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Das Spiel um das Spiel

Der 19. Januar zählt zu den bisher wichtigsten Tagen im Leben des Berliner Fußballnachwuchsschiedsrichters Felix Zwayer. An diesem Tag erleichtert der 23-Jährige sein schweres Gewissen. Er erzählt seinem älteren Kollegen Lutz-Michael Fröhlich, wie Robert Hoyzer, Hauptfigur im Bundesliga-Bestechungsskandal, eines Tages mit einem dubiosen Angebot auf ihn zukam.

Von André Hatting | 07.02.2005
    Es war im Oktober 2004. Es war das Spiel Essen gegen Köln, Schiedsrichter war der Manuel Gräfe. Ich habe da vom Robert Hoyzer erstmalig telefonisch ein konkretes Angebot bekommen, welches ich postwendend abgelehnt habe und daraufhin auch das Gespräch abgebrochen habe. War für mich letztendlich der Auslöser, warum ich mich dann an die mir vertrauten Schiedsrichter in Berlin gewandt habe, weil ich die Situation so für mich nicht weiter verarbeiten konnte.

    Eine Woche später gesteht Robert Hoyzer seine Manipulationen:

    Ja, das stimmt. Für den Fußball ein sehr, sehr immenses Ausmaß.

    Mit dieser Aussage verändert Robert Hoyzer die scheinbar heile deutsche Fußballwelt. Seitdem vergeht kein Tag ohne neue Spekulationen, Verdächtigungen und Beschuldigte. Robert Hoyzers Geständnisse haben den deutschen Fußball erschüttert. Wachgerüttelt, sagen andere. Zum Beispiel Philipp Köster, Chefredakteur des Fußballfachmagazins "11 Freunde" und kritischer Beobachter des Ligaalltags:

    Ich glaube, man hat nicht verstanden, dass Fußball inzwischen ein ganz großes Geschäft ist, und überall dort, wo viel Geld ist, auch viel Schmiererei möglich ist. Ich glaube, man ist mit einer Art Grundvertrauen an die Sache herangegangen. Es ist ja beispielsweise völlig unmöglich, dass es bislang noch kein Wettverbot für Schiedsrichter gab. Man ist einfach zu naiv herangegangen. Man hat gedacht, alle sind tadellose Sportsmänner und ist jetzt völlig überrascht. Es gibt offenkundig keine Regularien, keine Richtlinien, mit denen das hätte verhindert werden können. Da ist jetzt wahrscheinlich sehr viel nachzuarbeiten.

    Sehr viel Arbeit haben jetzt auch die Schiedsrichter. Und zwar Arbeit an ihrem ramponierten Image. Robert Hoyzers Beschuldigungen gegenüber der Staatsanwaltschaft treffen auch Kollegen. Die wehren sich mit allen Mitteln. Am vergangenen Freitag hat der Fußballschiedsrichter Jürgen Jansen auf einer privaten Pressekonferenz in Passau versucht, der Öffentlichkeit seine Unschuld zu beweisen. Der 44-Jährige präsentierte den verblüfften Journalisten Videosequenzen der Spiele, von denen Robert Hoyzer behauptet hatte, Jansen habe sie manipuliert. Am Wochenende ging dann auch Felix Zwayer in die Offensive.

    Der 23-Jährige Nachwuchsunparteiische nahm am Samstag erstmals öffentlich Stellung zu den Vorwürfen, die ihm sein ehemaliger Sportskamerad aus dem Berliner Landesverband gemacht hatte. Für 300 Euro sollte Zwayer das 1:0 des Regionalligisten Wuppertaler SV gegen die Amateure von Werder Bremen sichern helfen:

    Ich hab ein ganz reines Gewissen, ich hab eine weiße Weste und mach mir von daher keine Sorgen. Kurzfristig wünsche ich mir, dass ich schnellstmöglich wieder auf dem Platz stehen kann. Sowohl als Assistenz als auch als Schiedsrichter.

    Das kann Robert Hoyzer nicht von sich sagen. Fünf Spiele habe er erfolgreich beeinflusst, so seine Angaben gegenüber der Staatsanwaltschaft. Der bekannteste Fall fand am 21. August 2004 statt, in der ersten Runde des DFB-Pokals. Der Regionalligist SC Paderborn empfängt den Bundesligisten HSV. Bereits nach 13 Minuten steht es 1:0 für den Favoriten aus Hamburg. Für den damaligen Live-Reporter Stephan Kaußen nicht überraschend:

    Angriff über die rechte Seite und dann vom links-offensiven Mittelfeldspieler mit dem linken Fuß abgeschlossen. Keine Chance für Loboué im Kasten von Paderborn 07. Natürlich jetzt ein bisschen Ernüchterung beim Regionalligisten, und der HSV spielt jetzt souverän. Er führt mit 1:0 beim SC Paderborn.

    Nur 17 Minuten später fällt das 2:0, und Hamburg ist damit jetzt klar auf der Siegerstraße. Doch dann die 36. Minute: Der Kapitän der Paderborner, Thijs Waterink, fällt im Strafraum der Hamburger um. Schiedsrichter Hoyzer pfeift Strafstoß und Paderborn verkürzt auf 1:2. Als sich der Hamburger Stürmer Emile Mpenza über den unberechtigten Elfmeter beschwert, ist das eine willkommene Vorlage für den parteiischen Unparteiischen.

    Er verweist den Stürmer des Feldes. Auf diese Weise geschwächt, kassiert der Hamburger Sportverein noch in der ersten Halbzeit den Ausgleich. Das Spiel ist gekippt. Die Siegtreffer in der zweiten Halbzeit fast absehbar. Paderborn gewinnt 4:2 und erreicht geradezu sensationell die zweite Runde im DFB-Pokal. Paderborns Trainer Pavel Dotchev dagegen gibt sich am Abend im Sportstudio gelassen:

    Ja was heißt überrascht? Im Fußball ist alles möglich, und das wissen wir eigentlich alle. Und ich hab eigentlich geglaubt und gehofft, dass wir eine Runde weiterkommen, und das haben wir geschafft. Deswegen, die Überraschung war für mich nicht so ganz groß.

    Für seine Spieler schon gar nicht. Die Motivationshilfe von 10.000 Euro, überreicht durch einen Unbekannten und angenommen von Paderborns Kapitän Thijs Waterink sowie die Empfehlungen Robert Hoyzers, sich einfach mal im Strafraum fallen zu lassen, haben diese Pokal-Sensation zentral bestimmt. Doch weitaus schlimmer: Diese Manipulation war nur die Spitze des Eisbergs. Mittlerweile stehen mehr als ein Dutzend Spiele aus allen drei oberen Ligen unter Manipulationsverdacht.

    Mehrfach war deshalb in den letzten Tagen die Parallele zum Bundesligaskandal von 1971 gezogen worden. Damals kämpfte Arminia Bielefeld gegen den Abstieg. Was aber auf dem Platz mit sportlichen Mitteln nicht machbar schien, regelte Arminia Bielefeld jenseits des Spielfeldes. 120.000 Mark bot der Verein dem Kapitän von Hertha BSC Berlin, Tasso Wild. Die Bedingung dabei:

    Wild sollte am letzten Spieltag dafür sorgen, dass seine Berliner gegen die Bielefelder verlieren. Horst-Gregorio Canellas, Präsident der ebenfalls abstiegsbedrohten Kickers Offenbach, besserte das Angebot sogar noch nach. Allerdings : nur zum Schein. Und hielt das Ergebnis seiner Verhandlungen auf einem heimlich aufgezeichnetem Tonband fest. Hier ein Originalausschnitt:

    Aber sagen Sie mal, dem Tasso müssen die Bielefelder doch die 120 geboten haben, sonst hätte der das doch nicht gemacht!

    Bielefeld erhöhte noch mal auf eine Viertel Million Mark und gewann tatsächlich gegen die favorisierten Berliner. Insgesamt floss in der Saison 1970/71 eine halbe Million Mark an Schmiergeldern.

    Im aktuellen Skandal sind dagegen bislang folgende Summen bekannt: Für Spieler neben den 10.000 Euro für Paderborn, 15.000 für Dynamo Dresden und 20.0000 Euro, die man Cottbus’ ehemaligen Torhüter Georg Koch angeblich angeboten habe. Von Schiedsrichterseite will bislang nur Robert Hoyzer Zuwendungen erhalten haben. 67.000 Euro und einen Fernseher kassierte der 25-Jährige nach eigener Aussage für seine Gefälligkeiten.

    Die geringeren Geldsummen sind nicht der einzige Grund, warum der Vergleich mit dem ersten Skandal Anfang der 70er Jahre hinkt. Zum einen waren keine Schiedsrichter an den Schiebungen beteiligt.

    Zum anderen agierten die Vereine im Abstiegskampf. Sie wollten um jeden Preis in der Bundesliga bleiben und den Abstieg in die Regionalliga unbedingt vermeiden. Im aktuellen Skandal spielen sportliche Motive dagegen keine Rolle. Hier geht es allein um die Wettgewinne Dritter. Es zählt die Quote.

    Das eigentliche Spiel ist den Zockern egal. Fast egal. Denn je bedeutungsloser die Partie, desto einfacher gelingt es, sie zu manipulieren. Fußballexperte Phillip Köster:

    Natürlich ist es so, dass die Schiedsrichter in der Bundesliga unglaublich unter Beobachtung stehen. Es gibt Samstagabend die Sportschau, es gibt die Radioreporter, die zuschauen und 50- 60.000 Zuschauer, die zuschauen und sagen: "He, da hat er aber einen Fehler gemacht!" Das ist beispielsweise in der Regionalliga, wo es nur 200, 500 oder 2000 Zuschauer gibt und keine Live-Übertragung sehr viel einfacher zu regeln. ... Das ist eigentlich leicht zu bewerkstelligen, wenn man genügend Leute unter Vertag hat als illegales Wettbüro oder als Betrüger. Und wenn man dann noch einen Schiedsrichter hat, der im richtigen Moment einen Elfmeter oder einer Rote Karte pfeift, dann ist man schon relativ auf der sicheren Seite, dass man das Spiel zumindest so ein bisschen in die richtige Richtung drehen kann.

    Aber eben nur die Richtung. Fußball ist ein Spiel, das ein Schiedsrichter allein nicht entscheiden kann. Manchmal missglückt der Betrug. Robert Hoyzer hat nach eigener Aussage versucht, auch die Spiele Paderborn gegen Chemnitz am 22. Mai und Unterhaching – Saarbrücken am 28. November letzten Jahres zu manipulieren. Vergeblich. Denn auch ein Elfmeter muss erst einmal verwandelt und ein Eigentor gelungen sein.

    Das wirft umgekehrt natürlich die Frage auf: wann kann einem Schiedsrichter eindeutig bewiesen werden, dass er absichtlich falsch gepfiffen hat? Fehlentscheidungen gehören zum Bundesligaalltag. Allein am vergangnen Wochenende lagen die Unparteiischen fünf Mal mit ihren Entscheidungen nachweislich falsch. Der Elfmeter für Bayern München im Spiel gegen Leverkusen war der bekannteste falsche Pfiff. Auf das Spiel Paderborn gegen den HSV bezogen behauptet der DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Eugen Striegel deshalb auch:

    Damals waren die Verdachtsmomente so geringfügig, und der DFB hat sogar die Staatsanwaltschaft in Berlin eingeschaltet. Und die Staatsanwaltschaft in Berlin hat dann diesen Fall eingestellt.... Es ist also nicht so, dass der DFB nichts gemacht hat. Ich denke, der DFB hat damals, wie die Sache so war, nicht zu wenig gemacht. Aber wie gesagt, wenn Sie aus der Kirche rauskommen, sind Sie schlauer, als wenn Sie reingehen.

    Eine Argumentation, die auch der geschäftsführende Präsident des DFB, Theo Zwanziger, bis heute vertritt. Zumal Robert Hoyzer dem DFB zuvor mit guten Leistungen aufgefallen war. Bleibt als einziges Indiz ein Hinweis, der mit dem Geschehen auf dem Platz des Paderborner Hermann-Löns-Stadions gar nichts zu tun hat. Das Fax des Wettanbieters Oddset vom 23. August, also drei Tage nach dem besagten Pokalspiel. Darin heißt es:


    Betrifft: Spiele SC Paderborn – Hamburger SV im DFB-Pokal am 21.8.2004 und Eintracht Braunschweig – FC St. Pauli in der Regionalliga Nord am 05.06.2004.
    Am 20.8.2004 erhielt Oddset große Einsätze auf einen Heimsieg, im Spiel Paderborn – Hamburger SV. Auffällig war, dass Paderborn in diesem Spiel klarer Außenseiter war. Quote: 5,60 – 3,70 – 1,70. Diese Einsätze erfolgten in Berlin. ... Der Großkunde hatte ... die meisten seiner Gewinnkombinationen durchgebracht.


    Für Gerhard Meyer-Vorfelder, damals noch alleiniger Präsident des DFB, ist selbst dieses Fax kein eindeutiger Beleg für eine Manipulation in den genannten beiden Spielen:

    Wir haben ein Schreiben bekommen, in dem gesagt worden ist, es sind hohe Einsätze gemacht worden. Aber es ist nicht von Manipulation und nicht von sehr hohen Einsätzen die Rede.

    Nicht nur den staatlichen Wettanbieter Oddset irritiert diese Reaktion. Mittlerweile hat sich auch der Präsident des Deutschen Sportbundes in die Diskussion eingemischt. In der "Welt am Sonntag" fordert Manfred von Richthofen indirekt den Rücktritt Mayer-Vorfelders. Von Richthofen wörtlich:

    Wenn derjenige, der die Verantwortung trug, nicht gehandelt hat, dann gehört er nicht mehr ins Amt.

    Für den Fußball-Experten Phillip Köster vom Magazin 11-Freunde, hat das Verhalten des DFB traurige Tradition:

    Die Strategie des DFB ist und war klar: Möglichst wenig Aufsehen. Nur man hat nicht begriffen, dass Manipulationen wirklich ein ganz ernster Verdacht ist, der wirklich das Grundvertrauen der Zuschauer in den Sport erschüttert. Man hat, glaube ich, im Sommer gedacht: Da könnte was dran sein, aber das kehren wir mal lieber unter den Teppich. Anders ist ja nicht zu erklären, dass dieses Fax, das ja wirklich brisante Inhalte präsentierte, einfach weggelegt wurde nach kurzer und halbherziger Ermittlung. Insofern kann man sagen, man hat einfach versucht, das Ganze unter den Tisch zu kehren und das ist natürlich für einen Fußballverband wie den DFB, der ja wirklich auf seine Integrität achten muss, blamabel.

    Köster erstaunt überdies, wie die Funktionäre in Deutschland jahrelang glauben konnten, der Betrug im Sport ende vor den Landesgrenzen:

    Jetzt ist man quasi europäisch harmonisiert worden. Wir haben’s jetzt wie in Italien, wie in Tschechien, wie in Portugal. Es ist eine Binsenweisheit: Dort wo viel Geld ist, ist die Versuchung groß, noch ein bisschen was nebenher zu verdienen. ... Schlimm ist eigentlich nur, dass die DFB-Spitze, dass das Schiedsrichterwesen, die Gilde der Referees, das für unmöglich gehalten haben. Und ich denke, sie werden in Zukunft anders darüber denken.

    Und vor allem genauer auf die Betrugsmethoden in den europäischen Nachbarstaaten schauen. Beispiel Portugal:

    Im April letzten Jahres, also wenige Monate vor der Europameisterschaft, nahm die Polizei landesweit 16 Personen fest. Zuvor wurden monatelang ihre Telefongespräche abgehört. Der Vorwurf: Der Präsident des Liga-Verbandes Valentin Loureiro soll über Jahre Unparteiische bestochen haben. Unter seinen Komplizen: der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses.

    Beispiel Italien:

    In der Saison 2003/2004 sollen mindestens acht Spiele in den ersten drei Ligen manipuliert worden sein. 34 Spieler, Trainer und Vereinsfunktionäre saßen auf der Anklagebank. Die Anweisungen kamen, wie im Fall des Profis Stefano Bettarini, per SMS. Den Hintergrund bildeten, wie in Deutschland, Wettgeschäfte. Die Untersuchungen dauern noch an.

    Beispiel Tschechien:

    Dort ermittelt die Polizei gegen 30 Schiedsrichter. Zwölf von ihnen konnte man bereits nachweisen, dass sie sich in der vergangenen Saison von Klubvertretern bestechen ließen. Zwischen 200 und 600 Euro kostete das die Vereine pro Spiel. Das Geld erhielten die Schiedsrichter auf dem Parkplatz. In einem Briefumschlag.

    Besonders erfinderisch sind die Zocker in Fernost. Damit sie ihre Gewinne durchbringen, ließen sie Fußballer und Zuschauer auch schon mal im Dunklen stehen. In der englischen Premiership-Saison 97/98 fiel in den Stadien drei Mal das Flutlicht aus. Die Spiele mussten abgebrochen werden. Bei Derby County gegen Wimbledon am 13. August 1997 sogar schon in der 56. Minute. Der Gastgeber führte zu diesem Zeitpunkt mit 2:1. Drei malaysischen Glückspielern reichte das zum Hauptgewinn. Denn anders als in Europa laufen in Asien Wetten bis zum Schlusspfiff. Endet das Spiel früher, so entscheidet der Spielstand bei Abbruch.

    Die asiatischen Trickbetrüger erhielten mehrjährige Gefängnisstrafen. Von asiatischen Verhältnisse kann im deutschen Spielbetrieb allerdings keine Rede sein. Noch nicht. Trotzdem mahnen Kritiker dingend notwenige Veränderungen an. Ob ausgerechnet die neu gegründete "Sonderkommission Wettmanipulation" im DFB der richtige Schritt ist, bezweifelt Fußball-Experte Phillip Köster allerdings:

    Es ist ja schon erstaunlich, dass in dieser "Wettkommission" Götz Eilers sitzt, der ja einer der Herren war, die im Sommer dieses Fax ignoriert haben. Ich glaube nicht, dass von dieser Wettkommission unglaubliche Erkenntnisse zu erwarten sind. Ich glaube eher, dass es die Staatsanwaltschaft und die Medien sind, die die Enthüllungen vorantreiben. Es ist ja ohnehin so, dass die verdächtigen zunächst nicht von der Kommission, sondern gleich von den Zeitungen. Von daher ist diese Kommission wohl eher eine PR-Aktion des DFB, um zu zeigen, der Verband tut auch was.

    Am vergangenen Freitag hat die Sonderkommission Wettmanipulation Verstärkung durch ein weiteres Gremium bekommen. Der Deutsche Fußballbund will nun eine Art Frühwarnsystem einführen. Zuständig dafür ist eine Präventiv-Kommission unter Leitung des DFB-Vizepräsidenten Rolf Hocke. Er und sechs Kollegen wollen Vorschläge für ein generelles Wettverbot für alle am Spielbetrieb beteiligten Schiedsrichter und Spieler erarbeiten.

    In der Diskussion um sauberen Fußball kommt nun auch wieder der Videobeweis zur Sprache. Hier ist der DFB ausnahmsweise uneins. Während der geschäftsführende Präsident Theo Zwanziger in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung fordert, sich diesem Thema vorurteilsfrei zu stellen, lehnt DFB-Chefschiedsrichter Hellmut Krug Videobeweise ebenso kategorisch ab wie einen zusätzlichen Oberschiedsrichter.

    Auch die Einführung von Profi-Schiedsrichtern ist - zumindest für die Vertreter der Unparteiischen beim DFB - nach wie vor keine Lösung. Eugen Striegel, Schiedsrichter-Lehrwart des DFB:

    Es ist einfach so, dass ein Profi-Schiedsrichter in diesem Bereich nichts bringt. Wenn jemand kriminell ist, dann spielt das in meinen Augen keine Rolle, ob er Profischiedsrichter ist oder so wie die deutschen Schiedsrichter im Prinzip Halbprofis sind, die da sehr viel Zeit investieren. Und ich muss sagen, vor etlichen Jahren haben die Schiedsrichter für 100 Mark ein Bundesligaspiel geleitet, und da war kein Schiedsrichter in irgend etwas einbezogen. Und jetzt ist es so, sie bekommen wesentlich mehr Geld. Und jetzt haben wir den ersten Fall, dass hier in Deutschland Spiele manipuliert wurden.

    Um das in Zukunft zu verhindern, hat der Schiedsrichterausschuss des DFB vor einer Woche diese Sofortmaßnahmen ergriffen:

    Die Ansetzungen der Unparteiischen finden - wie in der Champions League längst üblich - erst zwei Tage vor dem Spiel statt. Und:

    Referees, die in der 2. Bundesliga neu auf die Liste kommen, werden drei Jahre lang in der Regionalliga weiter beobachtet. Die Notwendigkeit, an der Ausbildung der deutschen Schiedsrichter etwas grundsätzlich zu ändern, sieht der oberste Schiedsrichter-Lehrer im Deutschen Fußballbund indessen nicht.

    Wir haben eine wirklich gute Ausbildung, und wir beobachten auch die Schiedsrichter bei ihren Spielen. Ich habe Robert Hoyzer in der vergangenen Saison in Mainz gegen Duisburg gesehen. Er hat eine ganz hervorragende Leistung abgeliefert, und für mich war eigentlich klar, dass ist einer unserer zukünftigen Schiedsrichter.

    So sah man es auch an der Berliner Basis. Wer sich umhört im Landesverband von Robert Hoyzer, der trifft auf fassungslose Kollegen.

    Der Skandal macht sich inzwischen auch bei denen bemerkbar, auf die es im Fußballgeschäft am meisten ankommt: den Fans. Am vergangenen Wochenende fanden durchschnittlich nur rund 28.000 Zuschauer den Weg in ein Fußballstadion. Das ist Saison-Minusrekord! Und dennoch. Phillip Köster vom Fußballblatt "11 Freunde" ist überzeugt, leere Stadien wie nach dem Skandal 1971 werde es diesmal nicht geben:

    Eine spontane Umfrage in der Kölner Innenstadt bestätigt Realitätssinn von Fußballanhängern:

    Ich denke, das hat’s immer gegeben, das wird’s immer geben, es wird nur leider zu selten aufgedeckt.
    Beim Pferderennen ist bekannt, dass so was gemacht wird, im asiatischen Raum ist es bekannt, dass so was gemacht wird. Wo es um Geld geht, geht alles.
    Meines Erachtens hat einen der besten Sätze Rudi Völler dazu formuliert, der sozusagen unsere kulturelle Hybris kritisiert. Der sozusagen sagt: wir halten das alle für selbstverständlich, dass so was in Südeuropa, also Italien zum Beispiel, stattfindet. Also davon müssen wir uns verabschieden.