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Datensammelwut
Auf dem Weg zum gläsernen Autofahrer

In modernen Autos ermitteln Dutzende Sensoren jederzeit den aktuellen Zustand des Fahrzeugs: Geschwindigkeit, Beschleunigung, Standort und vieles mehr wird an den Hersteller weitergegeben. Nicht nur Juristen sehen den Datenschutz im Auto am Tiefpunkt angelangt.

Von Jan Rähm | 12.11.2016
    Sie sehen das Cockpit eines Elektroautos Opel "Ampera-e", das digital vernetzt ist.
    Das Elektroauto Opel "Ampera-e" ist digital vernetzt. (Uli Deck, dpa picture-alliance)
    Wie wäre es, wenn Ihr Auto Sie daran erinnert, dass Sie noch Brot und Brötchen kaufen wollten? Wenn Ihr Auto Sie daran erinnert, dass der Service fällig ist - und auch gleich weiß, wo die Werkstatt ist? Welchen Radiosender Sie jetzt genau hören wollen, ist Ihrem Auto sowieso klar.
    Einiges davon ist schon heute möglich. Der Rest könnte es bald werden. Und bald weiß das alles nicht nur Ihr Auto - sondern auch Ihre Werkstatt, der Hersteller Ihres Autos, und Ihre Versicherung.
    "Im Auto gibt es 80 Sensoren, die Daten erheben. Das sind unterschiedlichste Daten. Das sind Daten über die Fahrgeschwindigkeit, die Richtung, die Beschleunigung, den genauen Standort, das Setzen der Blinker und so weiter und so fort. Und diese Daten interessieren sehr viele Leute."
    Volker Lüdemann, Professor für Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht an der Universität Osnabrück.
    "Klar ist, dass ein automatisiertes und vernetztes Fahrzeug eine Unmenge von Daten zur Verfügung stellt. Jeder Sensor letztlich, der in einem Auto ist, und es sind vielleicht mehrere hundert in Zukunft, geben eigene Daten zur Verfügung."
    Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.
    "Die Daten aus unseren Autos werden 2030 mehr als 750 Milliarden Dollar wert sein."
    McKinsey, Unternehmensberatungsgesellschaft.
    Daten lassen sich mit Computern auslesen
    "Wir wollen heute mal schauen, was für Daten in den Autos gespeichert werden." Am Stadtrand von Berlin. Der Himmel ist grau an diesem Herbsttag, genau wie das Wasser der Havel, die nur wenige Meter weiter vorbeifließt. Mit einer schwarzen Box mit Kabeln und einem Laptop in der Hand setzt sich Nico in einen schwarzen Kombi. Er legt die Box in den Fußraum, den Laptop balanciert er in der linken Hand.
    "Werde ich jetzt erst einmal mein Equipment anschließen. Dazu schließe ich ein OBD-II-Kabel, unterm Armaturenbrett ist meistens die Buchse, an. Und ein weiteres Kabel geht dann direkt zum Laptop."
    Ein Autofahrer bedient am Mittwoch (01.09.2010) in Berlin den Bordcomputer seines Fahrzeugs. T-Systems und Continental entwickelten ein Multimediasystem, das Navigation, Internet und Online-Dienste zusammenführt.
    Ein multimedialer Bordcomputer in einem PKW. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Nico ist ein Familienvater irgendwo zwischen 30 und 40. Seinen Nachnamen möchte er nicht im Radio hören. Mit dem Computer Autos auslesen und verändern? Ein Hobby.
    "Jetzt brauchen wir noch ein bisschen Strom für den Laptop. So. Strom haben wir auch. - Dann starten wir mal das Diagnose-Programm."
    Wie viel ihm das schon acht Jahre alten Auto verrät? Er ist selbst gespannt.
    Nahezu jedes moderne Auto erfasst und speichert Unmengen an Daten. Das hat vor einiger Zeit der ADAC untersucht. Das Ergebnis: Autos sind Festplatten auf Rädern. Viele Daten braucht das Auto schon allein, um zu funktionieren, erklärt Arnulf Thiemel von der ADAC Fahrzeugtechnik aus Landsberg.
    Steuergeräte zur Einhaltung der Abgasgrenzwerte
    "Es gibt zum Beispiel an den Motorsteuergeräten sehr viele Daten, die gewissermaßen in Echtzeit verarbeitet werden, tatsächlich um den Motor einerseits am Laufen zu halten, und andererseits, heute sehr wichtig, um die geforderten Abgasgrenzwerte einzuhalten, eine Euro 4, 5 oder gar 6 wäre ohne Elektronik eigentlich gar nicht denkbar."
    Darüber hinaus gibt es aber auch sehr viele andere Informationen, die eben nicht nur für den bloßen Betrieb des Autos erhoben werden, und die dann an verschiedenen Stellen auch gespeichert werden. BMW- und VW-Modelle gelten dabei als besonders "gesprächig". Ein Werkstattmeister, der anonym bleiben möchte, erzählt, es werde sogar gespeichert, wann und wie oft die Türen geöffnet und geschlossen werden.
    Ähnliches bestätigt auch der ADAC. Er fand heraus, dass die Autos unter anderem Ziele und Positionsangaben aus dem Navigationsgerät an die Hersteller übertragen. Auch, wie oft und wie die Sitzposition geändert wurde. Daraus könne man ableiten, wie häufig der Fahrer wechsle. Vor allem aber würden technische Daten von Motor, Antrieb, und aus den verschiedenen Steuergeräten gespeichert, erklärt ADAC-Mann Thiemel.
    "Diese schon riesige Fülle von Daten, die erzeugt wirklich Fragen, die man manchmal selbst bei gutwilligster oder auch bei böswilligster Betrachtungsweise gar nicht so einfach beantworten kann."
    Daten sind das Gold der Gegenwart
    In Deutschland gilt eigentlich das Prinzip der Datensparsamkeit. Daten sollen nur erhoben und gespeichert werden, wo dies unabdingbar ist. Doch moderne Autos bunkern schlicht massenhaft Daten. Jurist und Verfassungsrechtler Ulf Buermeyer bringt es auf den Punkt.
    "Es ist jedenfalls nicht mit dem Prinzip der Datensparsamkeit vereinbar, einfach weil ja sehr viele Daten in einem Auto anfallen, gespeichert werden, erhoben werden. Sparsam würde ich das jetzt nicht nennen."
    Das Bild zeigt einen älteren blaugekleideten TÜV-Mitarbeiter mit einem HU-Adapter an der öffenen Tür eines Autos.
    Ein TÜV-Sachverständiger zeigt in Hannover das Auslesen von Fahrzeugdaten. (Julian Stratenschulte/dpa)
    Warum die Hersteller so viele Daten sammeln, auch wenn sie damit bisher noch nicht allzu viel anstellen könnten? Arnulf Thiemel hat da eine Ahnung:
    "Daten sind ganz klar das Gold der Gegenwart. Die Autohersteller wissen, dass eine Blechpresse oder eine Motorenfertigungsstraße heute keine besonderen Sachen mehr sind, wenn ein Google oder Apple morgen ein Auto bauen will, dann muss er gar nicht unbedingt einen der arrivierten Autobauer nehmen, so was bekommt er auch in China. Sprich, da könnten die bisherigen Autohersteller sehr schnell an Bedeutung verlieren, und um dem entgegenzuwirken, versuchen sie eben, möglichst viele Daten zu generieren. Denn wer Daten besitzt, der besitzt auch eine Form von Macht und Marktbedeutung, und deswegen sammeln die Hersteller heute nach unserer Überzeugung auch oftmals Daten, von denen sie im Detail gar nicht immer wissen, was sie damit anfangen sollen, nur sie wollen an der Quelle sitzen, und das nicht Konzernen wie Apple oder Google überlassen."
    Das Airbag-Steuergerät ist mit relativ viel Daten versehen
    Nico sitzt konzentriert auf dem Fahrersitz vor seinem Computer, drückt ein paar Tasten, wählt mit der Maus Menüpunkte.
    "Wir sehen da eine Auswahlmöglichkeit. Da kann ich jetzt auswählen, welches Fahrzeug ich habe. Den Typ, Baureihe kann ich auswählen. Und danach greift dann die Software direkt auf das Fahrzeug zu. Meldet sich an und fragt die Daten vom Fahrzeug ab."
    Einen kurzen Moment noch, dann erscheinen auf dem Display all die Auto-Bestandteile, die Nico auslesen und teils auch umprogrammieren kann.
    "Ja, jetzt haben wir eine Steuergeräteübersicht. Die ist dann grob gegliedert in Antrieb, Fahrwerk, Aufbau, Sitze, Türen, Klimaanlage. Da gehen wir natürlich in Aufbau. Dann werden wir mal in das Airbag-Steuergerät gehen, weil das ist mit relativ vielen Daten versehen, zum Beispiel Beschleunigungssensoren sind dort angeschlossen. Da schauen wir mal, ob wir was Informatives finden. … So … Da hatten wir den Betriebsstundenzähler. Der gibt Aufschluss, wie lange das Fahrzeug eingeschaltet war. Ist hier sehr hoch. 2.754 Stunden."
    Das Cockpit mit großem Display von einem Tesla Model S
    Moderne Autos bieten auch dem Fahrer schon viele Daten an. (Sven Hoppe, dpa picture-alliance)
    "Diese Daten interessieren sehr viele Leute." Volker Lüdemann von der Uni Osnabrück. "Natürlich die gesamte automobile Wertschöpfungskette: Der Hersteller, der das vielleicht zur Qualitätssicherung benötigt, oder zur Formulierung neuer Angebote. Die Zulieferindustrie wiederum, zur Qualitätssicherung aber auch zur Entwicklung neuer Angebote, aber auch ganz neue Player, die Captives, der Autohersteller-eigenen Versicherungen. Oder Krankenversicherungen. Wer sehr häufig bei McDonalds hält oder sehr aggressiv fährt, hat vielleicht ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten oder anders herum."
    Der klassische Weg führt über eine Computerverbindung per Kabel
    Vor allem auf zwei Wegen kommen die Daten aus dem Fahrzeug: per Funkverbindung über das Mobilfunknetz, und von dort direkt in die Systeme der Hersteller. Der klassische Weg jedoch führt über eine Computerverbindung per Kabel, meist in der Autowerkstatt. Bei einigen Herstellern können auch Daten vom Fahrzeugschlüssel ausgelesen werden.
    "Wenn eine Werkstatt Daten aus einem Fahrzeug auslesen möchte, tut sie gut dran, sich dieses Auslesen vorher vom Eigentümer des Wagens genehmigen zu lassen", erklärt Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf von der Universität Würzburg. Dabei sollte die Werkstatt tunlichst darauf achten, was sie mit den Daten tut. "Das Auslesen der Daten erfolgt aber zu einem bestimmten Zweck, in der Regel zu Zwecken der Datenwartung."
    "Man muss […] natürlich auch daran denken, dass heute die allermeisten Fahrzeughersteller auch angeschlossene eigene Versicherungen haben, das heißt, da wäre dann der Weg mal zumindest technisch sehr sehr kurz, dass entweder die Versicherung Daten vom Fahrzeughersteller bekommt oder umgekehrt."
    Ein solcher Transfer ist bisher noch nicht bekannt geworden. Entsprechende Berichte während der Recherchen zu diesem Beitrag ließen sich nicht verifizieren. Doch finden viele Autofahrer das Thema Versicherung laut einer Umfrage im Auftrag des Gesamtverbandes Deutscher Versicherungen brisant: Demnach würde mit 83 Prozent ein Großteil der Befragten risikobasierte Tarife als gerecht empfinden, die auch riskantes Fahrverhalten erfassen. Nur hergeben will kaum jemand seine Daten.
    Viele würde einen Datenweitergabe ausschließen
    "27 Prozent der Befragten würden Ihre Fahrdaten auch an die Kfz-Versicherung weitergeben. 43 Prozent der Befragten schließen eine Weitergabe von Fahrdaten unter allen Umständen aus."
    Wer aber darf eigentlich dran an die Daten? Und wem gehören sie überhaupt?
    "Eigentum an Daten gibt es streng genommen gar nicht, weil der Begriff Eigentum juristisch nur für Sachen definiert ist, nur Sachen können in irgendjemandes Eigentum stehen."
    Aber, erklärt der Strafrechtler Eric Hilgendorf, Datenträger seien sehr wohl Sachen.
    "Wenn man einen Datenträger, eine Diskette oder einen USB-Stick kauft mit Daten drauf, gehört einem der Datenträger, und man hat damit eine Verfügungsgewalt über die Daten, aber Daten selber gehören niemandem, und der Grundsatz gilt auch für die Daten im Auto."
    Anonymisierung nicht immer zuverlässig
    Selbst wenn man die Frage nach dem Besitz vernachlässigt: Daten aus einem Fahrzeug gelten als personenbezogene Daten und unterliegen in Deutschland einem besonderen Schutz. Als dieser ins deutsche Recht einzog, ging es meist noch um ein paar Informationen auf Papier. Heute geht es um schier riesige digitale Datenmengen, auch im Auto. Wer diese Daten mit guten Absichten verarbeitet, erklärt meistens, sie gut vom Urheber zu trennen. Jurist Buermeyer merkt dazu allerdings an:
    Netzwerkkabel stecken am 16.10.2015 in einem Serverraum in München (Bayern) in einem Switch
    Was mit den vielen Daten geschieht, ist nicht immer klar. (picture alliance / dpa / Matthias Balk)
    "Wenn die Daten tatsächlich völlig anonymisiert werden, hätte ich da geringere Probleme, weil sie dann ja eben nicht mehr auf einzelne Personen bezogen werden können. Nun wissen wir aber, dass gerade Pseudonymisierung und auch manche Anonymisierung eben so zuverlässig wiederum nicht funktionieren."
    Um Daten aufzeichnen und verwerten zu können und trotzdem dem Datenschutzrecht zu genügen, gibt es die informierte Einwilligung. Dazu muss derjenige, den die Daten betreffen, wissen, dass Daten aufgezeichnet werden und was mit ihnen passiert. Und so gehen Autohersteller und Händler dazu über, diese Einwilligung an den Kauf zu koppeln. Die Juristen bezweifeln, dass das ausreicht. Ulf Buermeyer:
    "Da reicht es natürlich auch nicht, wenn das nur der Autokäufer zum Beispiel tut oder der Erstkäufer im Autohaus, denn Betroffene von dieser Erhebung und Speicherung und gegebenenfalls auch Übermittlung ist ja jeder Nutzer des Fahrzeugs, das heißt die Hersteller müssten jeden einzelnen Nutzer fragen, ob er tatsächlich einverstanden ist mit der Erhebung dieser personenbezogenen Daten, und das, denke ich, ist kaum praktikabel, also bewegen sich die Hersteller an diesem Punkt auf ganz dünnem Eis datenschutzrechtlich."
    Verzicht auf Speicherung sollte möglich sein
    Hinzu kommt: Ähnlich wie bei anderen Elektronik-Einkäufen lassen sich einige Hersteller umfangreiche Rechte per Unterschrift einräumen. Die Dokumente dazu sind in der Regel sehr lang und sehr klein geschrieben. Außerdem es stellt sich die Frage: Kann ich mein Auto eigentlich noch nutzen, wenn ich nicht zustimme?
    "Möglicherweise möchte ich als Nutzer ja einfach gar nicht, dass mein Fahrzeug diese Daten erhebt und speichert. Und da sollte man die Möglichkeit einräumen, auf diese Speicherung zu verzichten - und zwar selbst dann, wenn es möglicherweise einen Komfortverlust bedeutet, denn ich denke, daran muss man eine Bevormundung der Autofahrerinnen und Autofahrer sehen, wenn der Hersteller entscheidet, diese Daten werden gespeichert, ohne dass man darauf überhaupt Einfluss nehmen kann."
    Am Berliner Stadtrand wühlt sich Nico durch verschiedenen Menüs der Diagnose-Software. Wirklich verräterische Daten hat er bisher nicht gefunden. Es könnte an der Software liegen, meint er. Er verwendet ein ähnliches Programm wie die Werkstätten. Der Hersteller selbst hätte noch ganz andere Möglichkeiten.
    Alle Daten, die im Auto vorhanden sind, werden gesendet
    "Ich gehe davon aus, dass eben viel mehr Daten in den Fahrzeugen drin sind und je nach Software auch ausgelesen werden können. Alle Daten, die im Auto vorhanden sind, werden gesendet. Ständig. Das Auto sendet ständig seine Geschwindigkeit, ständig die Drehzahl, ständig, ist Licht an, ist Licht aus, ist eine Tür offen, ist eine Tür nicht offen. Diese Informationen sind auf dem Bus komplett drauf. Und die entsprechenden Steuergeräte nehmen sich ihre Daten runter, die sie benötigen."
    Aufgeben will Nico aber noch nicht. Erst wechselt er die Software, dann das Auto. Es ist das Nachfolgemodell des schwarzen Kombis.
    Ein mit Bosch-Technik ausgestattetes Fahrzeugdes Typs Jeep Cherokee steuert am 07.01.2015 in Las Vegas, USA, im Rahmen der CES (Consumer Electronics Show) selbst.
    Ein selbstfahrendes Auto braucht den Menschen gar nicht mehr (dpa)
    Moderne Autos sind auf regen Datenfluss angewiesen. Hersteller würden die Daten zudem gern für die Entwicklung nutzen. Rein rechtlich aber haben die Besitzer der Fahrzeuge dabei das letzte Wort - eigentlich. Sie wissen allerdings meist nicht, was und wo aufgezeichnet wird. Diese Situation ist natürlich weder für die, die die Daten erzeugen, noch für Autobesitzer, und auch nicht für Datenschützer befriedigend. Und erst recht nicht für diejenigen, die an den Daten interessiert sind.
    "Hier ist es meines Erachtens notwendig, dass man sich auf ja, marktwirtschaftliche Prinzipien beruft, dass man diese Daten handelsfähig macht, indem man dem Halter oder dem Eigentümer des Fahrzeugs erst mal ein Primärrecht an den Daten zuordnet und zuschreibt, die in seinem Fahrzeug entstehen, und er kann dann mit diesen Daten handeln", beschreibt Eric Hilgendorf einen Vorschlag. Damit dürfte der erste, auf dessen Besitz die Daten gespeichert werden, über sie verfügen und sie verwerten. Nur kann man als Individuum die Daten wohl kaum verkaufen und so vielleicht auch vom neuen "Datengold" profitieren. Ein einzelnes Datum ist eigentlich nicht viel wert. Erst eine Vielzahl führt zu neuen Erkenntnissen. Dabei können gerade die Daten, die im Fahrzeug entstehen, enorm wertvoll sein. Sie geben den Fahrzeugherstellern und Zulieferern Aufschluss über Verschleiß und Nutzung.
    Unter Berlins grauem Himmel wird es langsam ungemütlich. Schon zwei Stunden versucht Nico, einem Auto seine Geheimnisse zu entlocken.
    "So viele Daten gibt das Auto hier nicht preis."
    Einen letzten Versuch will er dennoch wagen.
    "Wir sind jetzt nochmal in dem älteren Fahrzeug und haben uns dort das ESP mal näher angesehen. Und da haben wir einen Eintrag, der so circa fünf Jahre zurückliegt. Da sehen wir also eindeutig das Auftreten des Fehlers mit Fehlercode und den Umgebungsvariablen. Unter anderem eine Radgeschwindigkeit von 180 Stundenkilometern … und die jeweiligen Daten - Querbeschleunigung, Lenkwinkel ist bei 0, also das Auto fuhr geradeaus, die Fahrpedalstellung ist bei 39 Prozent, dann, das ABS hat nicht eingegriffen, Feststellbremse ist natürlich auch nicht getreten. Somit sehen wir schon sehr deutlich, dass da was passiert ist, und wie schnell das Fahrzeug war."
    Sieht alles nach einer Vollbremsung bei hoher Geschwindigkeit aus. Zwar nur ein Einzelwert, aber damit hat Nico auch am acht Jahren alten Wagen gezeigt: Schon dort werden informative Daten erhoben und gespeichert. Wobei der Hersteller dieses Autos dabei anscheinend sehr zurückhaltend ist.
    ADAC für mehr Transparenz
    Dass Daten erzeugt werden, dass Daten gespeichert werden und dass Daten auch weitergegeben werden, daran besteht kein Zweifel. Dann aber sollte es wenigstens klar erkennbar sein, meint der ADAC.
    "Wir fordern als allererster Transparenz. Deswegen ganz simple Forderung des ADAC: Sogenannte Datenlisten, gern als Liste im Internet, wo ich einfach für mein Auto konkret anschauen kann, welche Informationen erhebt es, was macht es damit, was davon wird gar an den Hersteller gesendet, das wäre ein allererster Schritt, der Transparenz für den Verbraucher schaffen würde."
    Jurist Buermeyer geht einen Schritt weiter.
    "Der zweite Schritt nach der Transparenz ist dann die Selbstbestimmung, dass man eben Einfluss darauf nehmen kann, welche Daten überhaupt gespeichert werden und welche nicht."
    Die Datenschützer von Bund und Ländern haben diesen Januar erst zum Thema erklärt:
    "Gegenüber dem Hersteller besteht ein unentgeltliches Auskunftsrecht des Halters über seine durch den Hersteller erhobenen und gespeicherten personenbezogenen Daten."
    "Die Fahrzeugnutzer sollen durch verschiedene Optionen über die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten selbst bestimmen können."
    Ulf Buermeyer hält es außerdem für notwendig, "dass man ein Fahrzeug auch sinnvoll nutzen kann, ohne die Einwilligung zu erteilen. Denn ganz ehrlich, wenn man mehrere Zehntausend Euro für ein Fahrzeug ausgegeben hat, dann aber die Nutzung von einer Einwilligung in eine weitreichende Datenverarbeitungsklausel abhängig gemacht wird, dann kann man von einer freiwilligen informierten Entscheidung nicht mehr sprechen."
    Auch die Bundesregierung prüft die rechtlichen Optionen in Sachen Datenschutz im Auto. So soll der Umgang mit den Fahrzeugdaten in das erwartete Gesetz zu den selbstfahrenden Autos geschrieben werden. Verkehrsminister Dobrindt erklärt:
    "Ich sage, der Grundsatz gilt, die Daten gehören erst mal dem Menschen. Also es sind die Daten eines jeden Einzelnen, und er muss selber entscheiden, ob er Produkte, ob er Angebote annehmen will, die es zukünftig geben wird, und dafür bereit ist, einen Teil der Daten zur Verfügung zu stellen. Aber er muss selber einwilligen. Die Daten gehören nicht den Automobilkonzernen, sie gehören auch nicht Google, sie gehören dem Menschen, und der muss sagen: Ja, ich will, dass du diesen Teil meiner Daten hast, weil ich von dir ein bestimmtes Produkt haben will, dass mir mehr Nutzen bringt."
    Was das neue Gesetz bringen wird, ist noch alles andere als sicher. Erste nicht öffentliche Auszüge stoßen in Fachkreisen auf Skepsis. So ist es kein Wunder, wenn Ulf Buermeyer die Situation so zusammenfasst:
    "Ich denke, der Autofahrer ist gegenwärtig so gläsern wie noch nie, einfach weil die Fahrzeuge derzeit ungeahnte Datenmengen über Autofahrerinnen und Autofahrer speichern. Wir sind da, glaube ich, datenschutzrechtlich am Tiefpunkt angelangt, weil wir die Sensibilität gerade erst entwickeln dafür, dass Fahrzeuge eben auch aus datenschutzrechtlicher Sicht auch ein Problem darstellen können."