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Wie wir uns per Smartphone ausspionieren lassen

Kein anderes Gerät sammelt so viele Daten wie ein Smartphone. Wir verbinden es mit dem Laufschuh, mit der Zahnbürste, manche führen per App sogar ein Sex-Tagebuch. Was die dahinterstehenden Firmen mit den Daten machen – darüber denken die Wenigsten nach.

Von Achim Killer | 03.01.2015
    Ein Jugendlicher betrachtet Inhalte auf seinem Smartphone.
    Ein Jugendlicher betrachtet Inhalte auf seinem Smartphone. (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Personal Analytics wird die nächste große Big-Data-Anwendung, da ist sich Debra Logan vom britischen Marktforschungs-Unternehmen Gartner sicher. Dabei geht es nicht um die Echtzeit-Analyse von Zahlungsvorgängen oder das Verhalten von Käufergruppen wie ansonsten auf diesem Gebiet, sondern um Rückschlüsse auf die physische und psychische Verfassung von Individuen. Genügend Konsumenten, die daran Interesse haben, gibt es bereits:
    "Es sind Leute, die ihre Leistung auf bestimmten Gebieten erhöhen wollen, meistens im Sport, Amateure und Profis. Aber auch Leute, gerade in den USA, die ihre seelische Gesundheit optimieren möchten und ihre geistige Leistungsfähigkeit und alle Faktoren analysieren, die sie etwa zu bestimmten Tageszeiten besonders produktiv arbeiten lassen."
    Das Geschäft ist schon angelaufen mit Nike+, einem Laufschuh mit integriertem Schrittzähler, oder mit Fitbit-Armbändern, die zurückgelegte Entfernungen messen, den Kalorienverbrauch berechnen und den Schlaf und den Puls kontrollieren. Aufbereitet werden all diese Daten anschließend im Internet auf Servern der Hersteller. Tiefere Einblicke in die Gemütsverfassung eines Menschen allerdings lassen sie nicht zu. Die Daten, die ein Smartphone täglich erfasst, geben solche Einblicke aber sehr wohl. So haben Forscher in Deutschland und den USA festgestellt, dass sich mithilfe dieser Daten etwa Depressionen diagnostizieren lassen. Ein Smartphone erfasst, wenn sein Besitzer kommuniziert, wo er sich befindet, ob sich andere Smartphones in der Nähe befinden und ob sein Besitzer schläft, weil er dann für längere Zeit nicht mehr auf dem Display herumtapst. Andrew Campbell, Professor für Computerwissenschaft am Dartmouth College in New Hampshire, erläutert die Ergebnisse seiner Untersuchungen:
    "Je weniger soziale Kontakte man hat, desto depressiver ist man im Grunde. Je weniger man kommuniziert, mit Menschen spricht, mit ihnen interagiert, desto wahrscheinlicher ist es, dass man depressiv ist. Und schließlich je weniger man schläft, desto wahrscheinlicher ist es, depressiv zu sein. Also man sieht: die Anzahl der sozialen Kontakte, die Zahl der Gespräche und deren Dauer und die Dauer des Schlafs korrelieren direkt mit PHQ-9, dem einschlägigen Depressionsindex."
    Sex-Tagebuch im Smartphone
    Erste Websites bereiten denn auch bereits Psycho-Daten auf. Die britische Mood-Panda etwa, der die Nutzer per Handy-App übermitteln, wie glücklich sie sich gerade fühlen. Die Betreiber nutzen die Site, um die von ihnen entwickelte Software in der Praxis zu testen. Ross Larter, der Unternehmensgründer:
    "Es gibt eine kommerzielle Version von Mood-Panda für Versicherungsunternehmen, Hypothekenbanken und alle Unternehmen, die die Zufriedenheit ihrer Kunden im Auge behalten möchten."
    Candid Wüest von der IT-Sicherheitsfirma Symantec hat Apps untersucht, die Körperdaten und ähnlich sensible Informationen aufbereiten. Ergebnis: Die Programme nehmen zu erstaunlich vielen Sites Kontakt auf:
    "Im Normalfall würde man vielleicht erwarten: eben die Website des Herstellers, vielleicht noch eine Werbe-Web-Site, vielleicht noch eine Analytics-Plattform, die schaut, ob die Software gut und vernünftig arbeitet. Aber nach vier, fünf ist dann eigentlich auch Schluss."
    Bis zu 14 Sites hingegen kontaktierten die untersuchten Apps, darunter natürlich auch die Sites von Marketing-Firmen. Besonders pikant: Auch Apps, die dazu dienen, über das eigene Sexualverhalten quasi buchzuführen, geben Daten sehr freizügig weiter. Sie erfassen sexuelle Aktivitäten zwar nicht selbständig, sondern müssen ein- und ausgeschaltet werden.
    "Aber diese Information heißt natürlich, dass genau dann auch herausgefunden werden kann, wie häufig ich sexuell aktiv bin. Und die Information möchte ich vielleicht nicht mit Jedermann teilen."