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Data Sharing
Experimentelle Daten sind kein Einwegprodukt

Neue experimentelle Techniken produzieren Daten mit sehr großem Informationsgehalt - viel zu wertvoll, um sie nur einmal auszuwerten. "Data Sharing", das Teilen und weiterverwerten von Daten, hat inzwischen so viel Bedeutung erlangt, dass die Nature Verlagsgruppe zu diesem Zweck ein eigenes Journal eingerichtet hat.

Von Anneke Meyer | 25.09.2014
    Pipetten und Reagenzgläser, Mikroskop oder Feinwaage - im Labor von Hermann Cuntz am frankfurter Ernst-Strüngmann Institut sucht man solche Gegenstände vergeblich. Wenn er Experimente macht, drückt Hermann Cuntz auf die Enter-Taste und geht sich einen Kaffee holen, während sein Computer rechnet.
    "In unserem Gebiet passen wir ein bisschen auf, dass wir die Sachen dann nicht Experimente nennen. Wenn, dann würden wir sie Simulationsexperimente nennen."
    Hermann Cuntz untersucht biologische Zusammenhänge im Gehirn anhand von Computermodellen. Für seine Simulationsexperimente benutzt er Daten, die andere Forscher erhoben haben.
    "Der Idealfall ist so eine Art Zusammenarbeit zwischen dem Experimentator und dem Modellierer. Jetzt gibt es Spezialfälle, wo es auch wirklich toll ist, wenn man die Gelegenheit hat, auch große Datenmengen von Experimentieren zu nutzen. Und zwar gilt das für mehr generelle, allgemeine Prinzipien."
    Prinzipien wie das, was Hermann Cuntz in der Architektur von Nervenzellen gefunden hat: Das Volumen, die Anzahl der Verzweigungen ihrer Fortsätze und die Menge der Kontaktpunkte mit anderen Zellen, stehen in einem festen Verhältnis zueinander. Das gilt für die Nervenzellen der Ratte genauso wie für die des Menschen.
    "Diese Gleichung erklärt einen Trend, der in all diesen Zellen da ist. Und das hätte ich natürlich nicht rausfinden können, wenn nicht andere Wissenschaftler ihre Daten in der Datenbank abgelegt hätten."
    Zu wertvoll für bloß einmalige Verwendung
    In guten Daten steckt zu viel wertvolle Information um sie nur für eine einzige Fragestellung auszuwerten. So denken immer mehr Wissenschaftler. Datenbank-Initiativen in denen Forscher ihre Daten zur freien Verfügung stellen, gibt es dem entsprechend für so gut wie jede naturwissenschaftliche Disziplin. Auch Verlagsgruppen wie Nature sehen in diesem "Data Sharing" ein großes Potenzial.
    "Wissenschaftler fangen an zu verstehen und verlangen sogar, dass Daten, die ja der solideste Teil eines Forschungsprojektes sind, stärker öffentlich zugänglich gemacht werden. In vielen Forschungsfeldern stoßen wir in sehr schwierige Bereiche vor, sei das die Heilung von Krebs oder der Versuch zu verstehen, wie sich das Klima verändert. Der bloße Austausch von Theorien und Interpretationen bietet keine solide Basis für ein tief greifendes Verständnis und weiterführende Forschung."
    Andrew Huffton ist leitender Redakteur bei Scientific Data. Ein Magazin der Nature Gruppe, das nicht wie andere Journale Ergebnisse und deren Interpretation veröffentlicht, sondern ausschließlich Rohdaten. Eine noch neue Form der Publikation. Ihr Ziel ist es, Data Sharing attraktiver zu machen. Denn, wer zum Vorteil der wissenschaftlichen Gemeinschaft seine Daten teilt, hat damit bisher viel Arbeit, aber wenig persönlichen Nutzen.
    "Wir wollen, dass Wissenschaftler, die ihre Daten teilen, die Anerkennung bekommen, die ihnen zusteht. Eine Möglichkeit, das zu erreichen ist Daten-Publikationen die gleiche Bedeutung zu verleihen, wie traditionellen Veröffentlichungen von Ergebnissen."
    Data Sharing ist nicht ganz unkompliziert
    Auch für Wissenschaftler wie Hermann Cuntz, die von der Arbeit ihrer Kollegen abhängig sind, ist Data Sharing nicht ganz unkompliziert.
    "Das ist natürlich das ganz große Problem an diesen Datenbanken, dass man die Qualität dieser Datensätze nicht überprüfen kann. Und bei jedem Datensatz, ganz egal wenn man Experimente macht, ist es immer so, dass es bestimmte Probleme gab während den Experimenten."
    Um richtig einschätzen zu können, wofür sich ein Datensatz eignet, müssen die Zweitverwerter möglichst viel über seine Entstehung wissen. Für eine Daten-Publikation, in einem Magazin wie Scientific Data, werden die Experimente bis ins Detail dokumentiert. Die Überprüfung des Datensatzes durch einen unabhängigen Experten ist eine zusätzliche Qualitätskontrolle. Diese sogenannten Peer-Review Verfahren sind auch bei herkömmlichen wissenschaftlichen Publikationen üblich.
    Von der Einführung solcher verlässlichen Standards profitieren Daten-Spender genau wie die Zweitnutzer. Dadurch, so die Absicht der Verleger, sollen Daten-Publikationen existierende Data-Sharing Plattformen unterstützen. Eine Win-Win Situation für alle Beteiligten.