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"Das Schweigen der Zukunft"

Die Zerstörung Dresdens, die Heinz Czechowski als Zehnjähriger miterlebte, war das dominante Thema seiner Lyrik. Der Schrecken schwang seither immer mit. Czechowski starb am vergangenen Mittwoch im Alter von 74 Jahren.

Hajo Steinert im Gespräch mit Heinz Czechowski | 27.10.2009
    Karin Fischer: Zuerst aber zu einem Lyriker, für den Heimat ein prägender Begriff war: Heinz Czechowski, in Dresden geboren, ist tot. Die viel gerühmte Sächsische Dichterschule, der er auch angehörte, war mehr Freundschaftsbund als ästhetisches und poetisches Programm. Dissidenz war nicht der Anspruch, aber man blieb letztlich doch auch zu hermetisch, um berühmt zu werden. Der jüngst verstorbene Adolf Endler hat ihr angehört, auch Heinz Czechowski und viele andere. Und doch ist Czechowski ein Einzelfall gewesen, ein Einzelner mit einem einzigen Lebensthema. Die Zerstörung Dresdens hat er als Zehnjähriger miterlebt, sie war das dominante Thema seiner Lyrik. Der Schrecken, das Drohende schwang seither immer mit. Wie hier in "Wie wenig Hoffnung, rückwärtsgewandt".

    O-Ton: "Wie wenig Hoffnung, rückwärtsgewandt, blüht dir entgegen, tritt in den eigenen Schatten, die Freunde, dem eigenen Lied auf die Kehle getreten, leben an dir vorbei. Jeder starb seinen Tod schon, nur du."

    Fischer: Heinz Czechowski ist am vergangenen Mittwoch, wie erst jetzt bekannt wurde, im Alter von 74 Jahren gestorben. Die Frage geht an Hajo Steinert, Literaturchef im Deutschlandfunk: Wie würden Sie seine Lyrik charakterisieren?

    Hajo Steinert: Sie nannten die Sächsische Dichterschule, und das war eine ganz bedeutende lyrische Richtung in den 60er-Jahren in der DDR. Die Lyrik war zu dieser Zeit sozusagen eine Art Ausflucht, man konnte in der Lyrik Missstände in der DDR aufzeichnen lassen, das kritische Naturgedicht war sozusagen der Gedanke der Sächsischen Dichterschule. Und diese Gedichte hatte auch Heinz Czechowski geschrieben, ähnlich wie es Elke Erb getan hat, auch Reiner Kunze gehörte zu dieser Schule, Carl Nickel ebenso. Seine Gedichte waren klassisch orientiert, er schrieb Oden, er orientierte sich an Klopstock, aber auch an Paul Celan, aber viele freie Rhythmen und der Begriff der eigenen Erfahrung spielte eine große Rolle, deswegen waren seine Gedichte immer auf einen Dialog aus. Man konnte die Gedichte immer gut verstehen, sie waren nicht sehr verschlüsselt. Er war darum bemüht, Leser zu finden, und war gleichzeitig auch wie viele andere Lyriker seiner Generation geschult an der russischen Lyrik. Er gehörte ja zu denen, die russische Lyrik auch übersetzten, neu dichteten – Anna Achmatowa zum Beispiel war eine große Figur auch für Heinz Czechowski.

    Fischer: Er war durch dieses Trauma – das haben Sie gerade erwähnt – weiträumig immun gegen die Aufbaurhetorik des DDR-Staats, wie verlief seine Biografie in Ostdeutschland?

    Steinert: Na ja, das war eine Art Eiertanz in seiner Biografie. Er hatte ja immerhin den Heinrich-Mann-Preis 1977 in der DDR bekommen. Er war einer, der auch in der DDR blieb, der nicht wie Wolf Biermann, Reiner Kunze oder Günter Kunert, Freunde von ihm, aus dem Land gegangen sind, um dann nur noch im Westen zu veröffentlichen. Er versuchte zu bleiben, er blieb in seiner sächsischen Heimat und hatte über den Mitteldeutschen Verlag dann auch seine Leser bekommen. Gleichzeitig hat er sich natürlich nie der DDR angebiedert. Aber seine Hoffnung, dass der Sozialismus sich mal zum Guten wendete, ging mit den Jahren immer wieder vorbei. 1983 war das Jahr, in dem sein erster Gedichtband in der Bundesrepublik Deutschland erschien. Dann kamen die Westauftritte und damit die immer größer werdende Distanz zur DDR.

    Fischer: Lassen Sie uns noch mal inhaltlich sprechen. Dieses schwere Thema der Zerstörung Dresdens hat uns in den letzten Jahren ja immer wieder auch unter historischen Aspekten beschäftigt. Gibt es bei Czechowski so eine Art tiefere Wahrheit, die seine Lyrik auszusprechen vermag über diese Dinge, die in Geschichtsbüchern nicht stehen würde?

    Steinert: Die Wahrheit kommt aus der eigenen Erfahrung. Er war zehn Jahre alt, als er erlebte, wie Dresden dann in Schutt und Asche versank. Und die Bilder, die er noch vor Augen hat, haben ihn immer wieder verfolgt, und es war eine wirkliche Verfolgung, die er verspürte. Und darin liegt natürlich auch die Wahrheit. Die Dichte der Bilder, die Wiederholung auch der Bilder, die er uns gegeben hat, das macht seine Lyrik auch äußerst stark. Und es ist wichtig festzuhalten, dass Heinz Czechowski eigentlich der erste Dichter war, der sozusagen als Chronist dieser Stadt auftrat, lange bevor es Doris Grünmann wurde und vor allen Dingen Uwe Tellkamp, über den heute ja alle sprechen. Und Heinz Czechowski hat das große Unglück, dass durch die deutsche Einheit, durch den Mauerfall er in große Wirren geraten ist. Er hat diese Zeit eigentlich gar nicht verkraftet, viele Freundschaften sind gebrochen. Er hat nachher noch seine Autobiografie geschrieben, aber er hat sich aus dem literarischen Betrieb weitgehend herausgehalten. Er war ein Gekränkter, er ist krank geworden auch, und viele Hoffnungen, die er hatte in die Einheit Deutschlands, haben sich auch nicht für ihn persönlich erfüllt. Er war ein unruhiger Reisender in verschiedenen Ländern Europas, auch in vielen kleineren Städten Deutschlands.

    Fischer: Vielen Dank, Hajo Steinert, Literaturchef im Deutschlandfunk, für diese Erinnerung an den Schriftsteller und Lyriker Heinz Czechowski, der vergangene Woche im Alter von 74 Jahren gestorben ist.