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Das Problem Dozentenmangel

Der Schwerpunkt im Angebot der Volkshochschulen liegt heute auf dem Sektor Weiterbildung, im privaten Bereich, aber vor allem auch im beruflichen. Durch die qualitativen Veränderungen sind die Anforderungen an die Dozenten gestiegen. Da ist es für die Volkshochschulleiter nicht immer leicht, geeignete Kursleiter zu finden.

Von Marion Neiteler | 10.10.2009
    Die Volkshochschule Soest liegt mitten in der wunderschönen historischen Altstadt. Eine Insel der Glückseligen, spricht man mit Helmut Albers, Referatsleiter für Sprachen und Politik - jedenfalls was den Mangel an Dozenten angeht:

    "Nein, in all unseren Sprachen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, haben wir keinen Dozentenmangel, wir bieten ja 22 Sprachen an. Wir finden die Leute zum Beispiel in den Deutschkursen, weil ich die anspreche, jetzt habe ich eine Afrikanerin angesprochen aus der letzten Deutschprüfung, weil ich wusste, sie kommt aus Kenia. Habe sie gefragt, ob sie Suaheli unterrichten kann und wir haben uns schon für das nächste Semester vereinbart."

    Auf ähnliche Weise fand er - wie er sagt - seine beste Französisch-Dozentin - nämlich an der Fleischtheke im Supermarkt: In gepflegtestem Französisch schimpfte sie dort mit ihren Kindern. Albers horchte auf, sprach sie an und sie ... sagte zu! Sein Erfolgsrezept:

    "Also, wenn sie diese Wege gehen, früher oder später finden sie Menschen - bei Kunstausstellungen, bei politischen Veranstaltungen, bei Empfängen des Ausländerbeirates, was weiß ich, sie müssen also, sozusagen, im sozialen Umfeld sich bewegen, vor Ort sein, und ein bisschen Aufmerksamkeit haben."

    So einfach lässt sich das Problem von Stefan Hesse nicht lösen: Hesse ist pädagogischer Mitarbeiter bei der Volkshochschule im Hochsauerlandkreis. Ihm macht eine Verordnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu schaffen. Nach dieser Vorgabe müssen sich all die Dozenten einer Zusatzqualifizierung und abschließenden Prüfung unterziehen, die kein abgeschlossenes Studium für "Deutsch als Fremdsprache" vorweisen können. Dadurch sollen allgemeine Qualitätsstandards eingeführt werden. Hesse weiß nicht, wie er seinen Dozenten die Zusatzprüfungen vermitteln soll:

    "Also, wenn ich einen pensionierten Deutschlehrer frage, der engagiert und interessiert ist, in diesen Kursen zu arbeiten und ich dann sagen muss, dass er noch mal so eine Art kleines Referendariat durchlaufen muss, bin ich sehr skeptisch, ob ich da erfolgreich überreden kann."

    Ab dem 1. Januar 2010 jedenfalls dürfen an allen Volkshochschulen in Deutschland nur noch Dozenten eingesetzt werden, die den neuen Qualitätsstandards entsprechen. Das gilt eben auch für Lehrkräfte, die bereits seit Langem in den Integrationskursen unterrichten. Dazu gehört auch Anna Leutz. Die gebürtige Moskauerin hat Germanistik studiert mit Deutsch und Englisch als Zweitsprache. Sie unterrichtet seit 15 Jahren an der Volkshochschule im sauerländischen Sundern und muss für ihre Qualifizierungsstunden ins 70 Kilometer entfernte Dortmund fahren:

    "Einerseits ist es natürlich nicht ganz einfach, denn gerade hier auf dem Lande sind die Fahrten doch etwas schwierig zu organisieren, gerade, wenn man nur ein Auto hat in der Familie, da sind die Wege auch weit. Es wäre doch sehr schön, wenn das etwas näher vor Ort wäre. Es war geplant in Neheim und das hat leider jetzt nicht stattgefunden. Meine Tochter ist da natürlich nicht so begeistert. Mit gewissen Einschränkungen ist das verbunden und das muss ich jetzt einplanen."

    Anna Leutz hat noch Glück: Aufgrund ihrer Qualifikation muss sie nur 70 Qualifizierungsstunden lang noch mal die Schulbank drücken. Andere Kollegen müssen die volle Stundenzahl von 140 Stunden absitzen.

    Klaus-Rainer Willeke, Leiter der Volkshochschule im Hochsauerlandkreis:

    "Was für uns gewöhnungsbedürftig ist, ist, dass wir ein staatlich anerkannter Weiterbildungsträger sind, der auch öffentlich gefördert wird durch das Land Nordrhein-Westfalen. Wir werden zertifiziert nach dem Referenzmodell des Schul- und Weiterbildungsministeriums und müssen dennoch ständig immer wieder nachweisen, dass wir wirklich gute Qualität in der Arbeit haben, und das ist dann manchmal auch ermüdend, weil wir dann das Gefühl haben, dass wir auch zwar schon Qualitätsstandards erfüllen, die uns ja auch attestiert sind."

    Willeke registriert mit Blick auf seine Arbeit als Volkshochschulleiter noch mehr Sand im Getriebe: Die Landesmittel wurden in den vergangenen acht Jahren um fast 20 Prozent gekürzt: Gab es Anfang 2000 noch 360.000 Euro im Jahr, muss die Volkshochschule jetzt mit 100.000 Euro jährlich weniger auskommen. Und auch der zunehmende Bürokratismus lähmt den Betrieb:

    "Dadurch, dass es eine verminderte, eine pauschalisierte Förderung durch das Land NRW gibt, sind wir gezwungen, Dinge, die eigentlich auch in der Region unbedingt durchgeführt werden müssen, wie zum Beispiel nachträglich abzuschließende Hauptschulabschlüsse oder Deutschkurse dafür eben andere Fördertöpfe aufzutun, und das bedeutet jedes Mal, dass wir entweder für den Europäischen Sozialfonds oder für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umfangreiche Anträge schreibe müssen, dann versuchen müssen, dadurch an Gelder zu kommen, um diese Dinge durchführen zu können. Also, unsere Tätigkeit hat sich sehr stark in so eine Bildungsmanagement-Tätigkeit verwandelt."