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Das Reisforschungszentrum IRRI auf den Philippinen

Nach Angaben der Vereinten Nationen ist für rund die Hälfte aller Menschen das Grundnahrungsmittel Nummer Eins: der Reis. Und, auch das lässt sich statistisch belegen: je ärmer die Menschen sind, desto wichtiger wird der Reis als Nahrungsmittel - oft genug ist er überhaupt das einzige, was es für viele, wenn überhaupt, zu essen gibt. Um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, muss also die Produktion in den Anbau-Ländern weiter steigen. Und das ist in der Vergangenheit zumindest in durchaus erstaunlichem Ausmaß gelungen. So hat sich die Weltreisproduktion zwischen 1960 und 1990 mehr als verdoppelt. Motor dieser Entwicklung war unter anderem das Internationale Reisforschungszentrum, kurz IRRI auf den Philippinen - das größte Reisforschungsinstitut der Welt, wo viele der heute weltweit angebauten Sorten mit hohem Ertrag entwickelt wurden.

Von Claudia Ruby | 16.05.2002
    In Los Banos, einem kleinen Städtchen etwa zwei Autostunden von Manila entfernt, liegt das IRRI, das Mekka der Reisforscher. Rund 100 Wissenschaftler aus aller Welt arbeiten hier an der wohl wichtigsten Nutzpflanze. Durch große Stahltüren gelangt man in das Herz des IRRI, in die Genbank. Hier lagern Proben von über 100.000 verschiedenen Reissorten, erzählt der Leiter Edwin Javier.

    Wir bekommen Proben aus den verschiedensten Ländern. Wir testen den Reis und vermehren ihn. Dann werden hier die Samen sortiert. Die guten Reiskörner müssen von den schlechten getrennt werden.

    Einige Gramm von jeder Sorte werden in Aluminiumfolie eingeschweißt und in einem der Kühlräume gelagert. Bei minus 20 Grad bleibt das Saatgut bis zu 100 Jahre keimfähig. In unzähligen Regalen liegt ein Reistütchen neben dem anderen. Jede Sorte hat ganz bestimmte Eigenschaften. Einige sind gut an Trockenheit angepasst, andere wachsen auf salzigen Böden oder haben eine natürliche Widerstandskraft gegen Krankheiten. Reisforscher und Züchter in aller Welt können auf die Genbank des IRRI zurückgreifen. Ein unschätzbarer Wert.

    Nehmen wir zum Beispiel Kambodscha. Vor dem Bürgerkrieg haben die Wissenschaftler ihre traditionellen Sorten zum IRRI geschickt, damit wir sie sicher aufbewahren. Das war Anfang der 70er Jahre. Später, während der Zeit von Pol Pot, hat Kambodscha fast seine gesamten Reissorten verloren. Die Landwirtschaft sollte revolutioniert werden. Die Bauern mussten moderne Sorten anbauen, obwohl die überhaupt nicht an die lokalen Verhältnisse angepasst waren. Aber nach dem Krieg konnten wir den Bauern in Kambodscha ihre traditionellen Reissorten zurückgeben.

    Das IRRI wird von öffentlichen Geldern finanziert, deshalb müssen die dort entwickelten Reissorten auch ohne Patent- oder Lizenzgebühren abgegeben werden. Die Reisforschung lebt vom freien Austausch, sagt Duncan Macintosh. Bei manchen Sorten, die heute weltweit angebaut werden, stammt der Vater aus Afrika und die Mutter aus Lateinamerika. Doch dieses System ist gefährdet, so der IRRI-Sprecher Macintosh. Denn immer weniger Länder schicken Proben nach Los Banos.

    Seit Jahrhunderten hat niemand eine Reissorte besessen. Das Saatgut wurde frei getauscht - zwischen Farmern, Nachbarn und Staaten. Aber in den letzten zwei Jahren haben die meisten Länder ein Sortenschutzrecht eingeführt. Ähnlich wie beim Champagner in Frankreich sagen sie: das ist unser nationales Produkt. Wir beanspruchen die Rechte. Thailand tut das zum Beispiel beim Jasmin-Reis, Indien beim Basmati oder Safran-Reis. Das ist verständlich, aber es wird die Reis-Branche fundamental verändern.

    Und noch eine Veränderung macht den Wissenschaftlern zu schaffen. Jahrzehntelang hatte die öffentlich finanzierte Reisforschung quasi ein Monopol. Doch diese Zeiten sind vorbei.

    Der private Sektor hat sich nie um Reisforschung gekümmert. Bei Tabak, Mais und vielen anderen Nutzpflanzen war das anders. Die Privatwirtschaft hat viel in Forschung und Entwicklung investiert. Nicht jedoch beim Reis. Wohl vor allem deshalb, weil die Kunden so arm sind. Das Geschäft versprach nicht genug Profit. Aber jetzt gibt es einige große Firmen, die in die Reisforschung einsteigen.

    Die Anforderung ist enorm: In den nächsten 20 Jahren wird die Weltbevölkerung um rund zwei Milliarden Menschen anwachsen. Mehr als die Hälfte von ihnen wird sich hauptsächlich von Reis ernähren. Die Produktion muss also noch einmal drastisch ansteigen. Dieses Problem umweltfreundlich zu lösen ist, ist eine der größten Herausforderungen für die Zukunft.