Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Das Problem für Publikumsverlage "ist einfach die Distribution"

Die Distribution von E-Books sei für kleinere Verlage in zweierlei Hinsicht schwierig, sagt der Verlags-Experte Holger Ehling. Erstens hielten Käufer die größeren Anbieter für kompetenter. Zweitens müssten aufgrund dieser Konkurrenz hohe Rabatte angeboten werden.

Holger Ehling im Gespräch mit Beatrix Novy | 19.01.2012
    Beatrix Novy: Heute fand in München die Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Publikumsverlage statt, das ist das traditionelle jährliche Treffen der großen Belletristik- und Sachbuch-Verlage. Um diese Zeit weiß man nämlich, was das Weihnachtsgeschäft gebracht hat und was das fürs neue Jahr zu bedeuten haben könnte. - Holger Ehling war bei der Tagung dabei, er kennt die Sorgen der Buchbranche sowieso genau - einer Branche, in der sich Untergangsängste mit Erfolgsmeldungen sehr oft abwechseln. Frage an ihn: Welche Sorgen bewegen denn zurzeit die Verlage im Besonderen?

    Holger Ehling: Die Verlage haben für das Jahr 2012 zwei große Themen auf dem Zettel: Das eine ist das ganze Thema Elektronik, das andere ist das Thema Konzentration. Elektronik heißt: Wie kann ich als Publikumsverlag, der ich dem normalen Leser gegenübertrete, mit Unterhaltung und mit Information zu vernünftigen Preisen ein Angebot machen, das er auch wahrnimmt, das dann eben auch gekauft wird? Das andere Thema ist: Wie kann ich mich aus dem Klammergriff der ganz, ganz großen Formate wie Amazon, Thalia, Hugendubel und so weiter befreien und tatsächlich eine wirtschaftliche Existenz haben ohne diese ganz großen?

    Novy: Aber das ist doch eigentlich jedem Verlag unbenommen, selbst E-Books zu machen.

    Ehling: Verlage, die im Unterhaltungsbereich, im Massenmarkt unterwegs sind, werden heutzutage jedes einzelne Buch, das sie publizieren, gleichzeitig auch als E-Book verlegen. Das Problem ist einfach die Distribution. Wir haben in dem klassischen Vertriebsbereich ja den stationären Buchhandel, also den Buchhändler um die Ecke. Der hat zwar sämtliche technischen Möglichkeiten, E-Books zu verkaufen, er wird es in der Regel aber auch nicht tun, und der Käufer wird auch eben nicht den Buchhändler Müller oder Meyer an der Ecke überhaupt für kompetent halten, E-Books zu verkaufen. Das heißt, wir haben große Formate wie Amazon, Apple, mittlerweile Coho oder PagePlace von der Deutschen Telekom, dazu noch Thalia und Weltbild, die E-Books anbieten. Wenn ich sechs, sieben, acht ganz, ganz große Vertriebe habe für das Thema, bin ich als Anbieter, bin ich als Verlag in einer sehr, sehr schwierigen Lage. Ich muss hohe Rabatte anbieten, ich muss mich sehr, sehr lieb stellen mit den Leuten, dass die dort wirklich ein Geschäft für mich dann auf die Reihe stellen.

    Novy: Welche Rolle spielt in diesem ganzen Sorgenkomplex das Urheberrecht? Das war ja auch ein Thema der Tagung heute.

    Ehling: Das Urheberrecht ist, wenn es um die Elektronik geht, natürlich immer sehr, sehr schwierig. Es gibt keinen konkreten Gesetzesentwurf, der zum Beispiel dahin geht wie in den USA das SOPA-Gesetz, das jetzt den Missbrauch von Urheberrechten sehr stark einschränken kann. In Deutschland ist man nicht so weit. Sowohl die Musiker, als auch die Verleger sind nicht so weit aufgestellt, dass sie einen ähnlichen Vorschlag haben.

    Novy: Nun gibt es ja entgegen allen Problemen mit der elektronischen Kommunikation, die natürlich die Verlage in große Bedrängnis bringen, doch auch immer wieder die ganz anderen Nachrichten, dass das Buch beliebt ist, dass die Buchhandlung in der Stadt beliebt ist und auch gestützt wird, dass Belletristik, auch anspruchsvolle Belletristik - und zwar in Buchform - durchaus prosperiert.

    Ehling: Das ist richtig. Wir haben eigentlich immer das Resümee gehabt, dass der Buchhandel besser abgeschnitten hat als der normale Einzelhandel. Wir haben im Buchhandel seit mindestens 15 Jahren die Tendenz, dass immer weniger ausgegeben wird, dass immer billigere Bücher gekauft werden. Dem wird entgegengewirkt, möglicherweise mit Mitteln, die nicht ganz adäquat sind, wie jetzt, dass man jetzt bei der "Spiegel"-Bestsellerliste - das wichtigste Referenzprodukt auch für das Marketing von Büchern – hergeht und sagt, wir machen dort nur noch Hartcovers, die richtigen teuren Bücher. Die Buchhändler vor allen Dingen finden das klasse, dass das wichtigste Instrument für Marketing jetzt nur noch für teure Bücher gilt im Publikumsmarkt. Gleichzeitig ist das natürlich dann auch eine Augenwischerei: Der Kunde wird weiterhin natürlich vor allen Dingen nach preiswerten Büchern gehen und wird genauso wie bisher nicht den 44-Euro-Titel von Eco kaufen.

    Novy: Holger Ehling berichtete von der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Publikumsverlage heute in München.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.