Freitag, 19. April 2024

Archiv


Das Yiddish Institute an der Universität Vilnius

Olga Bliumenzon

Kate Maleike | 04.10.2003
    arbeitet am Institut, sie ist Studentin an der Uni, ihr
    Vater ist Jude. Wir sitzen in der Bibliothek.

    Wir haben eine Menge Bücher geschenkt bekommen und
    diese Sammlung können Sie hier sehen, dort oben im 1. Stock. Das sind alles Bücher in Jiddisch, unterhalb auch
    noch. Aber wir haben auch einige Bücher in litauischer und
    englischer Sprache hier.


    Und wie bekommt das Institut noch andere Informationen,
    zum Beispiel über Musik, über Lebensweisen, die für das
    Archiv wichtig sind?

    Hauptanliegen bei all unseren Projekten ist es, das,
    was von der Jiddischen Kultur geblieben ist, zu erhalten.
    Wir versuchen das gerade mit den Jiddisch Dialekten, weil
    Professor Katz gerade an ihnen besonders interessiert ist.
    Es gibt noch Stettels, also letzte verbliebene Jüdische
    Stadtteile in der Ukraine, Weißrußland und Lettland. Unser
    Team fährt dort hin, nimmt sie auf Video auf und
    anschließend werden diese Aufnahmen dann digitalisiert. Das
    dauert alles, weil uns die Zeit wegläuft. Wir müssen
    versuchen das zu erhalten, was noch da ist.


    Neben der Recherche- und Archivarbeit veranstaltet das
    Yiddish Institut aber auch jedes Jahr Sommerkurse, um
    Sprache und Kultur möglichst lebendig zu halten. Die Kurse
    sind beliebt, die Teilnehmer kommen aus aller Welt und haben
    dabei interessante Begegnungen mit Überlebenden des
    Holocaust:

    Sie sind fasziniert davon, dass diese alten Menschen
    so bemüht sind, zu erzählen, was geschehen ist, dass sie
    ihre Gefühle zeigen und anderen etwas von ihrem Wissen
    weitergeben.


    Dieses Wissen ist auch für die Nachwelt kaum zu
    ertragen, Olga Bliumenzon führt mich zum Eingang des
    früheren Ghettos in Vilnius

    Hier stehen wir an dem Hausbogen, ab dem das Ghetto
    in Vilnius begann. An dieser Wand können Sie den Plan dazu
    sehen, wir sind hier gerade auf der Gaono Straße, die ist
    hier, sehen Sie, mit Nummer 6 gekennzeichnet. Die ganze
    Altstadt hier hat sehr schmale Gassen, mit Pflastersteinen,
    all das war einmal Ghetto. Es wurde 1941 eingerichtet und
    von hier aus wurden – ich weiß gar nicht ob Sie sich das
    vorstellen können – vor genau 60 Jahren jetzt 11 Tausend
    Juden nach Paneriai verschleppt und umgebracht.


    Das hier ist der Hinterhof, von dem ich Ihnen erzählt
    habe. Das waren die Fenster der Bibliothek. Eine der
    Ghetto-Überlebenden hat ihn mir bei einem Rundgang gezeigt.
    Sie hat selbst hier in der Bibliothek gearbeitet und ich
    glaube, irgendwo im Keller unter der Erde haben sie
    versucht, einige Waffen zu verstecken. Wie sie es geschafft
    haben, kann ich Ihnen nicht sagen. Und da waren der
    Spielplatz und das Gefängnis. Wo genau weiß ich nicht, hier
    war das Hinweisschild.


    Und was empfindet Olga Bliumenzon, mit ihren jüdischen
    Wurzeln, an einem Ort wie diesem, was bedeutet er für sie?

    Es ist ein Ort, der – glaube ich – in Erinnerung
    behalten werden sollte und Menschen, die eine Beziehung dazu
    haben, sollten wissen, was das hier vor Jahren einmal war.
    Es ist kein normales Haus und auch nicht bloß ein altes
    Gebäude.


    Ich denke, wir sollten jetzt vielleicht weitergehen zum
    Jüdischen Museum.

    Ein paar Straßen weiter, den Berg hinauf, ein grünes
    Holzhaus, unscheinbar. Der Österreicher Felix Brechtl
    leistet hier im jüdischen Museum in Vilnius seinen
    Zivildienst, er führt uns durch die Räume, vorbei an
    Jahrhunderten jüdischen Lebens in Litauen, Ghettoleben
    eingeschlossen

    Die Dokumente wurden zusammengetragen meistens von
    bestimmten Persönlichkeiten, die auch im Widerstand aktiv
    waren. Sie haben unmittelbar nachdem Vilnius befreit wurde,
    dort auch im ehemaligen Ghetto-Theater ein Museum gemacht
    bzw. auch in der Wohnung von Abraham Sudzkeva, das hatte man
    dann liebevoll Louvre genannt. Das war natürlich alles nur
    irgendwas, was man halt noch versteckt hatte, bekommen
    hatte, hat man zusammengeschaart. Dann aber das Museum ist
    geschlossen worden 1949 von den Sowjets und verschiedene
    Dokumente sind dann von den Archiven nach und nach wieder
    dem Museum zurückgegeben worden.
    --- Ins Museum kommen
    meistens Deutsche und Amerikaner und manchmal auch jemand
    aus Israel. Die Litauer, sagt Felix Brechtl, entdecken
    dieses Kapitel ihrer Geschichte erst jetzt

    Es wird in den Medien und so weiter sehr stark
    besprochen. Aber ansonsten, in der Schule zum Beispiel,
    setzt man sich kaum mit dem Thema auseinander. Es existiert
    kaum ein Wissen, vor allem in der jüngeren
    Bevölkerungsschicht darüber. Aber zumindest auf höherer
    Ebene ist es zumindest ein Thema, auch wenn das ganze noch
    in den Anfangsschuhen steckt.