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Sammelwütiges Autonotrufsystem E-Call

Das Autonotrufsystem E-Call soll bald europaweit ständig Ortungsdaten an eine Zentrale funken. Das hat nun der Innenausschuss des EU-Parlaments beschlossen.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 01.02.2014
    Manfred Kloiber: Wie stark überwacht wird der Autofahrer bald sein, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Die Überwachungsmöglichkeiten nehmen da ständig zu. Dieser Trend beschleunigt sich – nicht nur das Auto, sondern jeder Autoinsasse wird dabei immer besser, technisch einfacher und kostengünstiger zu überwachen sein. Nicht nur über Ortungsdaten, nicht nur sein Fahrverhalten, nicht nur, was er im Auto so an Social-Media-Aktivitäten entwickelt, wo er surft – Auto als wesentliche Quelle für Daten, aus denen individuelle Profile berechnet werden. Und die meisten Daten werden im Auto schon heute erhoben, nur ahnt das kein Autofahrer.
    Manfred Kloiber: Welche Daten aus Ortungsangabe und dem Surfverhalten erheben die Bordsysteme denn heute schon?
    Peter Welchering: Die genaue Fahrweise wird protokolliert, ob der Fahrer allein unterwegs ist oder einen Beifahrer hat, das lässt sich alles aus dem Steuersystem für die Airbags auslesen. Und auch die einzelnen Angaben zur Fahrweise, wann wie abrupt gebremst wurde, Beschleunigungsdaten, das erfasst dieses Steuergerät und speichert es, weil die Airbags je im Falle eines Unfalls auf die Millisekunden genau gezündet werden müssen. Und um diesen Auslöse- oder Zündzeitpunkt errechnen zu können, müssen die Sensoren ständig dieser Daten zuliefern.
    Manfred Kloiber: Aber diese Daten werden ja bisher nicht an Dritte übermittelt.
    Peter Welchering: Auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar ist darüber berichtet worden, dass in einzelnen Fällen zur Rekonstruktion des Unfallhergangs auf solche Daten etwa des Airbag-Steuergeräts zugegriffen wurde. Die Gefahr liegt hier wie in anderen IT-Bereichen in der Vernetzung. Kommen noch die Daten über Lenkzeitdauer, Motorsteuerungsdaten hinzu, die alles erhoben und abgespeichert werden, dann ist der Fahrer völlig gläsern, er weiß heutzutage oftmals gar nichts davon – das ist die Gefahr.
    Manfred Kloiber: Werden alle diese Daten nicht nach jeder Fahr wieder gelöscht?
    Peter Welchering: Bei erneutem Fahrtantritt wird ein Teil der Daten gelöscht, etwa die in der Airbagsteuerung. Da ist der Speicherplatz ja auch durchaus begrenzt bei relativ hohem Datenaufkommen. Hier kommt es oft zu Fehlern beim Löschen. Bei der Motorsteuerung wird in der Regel gelöscht nach dem Prinzip die ältesten Daten raus, die neuen rein. Da können also durchaus einige Tage Fahrverhalten nachvollziehbar sein.
    Manfred Kloiber: Da klingt doch die Übermittlung von Ortungsdaten, wie sie beim E-Call-Notrufsystem jetzt im EU-Innenausschuss beschlossen wurde, noch recht harmlos.
    Peter Welchering: Aus zwei Gründen ziemlich umstritten: Erstens werden die Daten an eine Zentrale übermittelt, Daten verlassen also das Auto. Zweitens: Autofahrer kann E-Call nicht abschalten – Kritiker: Wer sagt denn, dass der Gesetzgeber es bei der Übermittlung von Ortungsdaten belässt – vielleicht will er demnächst die Daten des Airbagsteuersystems auch an eine Zentrale funken lassen, aus Sicherheitsgründen versteht sich.