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Das Wandern ist des Sauriers Lust

Paläontologie.- Heute ziehen Herden von Zebras und Gnus durch die Serengeti, immer dem Regen und dem frischen Gras nach. Es ist ein beeindruckender Anblick - der vor 145 Millionen Jahren übertroffen worden sein könnte durch den von Sauropoden-Herden, die damals durch Westamerika zogen. Dass die großen Tiere weite Wanderungen unternahmen, konnten US-Paläontologen jetzt beweisen. In "Nature" sagen sie, wie.

Von Dagmar Röhrlich | 27.10.2011
    Ein Camarasaurus war ein beeindruckendes Tier: Bis zu 18 Meter lang und 18 Tonnen schwer konnte der Pflanzenfresser werden. Er lebte vor mehr als 145 Millionen Jahren dort, wo heute Wyoming und Utah sind. Seine großen, spatelförmigen Zähne waren ideal, um Farne und Schachtelhalme zu fressen oder auch Laub. In 23 von ihnen, die aus zwei verschiedenen Fossillagerstätten stammen, haben Geochemiker nun winzige Löcher gebohrt, um den Zahnschmelz zu untersuchen:

    "Wir haben die geochemische Signatur von Karbonaten untersucht, und zwar einmal die von Karbonaten, die im Zahnschmelz der Saurier steckten und dann solche, die sich damals in Böden, Seen und Sümpfen bildeten. Wir haben die Sauerstoff-Isotope darin untersucht und herausgefunden, dass die Karbonate in den Zähnen der Sauropoden eine deutlich andere Zusammensetzung haben als die in den Böden."

    Die Karbonate in den fossilen Zähnen spiegelten die Isotopenverhältnisse in dem Wasser wieder, das die Tiere damals tranken, erklärt Henry Fricke vom Colorado College in Colorado Springs. Und diese Verhältnisse unterschieden sich von denen in den Karbonaten, die sich irgendwo in der Ebene gebildet haben. Deshalb, so schließen die Forscher, müssen die Camarasauriden die weite Ebene, die sich damals zwischen dem heutigen Montana im Norden und New Mexico im Süden erstreckte, verlassen haben.

    "Wenn sie dieses Becken verlassen haben und in das benachbarte Hochland zogen - und darauf deuten unsere Daten hin - dann wanderten sie rund 300 Kilometer hin und später dann wieder zurück. Unsere Daten legen nahe, dass es eine saisonale Wanderung war."

    Den Hinweis auf die jahreszeitliche Wanderung gab die Feinanalyse eines Zahns: Und zwar veränderten sich die Sauerstoffisotope allmählich im Lauf von fünf Monaten:

    "Paläontologen haben schon seit langem vermutet, dass diese großen Sauropoden in semiariden Gebieten Wanderungen unternahmen. Jetzt bestätigen die Sauerstoff-Isotope diese Hypothese, die bislang durch nichts gestützt werden konnte."

    Der Grund für ihre Wanderungen war genau der, der heute beispielsweise die Gnus und Zebras durch die Serengeti ziehen lässt: das Klima:

    "Die Gesteine verraten, dass damals Flüsse durch die Ebene flossen. Es gab Seen und Tümpel und Sümpfe, und manche von ihnen werden auch während des ganzen Jahres Wasser geführt haben. Aber ansonsten zeigen die Sedimente, dass es einen ausgeprägten Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeiten gab. Viele der Wasserlöcher, Flüsse und feuchten Niederungen trockneten im Sommer aus, die Schachtelhalme und Farne verdorrten. Damals gab es noch kein Gras, und die Bäume wuchsen wohl nur entlang der Flüsse."

    Und deren Laub war schnell abgefressen. Wollten sie in der savannenähnlichen Landschaft nicht verdursten oder verhungern, mussten die großen Sauropoden wandern. Wahrscheinlich zogen sie dann in Herden in die Berge - und wieder zurück, wenn der Regen die Ebenen wieder in fruchtbare Weiden verwandelt hatte. Das jedenfalls legen Fußspuren nahe, die dort gefunden worden sind. Fricke:

    "Als nächstes möchten wir nun untersuchen, ob die Sauropoden auf ihren Wanderungen von den Raubsauriern wie dem Allosaurus begleitet wurden oder ob die blieben, wo sie waren und darauf warteten, dass die Tiere durch ihr Revier zogen."

    Die Löwen in der Serengeti heute verfolgen beide Strategien. Vielleicht machten es die Allosaurier genauso, die damals die großen Sauropoden jagten.