Donnerstag, 18. April 2024

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"Dass wir Universitäten differenzieren, ist ein Novum"

Zwei Universitäten in München und eine Hochschule in Karlsruhe sind als Sieger aus der so genannten Exzellenzinitiative von Bund und Ländern hervorgegangen. Die Gründe für die Auswahl sieht Birger Priddat von der privaten Zeppelin-Universität in Friedrichshafen in den besseren Rahmenbedingungen für Bildung, die von den jeweiligen Bundesländern geschaffen wurden.

Moderation: Ferdos Forudastan | 15.10.2006
    Forudastan: Es war ein aufwendiges Casting ehrgeiziger, hartnäckiger und zum Teil hochkarätiger Konkurrenten. Nun ist es entschieden. Im Rennen um den Titel der deutschen Elitehochschule haben die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Technische Universität München und die Technische Hochschule in Karlsruhe gesiegt. Darauf verständigte sich der zuständige Bewilligungsausschuss am Freitag in Bonn. Die drei Unis können sich aber nicht nur über die Ehre freuen, dass sie aus der so genannten Exzellenzinitiative von Bund und Ländern als Gewinner hervorgegangen sind, bringt ihnen auch Geld ein. Sie erhalten in den kommenden Jahren 100 Millionen Euro zusätzlich. Belohnt wurden die Sieger für ihre Zukunftskonzepte, aber auch dafür, wie sie derzeit in Forschung und Lehre da stehen, und ob sie fleißig Drittmittel einsammeln. Birger Priddat ist Professor für politische Ökonomie an der privaten Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Schönen guten Morgen!

    Priddat: Ja, schönen guten Morgen!

    Forudastan: Herr Priddat, die Sieger, die sitzen alle im Süden. Ist das jetzt Zufall oder hat das einen ganz bestimmen Grund?

    Priddat: Nein, das hat schon Gründe. Und die Gründe liegen darin, dass in Bayern und Baden-Württemberg man sich doch anders auf Forschungsförderung und Hochschulentwicklung konzentriert als in anderen Ländern. Und das Zweite ist, ich bin ja gerade von Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg gewechselt, man hat hier ein anderes Selbstbewusstsein in diesen Dingen. Das ist spürbar. Und in dem Sinne sieht man doch, dass Politik unterschiedlich sein kann und dass natürlich in dem Moment, wo Universitäten darauf reagieren, also sich selber sozusagen umbauen, entsprechend andere Leute holen, darauf achten, dass man sozusagen konzentrierter arbeitet, Schwerpunkte bildet und so weiter, dass das eine Wirkung, einen Erfolg haben kann, übrigens völlig unabhängig von der Exzellenzinitiative.

    Forudastan: Das heißt, Sie bezeichnen das als eine Auswirkung der Bildungspolitik oder der Hochschulpolitik, der Wissenschaftspolitik in diesen Ländern?

    Priddat: Na ja, im gewissen Sinne dass der Rahmen gesetzt wurde und dass man sozusagen weiß, dass hier eine Strategie läuft, und dass man sich gewissermaßen stark darauf verlassen kann und dass natürlich das nicht nur in der Sonntagsrede gesagt wird, sondern tatsächlich auch tatkräftig unterstützt wird. Ich glaube, dass da ein anderer Stil der Politik eine Rolle spielt.

    Forudastan: Liegt das vielleicht auch daran, dass man im Süden einfach etwas reicher ist, weil man nicht die gleichen Probleme hat wie zum Beispiel jetzt in Nordrhein-Westfalen mit dem Strukturwandel?

    Priddat: Reicher ist sozusagen ein Teil, aber das Zweite auch ist, dass man die Prioritäten anders setzt. Ich weiß, dass Baden-Württemberg schon mit einer gewissen konsequenten Haltung Hochschulpolitik betreibt. Ich meine, gerade jetzt auch wenn der nächste demografische kleine Berg kommt, dass man hier zusätzliche Mittel bereitstellt, um die demnächst kommende kleine Menge an zusätzlichen Studenten in den Universitäten besser behandeln zu können.

    Forudastan: Diese Exzellenzinitiative, die ist ja ein Novum. Was meinen Sie, bringt sie nicht nur für die betroffenen drei Unis, die gesiegt haben, sondern was bringt ein solcher Wettbewerb für die Qualität von Forschung und Lehre in Deutschland insgesamt, und was bringt sie nicht nur jetzt, sondern auch mittel- und langfristig?

    Priddat: Na ja, neu ist es, das ist richtig. Das Zweite ist natürlich mehr als die drei Universitäten. Es gibt ja diese Graduiertenkollegs und es gibt noch andere Forschungseinrichtungen. Zum Beispiel erinnere ich mich, dass Konstanz auch etwas gekriegt hat, Heidelberg und und und, also jetzt im Süden hier. Das Novum ist, dass wir etwas betreiben, was wir in Deutschland bisher noch nie betrieben haben, wir differenzieren die Universitäten, wir differenzieren die Fachbereiche in den Universitäten. Das ist etwas, was im Ausland selbstverständlich ist. Zum Beispiel weiß jeder, welchen Wert eine Universität hat, welche Qualität eine Universität hat. In Deutschland wussten wir das bisher gar nicht, weil wir dachten, es sind alle gleich, und die Exzellenzinitiative setzt gewissermaßen jetzt bestimmte Schwerpunkte, und übrigens nicht einfach willkürlich politisch, sondern durch Wissenschaftler. Die Spannung, die jetzt gerade entstanden ist, dass die Wissenschaftler die Politik überstimmt haben, und tatsächlich im Sinne eines wissenschaftlichen Wettbewerbs, eines Auswahlverfahrens, während die Politiker natürlich gerne, jedes Land hätte gerne für sich eine Universität mitgenommen, um zu zeigen, dass sie politisch erfolgreich sind. Aber die Wissenschaft hat ihnen dieses Spiel verdorben, und jetzt sind viele Kultusminister und Wissenschaftsminister sauer, weil sie eigentlich hätten gerne nach politischen Kriterien, die aber andere sind als die wissenschaftlichen, die politischen sind ja Bedürftigkeit oder Prestige oder so was.

    Forudastan: Was, meinen Sie, sind die sauer und schmollen oder sind die sauer und stellen sich jetzt auf die Hinterbeine und strengen sich besonders an?

    Priddat: Ja, das würde mich freuen, wenn das das Ergebnis wäre. Wahrscheinlich werden sie ein anderes Verteilungsverfahren, also gerade zum Schluss, die so genannten kritischen Fälle, dass man eine Art Vermittlungsausschuss hat, wo dann die Politiker sozusagen nicht unterlegen sind. Also da, glaube ich, wird das föderative Prinzip wieder seine Siege davontragen, und vielleicht ein Drittel werden die Wissenschaftler entscheiden, ein Drittel fliegt raus und ein Drittel wird dann sozusagen politisch entschieden. Und da gibt es eine andere Verteilung, das sage ich Ihnen, die nichts mit dem Wettbewerb der Wissenschaftler untereinander, den ich für hervorragend halte in diesem Punkt, zu tun haben wird.

    Forudastan: Herr Priddat, solche Exzellenzinitiativen, bergen die nicht auch eine Gefahr, nämlich die Gefahr, dass das Grundniveau der Hochschulen eher weniger beachtet wird, dass also die Breite an Bedeutung verliert und alle Kraft in die Höhe, in die so genannten Leuchttürme geht, mit anderen Worten, dass man einseitig die Elite der Studenten fördert und fordert und die Mehrheit der normal Begabten und Fleißigen ziemlich ignoriert?

    Priddat: Ja, aber das will man ja erst mal. Man will ja erstmal überhaupt differenzieren und will so etwas wie Hochbegabtenförderung.

    Forudastan: Aber nicht alle sind hochbegabt, es sind die wenigsten.

    Priddat: Das ist richtig, aber daran leidet das gesamte System, an der Unterfinanzierung. In dem Sinne hilft die Exzellenzinitiative an der Spitze, aber sie befriedigt das gesamte Problem überhaupt nicht. Übrigens die Studenten werden am wenigsten davon haben, weil das wird ja eine Forschungsfinanzierung. Also wir werden sozusagen gewissermaßen oben international wieder anschließen können.

    Forudastan: Aber es wird auf die Studenten durchschlagen, oder?

    Priddat: Natürlich. In dem Moment, wo man viele junge zusätzliche Forscher hat, werden die auch Lehre machen, oder andere Leute werden von der Forschung entlastet werden und können stärker in die Lehre rein. Es wird durchschlagen und vor allem es wird eher in diesen Bereichen das intellektuelle Niveau und den Esprit ändern, das heißt, wir werden dort gewisse Lahmheiten und gewisse Müdigkeiten, die sich an deutschen Universitäten eingeschlichen haben, das wird dort verschwinden. Und das wird insgesamt auf die Universitäten positiv sich auswirken, auch für die Studenten.

    Forudastan: Aber trotzdem sehen Sie diese Gefahr, dass man einseitig auf die Eliten, auf die Spitze, auf die Leuchttürme geht?

    Priddat: Ja, natürlich. Also die Politik lobt sich darin und darf sich auch darin loben, dass sie diese Initiative überhaupt gemacht hat, aber man muss gleichzeitig sozusagen sagen, dafür werden die anderen Bereiche selbstverständlich vernachlässigt, jedenfalls nicht in dem Maße gefördert, wie es nötig ist.

    Forudastan: Wie kriegt man denn beides aus Ihrer Sicht unter einen Hut, wie begegnet man dieser Gefahr?

    Priddat: Wenn man wie in Finnland generell sozusagen die Prioritäten in der Politik ändert. Wir brauchen eine Zukunftssicherung unserer Gesellschaft als künftige Wissensgesellschaft über Bildung oder, um es mal plakativ zu sagen, wir kümmern uns viel zu sehr um Rentenprobleme als um Bildungsinvestitionen. Die gesamte Lage ist schief. Wir finanzieren zu wenig in das Wichtigste, was unsere Nation für die spätere Entwicklung, damit sie an den Standorten der Wirtschaft gut da steht, das finanzieren wir viel zu wenig.

    Forudastan: Sie forschen und lehren an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, das ist eine private Uni. Haben private Unis wie Ihre in absehbarer Zeit überhaupt eine Chance, mit diesen großen und zunehmend geförderten Universitäten mithalten zu können?

    Priddat: Ja, Sie sprechen das schon an, das ist erstmal auch eine Größendimension, Sie müssen eine bestimmte Menge an Forschern schon haben, um überhaupt antragsfähig zu sein, und die Forscher müssen natürlich auch alle forschen. Private Universitäten haben dann die Chance, wenn sie sich entwickeln, größer werden und vor allem wenn sie forschungsorientiert sind. Wir selber als Zeppelin-Universität in Friedrichshafen haben diese Forschungsorientierung, wir sind also keine Business-School, wo nur Leute lehren, die nur lehren und wenig forschen oder nicht forschen, sondern wir sind eine Business University, wenn Sie so wollen, die Management orientiert ist, aber stark Forschung. Und wir bauen uns auf, aber wir müssen erst eine Menge von Leuten haben, um überhaupt so viel Kapazität zu haben, dass wir in der Forschung uns abtrennen können von der Lehre, und das ist etwas, da braucht man Zeit. Aber Harvard hat auch 125 Jahre gebraucht.

    Forudastan: Wie lange gibt es Sie?

    Priddat: Drei Jahre.

    Forudastan: Gut, dann sind es ja nur noch 122. Auch die privaten Unis wollen ja Spitze sein und Eliten ausbilden, zumal diese Universitäten viel Geld kosten. Kommt da nicht ein großer Teil der Studenten, der potentiellen Studenten, nämlich der weniger begüterte Teil relativ schlecht weg?

    Priddat: Ja, natürlich. Privatuniversitäten sind Privatuniversitäten, das heißt, man bewirbt sich da, muss ein Auswahlverfahren machen, das ist also erstmal nicht für jeden in der großen Menge. Trotzdem: Jeder kann sich bewerben, weil natürlich die Finanzierung in diesem Fall über die Bodensee Sparkasse läuft, so dass man elternunabhängig, also vom Einkommen der Eltern unabhängig dieses finanzieren kann. Warum? Weil wenn man dort aufgenommen wird, hat man eine hohe Wahrscheinlichkeit, gutes Einkommen zu kriegen, und kann es zurückzahlen. Und das ist etwas, was sozusagen jedem zur Verfügung steht, und wir haben genau so viele Bafög-Empfänger wie normale Universitäten im Durchschnitt.

    Forudastan: Ja, aber man muss es später irgendwann mal zurückzahlen und ist stärker belastet, weil die Gebühren einfach sehr viel höher sind.

    Priddat: Na ja, das werden die staatlichen Universitäten alle auch machen. Momentan sind die Preise noch gering, aber warten wir mal 10, 15 Jahre ab. Also ich glaube, dass wir uns sozusagen in einem ganz normalen Entwicklungsfeld befinden. Und wissen Sie, ich glaube, man muss langsam anfangen in Deutschland auch wie in anderen Ländern umzudenken. Bildung ist kein Gratisgeschenk des Staates. Alles, was gratis übrigens kommt, das schätzt man auch eigentlich nicht so hoch, sondern es ist etwas, worin man für seine Kinder oder wenn man älter ist für sich selbst investiert, damit man später mehr Einkommen kriegt, oder ich würde sogar sagen, damit es nicht so euphorisch klingt, nicht mehr Einkommen kriegt, sondern das relativ hohe Einkommen, was unsere Eltern jetzt haben, später für die Kinder noch zu halten ist. Und dieser Investitionsgedanke, und das setzt voraus, dass die Eltern wie in Holland immer schon 100.000 Euro sparen für die Kinder, damit sie in die Bildung gehen können, das bedeutet Konsumrückgang, also eine Umstellung im Leben. Darauf werden wir uns vorbereiten müssen.

    Forudastan: Herzlichen Dank für das Gespräch!