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Das zweite Album von Ibeyi: "Ash"
Zwischen Zerstörung und Neuanfang

Mit ihrem Debüt katapultierten sich die Zwillingsschwestern von Ibeyi an die Spitze der Newcomer - nun legen sie das zweite Album vor. Auf "Ash" reflektieren Lisa-Kaindé und Naomi Diaz ihre Erfahrungen mit Rassismus und den US-Wahlen. Und doch strotzen die Songs vor selbstbewusster Energie.

Von Anke Behlert | 23.09.2017
    Das französisch-kubanische Musikerduo Ibeyi auf dem Blue Balls Festival 2016
    Das französisch-kubanische Musikerduo Ibeyi auf dem Blue Balls Festival 2016 (EPA/ALEXANDRA WEY/KEYSTONE)
    "'Ash' ist das letzte Stück auf dem Album, aber wir haben es als erstes aufgenommen. Es war ein Türöffner für die Energie, die wir mit den neuen Songs rüberbringen wollen. Deshalb haben wir auch das Album 'Ash' genannt. Das Wort 'Asche' hat etwas Negatives, aber auch etwas Positives. Asche kann als Dünger dienen, und etwas Neues kann daraus wachsen. Für uns war es die passende Beschreibung für den aktuellen Zustand der Welt: Im Moment verglühen wir, das ist beängstigend. Aber gleichzeitig können wir etwas Neues erschaffen, eine bessere Welt."
    Sagt Lisa-Kaindé Diaz, während ihre Hände große Gesten in die Luft zeichnen und ihre vielen silbernen Armreifen klimpern. Auch wenn es sich ein wenig naiv anhört, man lässt sich gerne von Lisas Enthusiasmus anstecken. Den Song "Ash" haben sie und ihre Schwester Naomi während der US-Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr geschrieben. In einem Moment, der für viele einen Tiefpunkt darstellt, wollten Ibeyi einen hoffnungsvollen Ton anschlagen. Und dieses Thema zieht sich durch ihr gesamtes zweites Album, das sie ebenfalls "Ash" genannt haben.
    Lisa-Kaindé und Naomi Diaz sind in Paris und Havanna aufgewachsen. Ihr Vater war der bekannte kubanische Perkussionist Miguel Diaz, der unter anderem mit dem Buena Vista Social Club gespielt hat. Als er 2006 starb, begann Lisa-Kaindé Songs zu schreiben und Naomi übernahm das Lieblingsinstrument ihres Vaters: das Cajón. Sie lernten die traditionellen Lieder des westafrikanischen Volks der Yoruba, die sie immer wieder in ihre eigenen Songs einfließen lassen. In denen kombinieren sie Jazz, Hip-Hop und Elektrosounds mit Texten auf Englisch, Yoruba und Spanisch. Musikalisch und textlich haben sie sich zwischen den beiden Platten weiterentwickelt:
    "Auf dem ersten Album ging es um unsere Vergangenheit, unsere Geister und den Tod unseres Vaters und unserer Schwester. Das neue ist offener: Es geht um das Hier und Jetzt. Wir wollen damit unsere Sicht auf die Welt teilen, ohne zu predigen oder so zu tun, als hätten wir die Wahrheit gepachtet."
    Erwachsener, selbstbewusster, poppiger
    Die Songs von Ibeyi strahlen Hoffnung, Positivität und Stärke aus. Waren die Stücke ihres ersten Albums zum Teil recht reduziert arrangiert, wirken die neuen sehr viel druckvoller: Schicht um Schicht bauen sich Percussions, Background-Gesang und schimmernde Synthesizer auf. Dazu erklingen versprenkelte Samples und elektronische Spielereien - und sogar die in Verruf geratene Intonationssoftware Autotune kommt zum Einsatz.
    "Viele Leute mögen Autotune nicht, aber es ist nur ein Effekt, so wie ein Verzerrer für die Gitarre. Man kann damit bestimmte Wörter hervorheben und mit Klängen spielen. Auf unserem ersten Album haben wir Autotune nicht benutzt, weil wir den Leuten zeigen wollten, dass wir wirklich singen können. Aber es hat uns großen Spaß gemacht, bei den neuen Songs damit zu experimentieren."
    So ganz geht ihr Vorhaben leider nicht auf. Der typische Autotune-Träller klingt in ihren erdigen Songs eher unnatürlich und man wünscht sich, sie hätten darauf verzichtet.
    Ergänzt wird das Album durch Gastbeiträge, zum Beispiel von Neo-Klassik-Star Chilly Gonzales und Cross-over-Jazzer Kamasi Washington. Letzterer spielt in dem Song "Deathless" mit, einem Song, der Lisa persönlich sehr viel bedeutet.
    "Als ich 16 war, hatte ich eine unangenehme Begegnung mit einem rassistischen Polizisten. Darum ging es ursprünglich in dem Song. Aber während des Schreibens hat sich 'Deathless' verwandelt, es ist zu einer Hymne für jedermann geworden. Man kann sich damit hoffnungsvoll und stark fühlen. Außerdem haben wir uns vorgestellt, wie wir bei unseren Konzerten mit dem Publikum zusammen die Zeile 'We are deathless' singen. Das hat uns sehr gefallen."
    Mit "Ash" machen Ibeyi einen großen Schritt nach vorn. Ihr Songwriting ist erwachsener und selbstbewusster geworden, der ist Sound poppiger, bleibt mit rituellen Gesängen und erdigen Rhythmen aber immer noch unverkennbar ihr eigener. Sie widmen sich jetzt aktuellen, gesellschaftspolitischen Themen wie der Situation von Frauen, Ungerechtigkeit und Rassismus. Das tun sie auf ihre ganz eigene, sympathisch-positive Art und Weise. Man möchte ihnen glauben, dass mithilfe von Musik die Welt zu einem besseren Ort werden kann.
    Ibeyi stellen ihr neues Album bei einigen Konzerten im Dezember auch in Deutschland vor: Am 02.12. treten sie in Köln auf, am 03.12. in Berlin und am 04.12.2017 in Hamburg.