch Ausbildung, dann würden wir mit Verantwortung tragen auch, wie die sich hinterher verhalten. Und das muss man noch mal ganz genau sich anschauen und überlegen, was das denn bedeutet. Und von daher wird es sehr darauf ankommen, dass die Europäische Union sich nun auch einfach mal findet. Nach unbestätigten Informationen soll die EU ja am 29.01. nun darüber entscheiden. Und der Operationsplan für Mali soll bis zum 12. Februar vorliegen. Und auch das, wissen Sie, gehört in eine Debatte hinein, die ich ja schon die ganze Zeit fordere.

    Heuer: Herr Kirsch, aber tragen die deutschen Soldaten nicht schon diese Verantwortung? Denn wie gesagt, es gab ja diese Schulungen schon?

    Kirsch: Ja gut, wenn Sie jemanden ausgebildet haben, dann trägt der hinterher natürlich auch eine Eigenverantwortung und dafür können Sie im Nachgang niemanden haftbar machen!

    Heuer: Ein US-Kommandeur, dem es ähnlich geht wie den deutschen Ausbildern, hat ein Scheitern eingeräumt. Sollten die Deutschen das nicht auch tun?

    Kirsch: Scheitern bei solchen Auseinandersetzungen einzuräumen ist nie verkehrt, denn man weiß von vornherein nie, wie solche Auseinandersetzungen ausgehen.

    Heuer: Die Bundesregierung plant auch den Einstieg in Kampfdrohnentechnik. Hat die Bundeswehr dafür Geld?

    Kirsch: Nun wird es darauf ankommen, wie der Verteidigungshaushalt sich entwickelt. Und wenn Sie mal genau hinschauen: Wenn wir einsparen, dann können Sie ja weder beim Personal einsparen, noch bei Kosten für Liegenschaften oder Versorgungslasten, sondern Sie können nur an die Beschaffungsvorhaben herangehen. Und deswegen müssen Sie die Frage noch mal stellen und wir werden sie uns stellen müssen, wenn wir das Ergebnis der Sparklausur der Bundesregierung kennen.

    Heuer: Braucht die Bundeswehr überhaupt Kampfdrohnen?

    Kirsch: Ja, die Kampfdrohnen haben natürlich einen großen Vorteil, sie müssen kein Personal einsetzen. Und jede Soldatin, jeder Soldat, der nicht unmittelbar im Gefecht stehen muss, ist natürlich wünschenswert!

    Heuer: Die Opposition, Herr Kirsch, warnt davor, überstürzt in eine neue Qualität der Kriegsführung einzusteigen. Die Kampfdrohnentechnik ist ja sehr umstritten. Sind diese Sorgen nicht berechtigt?

    Kirsch: Also, ich würde mir lieber einen Aufschrei der Opposition wünschen bei all den Fragen, die jetzt gerade bei den Streitkräften bei der Bundeswehr ins Haus stehen, da ist die mir sowieso etwas zu ruhig, die Opposition. Aber es ist natürlich eine andere Qualität und man wird das auch sehr genau werten müssen, was das auch ethisch heißt.

    Heuer: Ulrich Kirsch, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands. Ich danke Ihnen, Herr Kirsch, und ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende!

    Kirsch: Ebenso, danke, Frau Heuer!

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