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Das Schrumpfen der Städte

Die Plattenbau-Viertel in Eisenhüttenstadt, deren Wohnungen mit Zentralheizung und Badezimmer in der DDR einst heiß begehrt waren, haben sich in den letzten 15 Jahren zu sozialen Brennpunkten gewandelt. Hohe Arbeitslosigkeit, die Flucht der Jugend gen Westen - die letzten Prognosen zeigen, dass Eisenhüttenstadt bis 2020 auf unter 30.000 Einwohner schrumpfen wird, von einstmals 50.000 nach der Wende. Dementsprechend steigt die Zahl der Abrisswohnungen beständigt.

Von Nana Brink | 04.06.2005
    Eisenhüttenstadt im Frühjahr 2005: In einem Plattenbau-Viertel an der Oder steht ein Abrisskran und frisst an den Wänden eines Hochhauses. Nebenan fehlen einem fünfgeschossigen Plattenbau schon Fenster und Türen und der gegenüberstehende Block ist – bis auf eine Wohnung – leer gezogen.

    Wohnungen, die keiner mehr braucht: Über 26 Prozent aller Plattenbauten in Eisenhüttenstadt stehen heute leer. Christiane Nowak, Leiterin der Abteilung Stadtentwicklung im Rathaus, markiert in ihrem Büro vier rote Kästchen auf einem großen Stadtplan. Vier von mehreren Dutzend:

    " Wenn Sie als Stadt im Verlauf von 15 Jahren 15.000 Einwohner weniger geworden sind, dann ist es vergleichbar, wie wenn jemand sehr stark annimmt, und derjenige muss in seine Bekleidung dann Abnäher machen, so müssen wir uns als Planer Gedanken machen, wo kann man die Stadt kleiner machen. "

    Bis 2010 sollen nach den bisherigen Berechnungen der Planer 5.113 Plattenbauwohnungen abgerissen werden. An oberster Stelle steht der Wohnkomplex 7, kurz WK 7 genannt, eine gesichtslose Ansammlung von fünfstöckigen, verwahrlosten Plattenbauten, durchtrennt von einer großen Straße. Christiane Nowak:

    " Der WK 7 ist eigentlich von der Substanz her der jüngste, und insofern muss man sich die Frage stellen, warum er, es hat eine umfangreiche Mieterbefragung gegeben und es hat sich gezeigt, dass insgesamt der Wohnkomplex 7 sehr wenig Akzeptanz bei den Mietern findet. "

    " Da vorne ja im vierten ... ist unheimlich viel, die wegziehen, da geht’s hin und her, mal kommen se, dann ziehen sie wieder aus...ja es kommen immer mehr Fremde dazu. Da finde ich auch ganz schlimm, ist ja kaum ein Block gemacht worden und kann man schon drauf warten, dass er beschmiert ist, ganz viele Ausländer wohnen, also eine Kollegin hat erzählt, dass sie ganz viele Ausländer im Eingang hat. Ich sag mal, 10 bis 15 Prozent stehen leer in dem Block, ist ein Rentnerblock, der heißt so, weil überwiegend Rentner drinnen wohnen. "

    Die Plattenbau-Viertel, deren Wohnungen mit Zentralheizung und Badezimmer in der DDR einst heiß begehrt waren, haben sich in den letzten 15 Jahren zu sozialen Brennpunkten gewandelt. Alle, die es sich leisten können, ziehen ins Grüne – oder nach Westdeutschland. Zurück bleiben die sozial Schwachen, viele Aussiedler und Asylbewerber. Auch die 44jährige Ramona Riedel ist ausgezogen.

    " Das Problem ist, hier in der Stadt habe ich festgestellt, dass man jetzt in diesen Bereich geht, dass nur noch Ausländer in diesem Gebiet wohnen, dass nichts mehr gemacht wird und dass die Leute dann auch resignieren und sagen, nee, wir wollen nicht mehr und ziehen weg. Es gibt ja kaum noch was, die Leute haben kaum Geld, vieles wird zugemacht, in der Stadt selber, die Lindenallee ist ja schon fast tot, das bisschen, was dort noch an Geschäften ist, es ist kein Flair mehr da, wo man sagt, man geht da mal bummeln. "

    In der Lindenallee, der Hauptstraße von Eisenhüttenstadt, steht jedes zweite Geschäft leer. Sinkende Mieteinnahmen aus Gewerberäumen, ein Wohnungsleerstand von fast 30 Prozent und Altschulden - die beiden Wohnungsbaugesellschaften in Einhüttenstadt haben keinerlei finanziellen Spielraum. Und somit auch kein Geld für Sanierungsmaßnahmen. Ein Teufelskreis.

    Ohne die Abrisspauschale in Höhe von 60 Euro pro Quadratmeter - getragen von Bund und Land – könnte Eisenhüttenstadt noch nicht einmal seine maroden Wohnbauten aus dem Stadtbild verschwinden lassen. Bleibt ein weiteres Problem für die Planer: Christiane Nowak vom Stadtplanungsamt, malt ein halbes Dutzend Kringel auf ihren Plan. Was passiert mit den sechs Schulen, zum Teil in riesigen Plattenbauten, für die es keine Kinder mehr gibt?

    " Die stehen dann leer und dann müssen Sie sie als Eigentümer sichern, weil Vandalismus ist ja allgegenwärtig in den Städten und das ist eine teure Angelegenheit und insofern ist es ein Problem. Es sind überflüssige Baukörper, wenn die Stadt kleiner wird, bleibt einiges übrig. "

    Die letzten Prognosen zeigen, dass Eisenhüttenstadt bis 2020 auf unter 30.000 Einwohner schrumpfen wird, - von einstmals 50.000 nach der Wende. Vor allem die Jungen ziehen der Arbeit hinterher, - eine Entwicklung mit dramatischen Folgen, wie Professor Ulf Matthiesen vom brandenburgischen Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung erklärt.


    " Die Gefahr ist groß, dass die schwach Qualifizierten zurückbleiben – die Frauen, die gut ausgebildeten, jungen Frauen, das vergisst man häufig, sind übrigens die ersten, die weg sind, das muss man auch zusammen denken, dass da zugleich eine hochgradig strukturelle Arbeitslosigkeit herrscht, zugleich keine Lebenspartner mehr in ausreichender Zahl vorhanden sind und dadurch natürlich auch in der nächsten Runde die Reproduktionsrate der Bevölkerung eher noch schwächer ausfallen wird. "

    Schon jetzt haben die Städteplaner in Eisenhüttenstadt die Zahl der Abrisswohnungen um ein paar Hundert nach oben korrigiert. Es spricht einiges dafür, dass noch ein weiteres Stadtviertel einfach überflüssig wird.

    " Der Abriss ist ja nur eine Auswirkung, der größte Wunsch ist, dass man an den Ursachen ansetzen könnte und einfach für Arbeitsplätze Rahmenbedingungen schaffen...aber leider stehen die Investoren nicht Schlange in Eisenhüttenstadt.... Eisenhüttenstadt wird ein Altersheim, man merkt es immer mehr, wie die Jugend weg zieht, die gehen nach Bayern, nach Nordrhein-Westfalen, nach Hessen, die lernen dort, die kommen nicht zurück. Weil hier eben auch arbeitsmäßig nichts ist. Bei mir wird es so sein, dass ich doch meine Koffer auch packen werde und nach Nordrhein-Westfalen gehe. "