Donnerstag, 25. April 2024

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Das Schwesternduo Larkin Poe
Rock'n'Roll als Antwort

Was macht man, um heftigen Trennungsschmerz zu bekämpfen? Man holt die E-Gitarre raus und dreht den Verstärker auf Anschlag. So haben es Larkin Poe für ihr Album "Reskinned" gemacht. Was mit Country und Folk und dem Geschwistertrio The Lovell Sisters begann, wird beim Geschwisterduo Larkin Poe zum rifflastigen Südstaatenrock – inklusive Lap-Steel-Gitarre.

Megan und Rebecca Lovell im Gespräch mit Fabian Elsässer | 12.03.2016
    Larkin Poe: Die beiden Schwestern Rebecca Lovell (l.) und Megan Lovell im Deutschlandfunk.
    Larkin Poe: Die beiden Schwestern Rebecca Lovell (l.) und Megan Lovell im Deutschlandfunk. (Deutschlandradio / Adalbert Siniawski)
    Fabian Elsäßer: Rebecca und Megan Lovell, der erste Titel des Albums, "Sucker Puncher", attackiert den Hörer regelrecht mit einer Rohheit, die man so bisher nicht von Ihnen kannte – gibt es eine Erklärung für diesen neuen Härtegrad in Ihrer Musik?
    Rebecca Lovell: "Ach Du meine Güte! Ganz einfach gesagt: Ich habe Anfang des vergangenen Jahres eine üble Trennung durchgemacht. Und als wir neue Musik geschrieben haben, gab es da wohl einige emotionale Anspannung, die wir loswerden mussten. Es war, glaube ich, wirklich wichtig, im Text etwas von dieser Existenzangst und Wut zu vermitteln. Und die Musik musste dem folgen."
    Megan Lovell: "Rock‘n‘Roll ist eine großartige Antwort auf so etwas!"
    Fabian Elsäßer: "Es war also keine bewusste Entscheidung, rocklastiger zu werden, wobei Ihre Musik dieses Element ja schon immer hatte, sondern rein biografisch bedingt?"
    Rebecca Lovell: "Absolut. Außerdem waren wir jetzt sechs Jahre lang fast ununterbrochen auf Tour und für uns hat das irgendwie Sinn ergeben, immer heftiger zu spielen. Wir haben die Verstärker immer noch ein bisschen weiter aufgedreht und mehr Verzerrung eingebaut. Und die Bühnen, auf denen wir mittlerweile spielen, verlangen fast schon von selbst nach mehr Rock’n‘Roll."
    Fabian Elsäßer: "Hat sich auch an Ihrer Arbeitsweise etwas verändert?"
    Megan Lovell: "Der größte Unterschied war wohl die Zeit. Für das erste Album hatten wir viel mehr Zeit, diesmal war alles viel konzentrierter. Das mag ich eigentlich lieber, denn man ist dann zwar nicht so perfektionistisch, dafür aber Ehrlicher. Die Solos haben wir zum Beispiel viel öfter am Stück aufgenommen, statt sie irgendwie aus Einzelteilen zusammen zu setzen."
    Existenzangst und Wut in Songs verarbeitet
    Rebecca Lovell: "Beim Gesang ist das genauso. Wir haben oft nur einen einzigen Durchgang dafür gebraucht. Und es fühlt sich dadurch mehr wie eine Live-Aufnahme an, viel authentischer, viel näher an dem, was wir auf der Bühne machen. Und ich würde auch sagen, dass wir inzwischen mit zunehmendem Alter genaue Vorstellungen davon haben, was im Studio passieren soll. Wir sind bei diesen fünf neuen Songs penibler gewesen als früher."
    Fabian Elsäßer: "Haben Sie schon immer zusammengeschrieben oder gab es da auch einen Unterschied?"
    Megan Lovell: "Das wechselt von Song zu Song. Manchmal ist sie dran, manchmal ich, oder wir schreiben auch mal von Anfang an zusammen. Aber in jedem Stück steckt Arbeit von uns beiden. Das ändert sich nicht."
    Rebecca Lovell: "Wir sind lebenslange kreative Partner!"
    Fabian Elsäßer: "Trotzdem wirkt es auf Videos von Ihren Konzerten so, als wären die Rollen fest verteilt, mit Rebecca als Lead – und Megan als Background-Sängerin. War das schon von Anfang an so oder mussten Sie darum kämpfen?"
    Rebecca Lovell: "Oh nein. Wir haben uns eher darum gestritten, wer den Leadgesang übernehmen muss! Das wollte eigentlich keine von uns machen."
    Gesang steht nur an zweiter Stelle
    Megan Lovell: "Wir lieben es, Instrumentalisten zu sein, der Gesang steht meist an zweiter Stelle. Aber sie hat die stärkere Stimme, deswegen habe ich da gerne klein beigegeben."
    Fabian Elsäßer: Es gibt also keine Rivalität zwischen Ihnen beiden?
    Rebecca Lovell: "Was das betrifft, nicht. Wenn wir so etwas überhaupt mal haben, dann meist, wenn Megan ein verboten gutes Lap-Steel-Solo spielt, bei dem den Leuten die Kinnlade runterklappt. Dann versuche ich irgendwie, auf meiner Gitarre mitzuhalten."
    Fabian Elsäßer: Megan, wie kamen Sie überhaupt zur Lap-Steel, oder ist es eine Lap-Slide-Gitarre?
    Megan Lovell: "Eine Lap-Steel-Gitarre. Ich weiß auch nicht. Ich habe es mit der elektrischen, der akustischen Gitarre und mit der Mandoline versucht, aber nichts davon hat so recht zu mir gepasst. Ich bin wohl dazu bestimmt, Slide zu spielen. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich mich sofort zum singenden Ton dieses Instruments hingezogen gefühlt. Ich glaube, das ist meine wahre Stimme, viel mehr als meine Singstimme. Ich singe gerne die Zweitstimmen, aber am liebsten singe ich mit der Lap-Steel-Gitarre!"
    Fabian Elsäßer: Es sieht aber ziemlich unbequem aus, denn Sie haben sie sich waagerecht vor die Hüfte geschnallt. Ich hätte, glaube ich, nach fünf Minuten Rückenschmerzen.
    Rebecca Lovell: "Sie glauben nicht, wie schwer das Ding ist!"
    Megan Lovell: "Das komfortabelste Instrument ist es nicht. Die meisten spielen es ja auch im Sitzen auf dem Schoß. Das habe ich vielleicht sogar erfunden, vermute ich mal, diese kleine Halterung, mit der ich im Stehen spielen kann."
    Fabian Elsäßer: Sie haben vor Larkin Poe schon Karriere als Musikerinnen gemacht, mit Ihrer großen Schwester Jessica zusammen. Da waren Sie doch noch unglaublich jung?
    Rebecca Lovell: "Sehr jung. Als wir angefangen haben zu touren, muss ich so um die 15 und Megan 16 Jahre gewesen sein. Wir hatten viel Glück, dass wir schon in so jungem Alter so viele Erfahrungen sammeln konnten. Zu wissen, wie man auf Tour geht oder im Studio aufnimmt und die ganzen Einzelheiten des Alltags in einer Vollzeit-Rockband kennenzulernen."
    Fabian Elsäßer: Haben Sie sich denn damals, mit 15, 16 wie Stars gefühlt?
    Rebecca Lovell: "Oh nein. Es hat sich total normal angefühlt. Wir haben einfach den Minivan beladen und unterwegs unsere Hausaufgaben gemacht. Wir wurden nämlich zu Hause beschult. Wir sind einfach umhergefahren. Wenn man so jung ist, wird alles, was man tut, irgendwann zum Alltag."
    Megan Lovell: "Wir lieben, was wir tun, aber es ist kein leichtes Leben. Das haben wir schon von Anfang verstanden. Den glamourösen Aspekt gibt es da eigentlich nicht."
    Fabian Elsäßer: Journalisten suchen ja gerne nach Vergleichen. Sie wurden mal als die kleinen Schwestern der Allman Brothers bezeichnet. Hat Sie das geärgert oder fanden Sie das sogar respektlos?
    Rebecca Lovell: "Ich finde solche Vergleiche sehr menschlich. Manchmal engt das einen ein, wenn man Kunst vergleicht. Aber mit den Allman Brothers in Verbindung gebracht zu werden, war in vielerlei Hinsicht ein großes Kompliment für uns – wir sind ja mit ihrer Musik aufgewachsen und bewundern sie."
    Fabian Elsäßer: Southern Rock ist also wirklich ein Einfluss für Sie?
    Rebecca Lovell: "Ja und nein. Wenn man sich echten Southern Rock anhört."
    Fabian Elsäßer: … Molly Hatchet, .38 Special…
    Rebecca Lovell: "Ganz genau! Davon höre ich nicht sehr viel in unserer Musik. Aber das südliche Element im Southern Rock, also Delta Blues, Bluegrass, Americana, Soul Music - das ist bei uns schon sehr ausgeprägt."
    Fabian Elsäßer: Denn wenn man über das Weltbild nachdenkt, bedeutet Südstaatenrock mit Ausnahme der Allman Brothers, die immer liberal waren, ja meist etwas Konservatives, eine gewisse Engstirnigkeit.
    Rebecca Lovell: "Viele Leute würden sogar reaktionäre Hinterwäldler sagen."
    Fabian Elsäßer: Aber das sind Sie nicht.
    Rebecca Lovell: "Würde ich auch so sehen. Wir sind schon sehr früh um die Welt gereist und das hat unseren politischen, gesellschaftlichen und religiösen Horizont erweitert. Wir haben einen ziemlich offenen Blick auf viele Themen, und das hilft uns auch beim Texten."
    Fabian Elsäßer: Die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern ist ein wichtiger Aspekt Ihrer Karriere. Besonders erwähnenswert ist da Elvis Costello. Wie haben Sie ihn kennengelernt?
    Offener Blick auf viele Themen
    Megan Lovell: "Wir haben vor sieben Jahren bei einem Americana-Festival im Süden gespielt. Ganz am Anfang von Larkin Poe. Da gab es eine große Jam-Session auf der Bühne, wir stellten uns hinter ihn und fingen an, Harmonien zu singen. Das hat ihm offenbar gut gefallen. Seitdem hat er den Kontakt gehalten, uns zu Konzerten als Vorgruppe eingeladen und auch jetzt spielen wir noch oft mit ihm, als eine Art Begleitband."
    Fabian Elsäßer: In ihrer eigenen Band stehen Sie im Vordergrund. Ist es schwierig oder sogar manchmal erleichternd, zwischendurch mal wieder in die zweite Reihe zurückzutreten?
    Rebecca Lovell: "Es ist von allem etwas. Wir hatten das Glück, mit Elvis Costello zu spielen, aber auch mit Connor Oberst von Bright Eyes. Und wenn man mit Künstlern dieses Kalibers auftritt, sich mit ihrem Material beschäftigen muss – wir spielen ja bis zu 25 Songs von ihnen auf der Bühne – das bildet einen ungemein."
    Megan Lovell: "Vor allem mit jemandem wie Elvis Costello. Die Songs können sich verändern, manche werden sogar jeden Abend anders gespielt. Das liebe ich. Das ist wie eine musikalische Sprache, und inzwischen sind wir so weit, dass wir seine Sprache fließend sprechen können."
    Fabian Elsäßer: Megan und Rebecca, vielen Dank für das Gespräch.