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Datenschutz
"Es gibt keinen direkten Anschluss von irgendeiner Regierung auf unsere Server"

Große Internet-Konzerne protestieren gegen Geheimdienst-Überwachung. Auch Google-Sprecher Kay Oberbeck fordert mehr Transparenz von den Regierungen über ihre Eingriffe in den Datenschutz. Viel Vertrauen der Nutzer sei durch das umfassende Abfischen von Daten verloren gegangen.

Google-Sprecher Kay Oberbeck im Gespräch mit Dirk Müller | 11.12.2013
    Dirk Müller: Wie lange haben sie gezögert, die Netzgiganten, Microsoft, Apple, Google, Yahoo, Facebook? Tagelang, wochenlang? Viele Kritiker sagen: monatelang, so lange, bis es eben geschäftsschädigend geworden ist, bis Anfang dieser Woche. Plötzlich steht geschrieben: "Wir fordern von Washington, die Abhörpraktiken der amerikanischen Geheimdienste zu reformieren." Im Sommer, als die NSA-Affäre so langsam hochgekocht war, wollten viele der Firmen nichts wissen von der Datenüberwachung. Dann kamen die Berichte über die Zusammenarbeit von Unternehmen und Geheimdiensten. "Nur dann, wenn Richter uns dazu gezwungen haben", lautete die Begründung. Nun ist das Fass offenbar übergelaufen. Der NSA-Skandal hat auch die Internet-Konzerne in schlechtes Licht gerückt.
    Die Internet-Konzerne fordern also von Washington eine Reform der allumfassenden Datenüberwachung durch die Geheimdienste. Am Telefon ist nun Kay Oberbeck, Sprecher von Google Deutschland. Guten Morgen nach Berlin.
    Kay Oberbeck: Schönen guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Oberbeck, was hat Barack Obama Ihnen geantwortet?
    Oberbeck: Wir haben ja, anders als es der Einspieler gezeigt hatte, nicht erst seit gestern beziehungsweise nicht erst, seitdem die Enthüllungen von Edward Snowden im Sommer letzten Endes auch die ganze IT-Landschaft, aber sicherlich auch die Gesellschaft sehr erschüttert haben, nicht erst seit dem Zeitpunkt haben wir sehr viel dafür getan, dass Daten sicher in den Google-Rechenzentren hinterlegt sind. Aber natürlich hat uns das alarmiert, ganz klar, und schon vorab haben wir alleine schon im letzten Jahr gefordert von der US-amerikanischen Regierung, dass wir sehr viel transparenter damit umgehen können, welche Anfragen wir von einer Behörde bekommen und auch in welchem Ausmaß wir solchen Begehren entgegenkommen müssen, weil sie auf rechtlichen Gesetzen basieren, andererseits aber auch, dass wir sagen dürfen, wo wir gegenpushen und wo wir eben nicht diesen Anfragen nachkommen.
    Müller: Das hört sich jetzt ein bisschen so an, Herr Oberbeck, als seien Sie längst Datenschützer.
    Oberbeck: Nun, wenn es darum geht, dass wir die Daten unserer Nutzer schützen, die unsere Dienste nutzen, sei es nun GMail oder die Suche oder Google Earth oder andere, dann natürlich. Unsere Aufgabe - und das sehen wir auch als unsere vorrangigste Aufgabe an - ist es, die Informationen der Nutzer, die sie bei uns lassen, um solche Produkte zu nutzen, auch zu schützen - ganz klar!
    Verschlüsselung soll Daten der Nutzer schützen

    Müller: Ist Google sauber, andere nicht?
    Ein Porträt von Kay Oberbeck aus dem Jahr 2010.
    Google-Sprecher Kay Oberbeck (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Oberbeck: Das kann man so überhaupt nicht sagen. Natürlich liegt auch eine Menge von Verantwortung bei den Unternehmen, hier zum Beispiel zum Thema Verschlüsselung alles mögliche zu tun, dass Daten sicher sind, dass eben nicht, selbst wenn auf illegale Weise versucht wird, auf solche Daten Zugriff zu nehmen, dass hier alles mögliche getan wird, dass sie sicher sind. Bei Google Mail zum Beispiel gibt es seit 2010 die standardmäßige Verschlüsselung von Mails. Bei der Google Suche wird auch schon seit dem Jahr 2004 die Verschlüsselung angeboten - nicht automatisch, das ist erst seit wenigen Jahren der Fall - aber natürlich machen wir hier schon länger auch in dieser Richtung sehr viele Anstrengungen, dass die Daten sicher sind.
    Müller: Aber wenn das so ist, warum wundern sich viele Nutzer – und das tun ja auch viele bei uns, ich tue das auch, wenn ich den Computer einschalte -, dass ich da über meine Sockengröße informiert werde, über meine Jackengröße, über meine Reiseziele, Biokost, falls ich jemals dazu kommen sollte? Die wissen alles und ich will das gar nicht, dass man das weiß. Wieso entscheiden Sie für die Verbraucher, was sie wissen müssen?
    Oberbeck: Sehr, sehr wichtig ist, dass die Verbraucher immer die Wahl haben, was sie machen und welche Daten sie hinterlassen. Ein Verbraucher ist anders. Anders als zum Beispiel zum Thema Regierung hat ein Verbraucher die Wahl, welchen Anbieter er nimmt für zum Beispiel den E-Mail-Verkehr, oder auch für die Suche, oder für andere Dienste. Und wenn ein Verbraucher meint, dass die Daten bei einem Anbieter wie meinetwegen Google oder anderen nicht sicher sind, oder er denen nicht vertraut, dann kann er sehr einfach zu einem anderen gehen. Das ist bei Daten, die von Regierungen gesammelt werden, ob nun auf rechtmäßige oder unrechtmäßige Art, wie das ja jetzt den Anschein hat, dass es jetzt passiert ist oder auch schon seit längerem passiert ist, anders. Da hat der Nutzer eben nicht die Möglichkeit und da muss man den Finger draufstellen, und das machen wir auch mit unserer jetzigen Kampagne.
    US-Behörden verpflichten Konzerne zur Geheimhaltung von Anfragen
    Müller: Dann reden wir, Herr Oberbeck, doch auch noch einmal über die Genese. Sie haben gesagt: Im vergangenen Jahr haben wir schon darauf hingewiesen, das haben viele nicht mitbekommen. Das kann auch unser Versäumnis gewesen sein. Aber es war doch auffällig für die Beobachter, jedenfalls vielleicht auch die, die nicht tagtäglich drinstecken in dieser komplizierten Thematik, dass zunächst gesagt wurde, als diese ersten Informationen kamen über die NSA-Überwachung, über die flächendeckende oder allumfassende Überwachung, wie immer man das auch nennen möchte, dass die Konzerne erst gesagt haben: Nein, damit haben wir nichts zu tun. Dann kam heraus, natürlich sind die Daten zum Teil aus den Internet-Unternehmen angezapft worden, weil es beispielsweise richterliche Beschlüsse in den USA gegeben hat. Diese richterlichen Beschlüsse hat es schon seit längerem gegeben, die Konzerne haben das verheimlicht. Warum?
    Oberbeck: Es gibt natürlich zum Beispiel so etwas wie die National Security Letters. Das sind Anfragen von US-amerikanischen Behörden im Zusammenhang mit dem Patriot Act. Dort gibt es in den amerikanischen Gesetzen die Notwendigkeit und auch die Verpflichtung auf Basis dieses Gesetzes, dass man nicht über das Ausmaß dieser Anfragen berichten darf. Wir haben im letzten Jahr eine Anfrage bei dem entsprechenden Gericht, bei dem FISA-Gericht in Amerika, eingereicht, um das Ausmaß dieser Anfragen auch mitteilen zu dürfen, weil unserer Ansicht nach die Nutzer das klare Recht darauf haben, hier auch informiert zu werden. Da hat die FISA uns recht gegeben und wir dürfen seitdem auch diese Anzahl dieses Ausmaßes dieser Anfragen auch veröffentlichen. Das tun wir in unserem Transparenzbericht, den wir seit 2010 als erstes Unternehmen in dieser Form auch veröffentlichen, und das ist sehr alarmierend, dass im Laufe der Jahre diese ganzen Anfragen, oder auch andere Anfragen von anderen Regierungen und öffentlichen Stellen unter anderem auch in Deutschland immer weiter zugenommen haben.
    Viele Anfragen von der Bundesnetzagentur
    Müller: Da können Sie uns doch ein Beispiel nennen. Von wem sind Sie denn da gefragt worden in Deutschland?
    Oberbeck: Alleine die Bundesnetzagentur stellt ja in ihrem jährlichen Bericht immer auf, wie viele Anfragen zum Beispiel auch an Telefonunternehmen in Deutschland gestellt werden von öffentlichen Stellen auf die Herausgabe von Telefondaten im Zusammenhang damit. Das geht in die zig Millionen.
    Müller: Die Bundesnetzagentur macht das?
    Oberbeck: Die Bundesnetzagentur.
    Müller: Das macht der BND?
    Oberbeck: Das wird nicht weiter aufgeschlüsselt, aber da muss man sicherlich mal in den Jahresbericht der Bundesnetzagentur gucken. Bei uns im Transparenzbericht geben wir Aufschluss darüber zum Beispiel, wie viele Anfragen wir bekommen zum Thema Urheberrechtsverstöße, oder zum Thema tatsächlich strafrechtliche Verfahren, wo wir aufgefordert werden, zum Beispiel Daten in Bezug auf bestimmte E-Mail-Konten herauszugeben oder auch Suchen herauszugeben. Wir gucken uns jede dieser Anfragen an und gucken, ob das auch tatsächlich im Rahmen des Gesetzes liegt, oder ob hier versucht wird, auf Basis eines Gesetzes unverhältnismäßig viele Daten abzufischen beziehungsweise abzufragen.
    Müller: Lassen Sie mich da bitte noch eine Frage platzieren. Wenn ich das alles richtig verstehe, auch die Äußerungen, die Statements lese, die in den vergangenen Wochen und Monaten ja zirkuliert wurden von den Internet-Konzernen, auch von Google, dann ist es nach wie vor so - Sie müssen mich da korrigieren, wenn ich das falsch verstanden habe -, dass es niemals eine freiwillige Zusammenarbeit gegeben hat mit den Geheimdiensten, sondern alles nur gezwungenermaßen. Und das ist nach wie vor so?
    Oberbeck: Ganz klar: Es gibt keinerlei direkte Zugänge von irgendwelcher Regierung auf unsere Daten. Wir geben Daten nur immer dann heraus, wenn wir auf richterlichen Beschluss auch eine entsprechende Anfrage erhalten und wenn wir diesen richterlichen Beschluss in jedem Einzelfall, der uns hier mitgeteilt wird, auch geprüft haben. Dann werden wir entsprechend Daten herausgeben. Es gibt aber keinen direkten Anschluss von irgendeiner Regierung oder von irgendeiner Behörde, die einen direkten Anschluss auf unsere Server hätte. So etwas gibt es nicht, und wenn das passiert ist, wie jetzt im Sommer herausgekommen, wenn das auf unrechtmäßige Art und Weise passiert sein sollte, dann geschah das ohne unser Wissen. Natürlich hat das uns alarmiert, dass wir unsere Bestrebungen auf Verschlüsselungen von Datenverkehr zum Beispiel auch innerhalb unserer Rechenzentren viel, viel weiter verstärken und auch sehr, sehr viel schneller auch umfassend gestalten, als das in der Vergangenheit vielleicht der Fall gewesen ist.
    "Eine Verantwortung haben, dieses Vertrauen wiederherzustellen"
    Müller: Es gibt ja Umfragen zumindest auch in Deutschland, wie sich das Verhältnis der Nutzer zu den großen Konzernen verändert hat. Wie viel Vertrauen haben Sie verloren?
    Oberbeck: …dass es uns alarmiert hat. Wir bekommen in den letzten Monaten, seitdem diese Enthüllungen von Edward Snowden publik geworden sind, natürlich Hunderte, wenn nicht Tausende von Anfragen besorgter Nutzer und auch von anderen Partnern, mit denen wir zusammenarbeiten. Und genau aus diesem Grunde sind wir der Auffassung, dass wir sicherlich natürlich eine Verantwortung haben, dieses Vertrauen wiederherzustellen, aber in erster Linie natürlich - und das machen wir mit unserer Kampagne, die wir in Amerika gestartet haben - auch die Regierungen, dass hier ganz klar gemacht wird, dass hier nicht eine massenweise Abfischung von Daten mehr weiter erfolgen darf, dass hier die Unternehmen wie Google und die anderen, die hier mitmachen, auch die Handhabe bekommen, über solche Anfragen gezielt berichten zu dürfen und unsere Nutzer informieren zu dürfen, dass hier nicht im Nebulösen gearbeitet wird und gar auch in unrechtmäßiger Art und Weise Daten abgefischt werden.
    Müller: Ich hatte Sie gleich zu Beginn gefragt, Sie sind nicht weiter darauf eingegangen: Was hat Barack Obama Ihnen geantwortet? Das heißt, aus Washington haben Sie noch keine Reaktion bekommen?
    Oberbeck: Wir wissen, dass der Kongress an einer Überarbeitung der Richtlinien zur Überwachung und zur Datenabfrage auch arbeitet, und genau aus diesem Grunde erfolgt jetzt gerade diese Kampagne, damit die Regierung, die US-amerikanische Regierung, uns hier hört, unsere Argumente hier hört. Dazu gehört aber auch, und da muss man, glaube ich, auch vor der eigenen Haustür kehren, dass die Zusammenarbeit von Regierungen, zum Beispiel auch von der US-amerikanischen mit den europäischen, dass das auf eine neue Ebene gestellt wird und dass hier, wenn es unterschiedliche Richtlinien, unterschiedliche Gesetze gibt, die Art und Weise, wie unter Umständen Regierungen untereinander Daten austauschen oder hier Anfragen bestehen, dass das auf eine viel, viel bessere Ebene gestellt wird.
    Müller: Kay Oberbeck bei uns im Deutschlandfunk, der Sprecher von Google Deutschland. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Oberbeck: Vielen Dank, Herr Müller.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.