Dienstag, 19. März 2024


Das späte Glück in der Wohngemeinschaft

Unumwunden gebe ich an dieser Stelle zu: Ich wollte nie in einer Wohngemeinschaft leben. Die Müll-Runter-Bring-Diskussionen und die Barthaare-im-Waschbecken-Streitereien fand ich schon immer überflüssig.

Von Nana Brink | 04.11.2012
    Ich wollte auch nie einen guten Freund morgens zu unchristlicher Zeit in gestreiften Schlaf-Shorts sehen! Nein, das wollte ich nicht.

    Jetzt ist es passiert. Es kam schleichend. Die Shorts schlichen sozusagen um die Ecke, standen vor meinem Schreibtisch und sprachen mit mir. In ganzen Sätzen. Und es waren gewichtige Sätze. Sätze über das politische System der Vereinigten Staaten – und wie wir diesen Tag überstehen. Zusammen. Ich habe – glaube ich zumindest – ebenso vernünftig geantwortet. Bis mir auffiel, dass sich meine Zehen bedenklich kalt anfühlten.

    Die Shorts lachten kurz, haha, das ist ja mal wieder typisch, sagten sie. Frauen haben immer eiskalte Füße. Ich habe natürlich auch gelacht, man möchte da ja keine Spielverderberin sein. Und dann habe ich an mir heruntergeblickt: Auf das T-Shirt mit dem Hamburger-Ketchup-Fleck von gestern Abend, der großzügig geschnittenen Jogging-Hose und den selbst gestrickten Socken meiner Tante (ja die mit dem Beachhaus. Sie sitzt oft strickend auf der Veranda).

    In dieses traute Stelldichein platzen dann die unrasierten schwarzen ausgeleierten Socken, sozusagen aus der Tiefe des Wohnzimmers. Und mischten sich ein in politische Morgenanalyse. Es wurde Kaffee gereicht, von irgendwo. Und irgendwann stand dann die Frage aller Fragen im Raum: Wir haben kein Klopapier mehr. Bier ist auch alle.

    Okay, jetzt ist es raus. Die Shorts – und sie haben wirklich ganz entzückende Streifen – gehören meinem Kollegen Marcus. Und die Socken – sie haben keine Löcher! – meinem Kollegen Jasper. Wir haben – ohne dass wir es wussten – eine WG gegründet. Und wir finden das ganz wunderbar! Wir sitzen seit Tagen fast rund um die Uhr zusammen. (Na so ein bisschen Legendenbildung müsst Ihr uns da draußen schon gönnen, gell!)

    Die Jungs rasieren sich nur im Notfall. Das Make-Up wird der Tagesaktualität geopfert. Wir essen all das, was wir am liebsten immer essen würden (siehe Bild) – und das zu allen Tages- und Nachtzeiten. Wir verbringen Stunden vor der Glotze, ohne das jemand rumzickt. Wir machen schlechte Witze und alle lachen. Und übersehen Barthaare im Waschbecken. Und bringen alle brav den Müll runter. Irgendwann muss man ja mal rausgehen.

    Vielleicht ist es besser, wenn man bei der Gründung einer WG nicht 20 ist.

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