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Das offizielle Ende der Chemiewaffen

Es war ein langer Weg bis zum Erfolg: Nach 24-jährigen Verhandlungen wird am 3. September 1992 in Genf ein Abkommen zum Verbot aller chemischer Waffen unterzeichnet. Doch weder in den USA noch in Russland wurden bislang alle chemischen Waffen zerstört.

Von Andreas Zumach | 03.09.2012
    Anfang Juli dieses Jahres erschreckte ein syrischer Regierungssprecher die Welt mit einer kaum verhüllten Drohung: Das Regime von Präsident Assad behalte sich den Einsatz von Chemiewaffen vor - zwar auf keinen Fall gegen die aufständischen Bürger im eigenen Lande, wie der Sprecher versicherte, aber doch im Fall einer äußeren Aggression gegen die Republik Syrien.

    "These weapons are meant to be used only and strictly in the event of extreme aggression against the Syrian Republic."

    US-Präsident Barack Obama reagierte auf die Chemiewaffendrohung aus Damaskus mit einer scharfen Warnung an Präsident Assad und die Mitglieder seines Regimes.

    "Sie werden zur Verantwortung gezogen von der internationalen Gemeinschaft und den USA, sollten sie den tragischen Fehler machen, diese Waffen einzusetzen."

    Der Schlagabtausch über Syriens chemische Waffen hat Massenvernichtungsmittel sowie die mit ihnen verbundenen Schrecken und Gefahren wieder in Erinnerung gerufen. Sie waren in den letzten zwei Jahrzehnten weitgehend in Vergessenheit geraten. Denn am 3. September 1992 verabschiedete die ständige Abrüstungskonferenz der UNO in Genf ein Abkommen zum weltweiten Verbot von Chemiewaffen. Das gelang nach 24 Jahren mühsamen Verhandelns und über ein Dreivierteljahrhundert, nachdem Senfgas und andere chemische Massenvernichtungswaffen im Ersten Weltkrieg erstmals und mit verheerenden Folgen eingesetzt worden waren.

    "Die Vertragsstaaten sind entschlossen, zum Wohle der ganzen Menschheit, die Möglichkeit des Einsatzes von chemischen Waffen vollständig auszuschließen."

    heißt es in der Präambel des 180-seitigen Vertrages. Er untersagt nicht nur den Einsatz von Chemiewaffen, sondern auch den Besitz, ihre Entwicklung und Produktion, die Lagerung sowie die Weitergabe an andere Staaten. Vorhandene C-Waffenarsenale müssen restlos vernichtet werden. Mit der Ratifikation durch inzwischen 188 Staaten ist das Chemiewaffenverbot das am breitesten unterstützte Abrüstungsabkommen in der Geschichte der UNO. Noch nicht beigetreten sind dem Vertrag neben Syrien die sieben Staaten Israel, Ägypten, Somalia, Angola, Nordkorea, Birma und Südsudan.

    Als die Genfer UN-Abrüstungskonferenz im Jahr 1968 die Verhandlungen über ein Verbot von Chemiewaffen aufnahm, waren die USA und die Sowjetunion zunächst noch dagegen. Die beiden Länder mit den größten C-Waffenarsenalen wollten ihr gegenseitiges Abschreckungspotenzial nicht aufgeben. Das änderte sich erst im April 1984, als US-Präsident Ronald Reagan einen Entwurf seiner Regierung für ein weltweites Chemiewaffenverbot ankündigte und auch erklärte, was den Umschwung in der Haltung Washingtons bewirkt hatte.

    "Chemische Waffen wurden in den letzten Jahren gegen wehrlose Menschen in Afghanistan, in Südostasien und im Konflikt zwischen Iran und Irak eingesetzt. Der Einsatz dieser schrecklichen Waffen hat auch gravierende Auswirkungen für unsere eigene Sicherheit."

    Ein Jahr nach Reagans Ankündigung bekannte sich auch die neue sowjetische Führung unter Michail Gorbatschow zum Ziel eines weltweiten Chemiewaffenverbots. In seiner Rede hatte der US-Präsident aber auch die wesentliche Bedingung für eine Zustimmung der USA zu einem künftigen Verbotsabkommen formuliert.

    "Die Überwachung eines Chemiewaffenverbots wird nicht einfach sein. Das internationale Vertrauen in ein Verbot kann nur sichergestellt werden durch ein effektives Regime zu seiner Kontrolle und Durchsetzung ."

    Vor allem um diese Fragen drehten sich die Genfer Verhandlungen in den acht letzten Jahren bis zum September 1992. Schließlich gelang die Einigung auf ein so engmaschiges Überwachungs- und Durchsetzungsregime, dass auch eine Ratifikation des Abkommens in Washington durch die erforderliche Zweidrittelmehrheit des Senats gesichert war. Auch in Moskau stieß der Vertrag auf Zustimmung. Mit dem Abkommen wurde die "Organisation für das Verbot chemischer Waffen" mit Sitz in Den Haag etabliert. Die Mitarbeiter dieser Organisation führen in allen 188 Vertragsstaaten regelmäßige Routinekontrollen sowie Überraschungsinspektionen durch. Seit Inkrafttreten des Abkommens im April 1997 meldeten sieben der 188 Vertragsstaaten der Den Haager Behörde insgesamt 71.000 Tonnen chemischer Waffen. Davon sind bislang 75 Prozent vernichtet. Die ursprünglich gesetzte Frist bis Ende 2015 für die Vernichtung aller Bestände wird von den beiden größten C-Waffenbesitzern nicht erfüllt werden. Wegen Umweltproblemen bei der Verbrennung der hochtoxischen Substanzen wurde Russland eine Verlängerung bis Ende 2016, den USA sogar bis Ende 2021 bewilligt.