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Dauerpräsenz Putins geht vielen auf die Nerven

Im Vorfeld der Duma-Wahl in Russland äußern viele Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Internetvideos zeigen, wie die Administration Druck zugunsten der Putin-Partei "Wahres Russland" ausübt. Putin selbst musste live im Fernsehen Buh-Rufe und Pfiffe einstecken.

Von Robert Baag | 03.12.2011
    Damit hat Wladimir Putin, Russlands Premierminister und allem Anschein nach bald auch wieder künftiger Staatspräsident Russlands, so gar nicht gerechnet:

    "Liebe Freunde, alle Liebhaber des Kampfsports haben heute einen großen Festtag gehabt...

    (Pfiffe, Buh-Rufe)

    Zu verdanken haben wir das echten Männern aus sechs Ländern. Von ganzem Herzen aber gratulieren wir Fjodor Jemeljanjenko, einem echten russischen Recken. Und zwar nicht nur, weil er stark ist. Nicht nur, weil er wunderbare Muskeln und Reaktionen hat, sondern für seinen Charakter, den Charakter eines russischen Recken! Glückwunsch, Fedja!"

    Eigentlich ein problemloses Heimspiel für den sein Machoimage so sorgfältig pflegenden Schwarzgürtel-Judoka Putin. Sollte man meinen. Allein: Sein jüngster Auftritt bei einer Siegerehrung im Box-Ring der mit 20.000 Menschen vollbesetzten Moskauer Olympia-Halle trifft auf ein gellendes Pfeif-Konzert und laute Buh-Rufe. Dass ausgerechnet diese Hardcore-Fans blutiger Faust- und Fußkämpfe gerade ihn, den bekennenden Kampfsportler, so ungnädig empfangen würden. Sichtlich betroffen sei Putin gewesen, bestätigen später unmittelbare Augenzeugen. Allerdings: Er habe sich dann rasch wieder in den Griff bekommen. Die Pfiffe und Buhs hätten ja eigentlich dem Unterlegenen, einem US-Boxer gegolten, lassen die Veranstalter später erklären. Dennoch: Für Putin, für "Geeintes Russland", die sogenannte Putin-Partei, oft auch "Partei der Macht" genannt, für die derzeit stärkste Fraktion im Parlament, ist dieser Vorfall eine veritable PR-Schlappe im Endspurt des Duma-Wahlkampfs.

    Denn: Der staatlich kontrollierte russische Fernsehkanal "Rossija-Dva" hat die Veranstaltung schließlich in Echtzeit, live, übertragen - Putin-Auftritt inklusive. Herausschneiden lässt sich so etwas dabei dann nicht. Nun also ist gewissermaßen dokumentiert: Die monatelang andauernde Dauerpräsenz Putins auf allen wichtigen Fernsehkanälen im Verbund oder ohne den noch amtierenden Staatspräsidenten, inzwischen aber designierten Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedjew, geht vielen Menschen in Russland inzwischen offenbar gehörig auf die Nerven, wie Umfragen unabhängiger Meinungsforscher herausgefunden haben wollen. Dies schlägt sich auch in den sogenannten "Sonntagsfragen" nieder: Welche Parteien haben die Nase vorn in der Wählergunst, so kurz vor dem Urnengang am 4. Dezember, am kommenden Sonntag? Mariana Maksimovskaja, Moderatorin des populären, weil vergleichsweise immer noch frechen Wochenrückblicks "Nedelja" im Sender REN-TW, lässt eine entsprechende Umfrage des "Fonds für gesellschaftliche Meinung" als fiktives Autorennen bebildern, als einen Comic-Film mit dem Titel "Formel 11":

    "Geeintes Russland" liegt vorn. Aber zum ersten Mal liegen seine Werte unter 40 Prozent. Drei Prozent Verlust im Vergleich zur Vorwoche. Ein alarmierendes Symptom. Die Konkurrenten dagegen legen zu. Die Kommunisten sind weiter auf Platz zwei, mit über 13 Prozent. Platz drei halten die sogenannten Liberaldemokraten von Wladimir Zhirinovskij. Sie haben dazugewonnen, bekämen fast 13 Prozent. Auch das linkskonservative 'Gerechte Russland' legt zu, auf jetzt sechs Prozent. - Bei den Außenseitern dagegen gibt es wenig Änderungen. Für Grigorij Jawlinskijs sozial-liberale 'Jabloko'-Partei sind es weiterhin eineinhalb Prozent. Für die Partei "Rechte Sache": 0,4 Prozent."

    1,3 Prozent, so zitiert Maksimovskaja weiter, wollen ihre Stimmzettel vernichten. Überhaupt nicht zur Wahl zu gehen, beabsichtigten rund 13 Prozent. Dieser Anteil sinke aber offenbar. Unentschlossen, ob und für wen sie abstimmen werden, seien wenige Tage vor der Wahl noch etwa 14 Prozent. Behalten die Meinungsforscher Recht, dann bedeutete dies für die Putin-Partei "Geeintes Russland" den Verlust der verfassungsändernden Mehrheit in der Duma, dem russischen Unterhaus. Ein herber Prestigeschaden wäre das nicht nur für Putin, den paradoxerweise parteilosen Parteiführer von "Geeintes Russland", sondern auch für den Spitzenkandidaten der Partei, für Dmitrij Medwedjew, den designierten künftigen Regierungschef. So zumindest: Stand heute. Wladimir Shirinowskij, dem Vernehmen nach Millionen schwerer, nun schon im dritten Jahrzehnt mit nationalistischen Parolen als vermeintlicher Anwalt der kleinen Leute irrlichternder Dauer-Spitzenkandidat der LDPR, der "Liberaldemokratischen Partei Russlands", ätzt derweil genüsslich:

    "Die Bürger Russlands sind bereit am 4. Dezember in der Gesamtsumme für alle anderen Parteien als für "Geeintes Russland" zu stimmen. Deswegen hat "Geeintes Russland" keine Chance, die einst angestrebten 70 Prozent zu erreichen. Und: Wenn alles ehrlich abläuft, kriegt sie gerade mal 30 Prozent!"

    An diesem "Wenn" zweifeln allerdings sehr viele. Und deshalb sind sogar entschiedene politische Gegner Shirinowskijs außerordentlich geneigt, dessen Analyse zu teilen. Selbst, wenn Putin nach wie vor der populärste Politiker Russlands sei, den Zenit seiner Beliebtheit habe er hinter sich gelassen. Die Zustimmung zu ihm als Person falle - zwar allmählich doch kontinuierlich, denn:

    "Das meiste Pulver ist verschossen",

    resümiert die Politologin Lilja Shevcova vom Moskauer Büro der Carnegie-Stiftung. Bereits Anfang Oktober kommt sie in einem Interview mit der Wiener Zeitung "Die Presse" zu dem Schluss, dass der sogenannte "Gesellschaftsvertrag" während der ersten und zweiten Amtszeit Putins als Präsident zwischen 2000 und 2008, einer Zeit reichlich sprudelnder Erlöse aus Russlands Rohstoff- und Energieerlösen, in dieser Form nicht mehr existiere. Während der damaligen Periode habe zwischen der Macht im Kreml und einer vergleichsweise großen Schicht innerhalb der städtischen Bevölkerung Russlands eine stillschweigende Verabredung gegolten - sinngemäß zusammengefasst:

    "Wachsender Wohlstand - gegen politische Neutralität und Wohlverhalten."

    Richtig ist: Im vergangenen Jahrzehnt ist nach gängiger soziologischer Definition die Mittelschicht Russlands tatsächlich gewachsen. Das Potenzial dafür ist aber längst noch nicht ausgeschöpft, kann bei nun womöglich ausbleibender oder gar negativer wirtschaftlicher Dynamik sogar zu sozial begründeten Konflikten führen. Auch für die Zukunft, so Shevcovas Schlussfolgerung:

    "Kann die Grundlage eines Vertrages nur eine höhere Lebensqualität sein. Dafür braucht es Wirtschaftswachstum, Tarifsenkung, höhere Löhne. Aber das unterminiert das System. Klar ist: Was in Russland in den nächsten Jahren an Explosionen vor sich geht, wird sich auch auf Europa auswirken."

    Julia Latynina, Chefredakteurin der Moskauer Wochenzeitschrift "Nowoje Vremja - The New Times" - präzisiert diesen Befund und richtet dabei ihren Blick bewusst nicht nur auf die reichen Metropolen à la Moskau oder St. Petersburg:

    "Über 18 Prozent unserer Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Das heißt, sie haben weniger als umgerechnet einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Viele Menschen leben in sehr entfernten Regionen unseres Landes. Unsere Gesellschaft ist wahnsinnig atomisiert. Die Menschen sind heute sehr vereinzelt, entsolidarisiert."

    Hier, wenn auch nicht nur hier, ist dann auch jener Teil der Wählerschaft zu finden, der immer noch, genau 20 Jahre nach dem Untergang der Sowjetunion - immerhin eine ganze Generation später - für die Kommunisten stimmt. Vor allem die Rentner mit schmalem Geldbeutel, Arbeitslose und - so hätte man wohl früher formuliert - das verarmte Landproletariat, sorgen weiter zuverlässig dafür, dass die KPRF mit ihrem schier ewigen Parteichef Gennadij Sjuganov traditionell die zweitstärkste Duma-Fraktion stellt. Die einst gern angeführte Hypothese, den Kommunisten stürbe irgendwann ihr sowjetisch sozialisiertes Wählerpotenzial allein aus Altergründen weg, hat sich bislang jedenfalls nicht bestätigt. Vielmehr werden wie zum Beispiel hier im fernöstlichen Chabarowsk unweit der chinesischen Grenze - doch auch anderswo im russischen Riesenreich - längst wieder Jugendliche in die kommunistische Nachwuchsorganisation aufgenommen. Konkreter Anlass diesmal: Der Jahrestag der sogenannten "Oktober-Revolution" am 7. November, den die russischen Kommunisten, ob alt, ob jung, im ganzen Land stets demonstrativ feiern, so wie dieser etwa 12-Jährige, der sich gerade sein neues, knallrotes Pionier-Halstuch festknotet:

    "Ich bin der Sowjetunion und der Partei sehr dankbar, dass wir dank ihrer Hilfe heute nicht Sklaven der Faschisten sind. Ich bin meinen Ur-Großvätern dankbar, die in der Zweiten Belarussischen Front gekämpft haben, Sachalin und die Koreaner von den Japanern befreit haben."

    Ja, bestätigt Lev Gudkov, eine Art Heimweh nach der Sowjetunion sei weiterhin spürbar. Sie sei innerhalb der Bevölkerung sogar ziemlich weit verbreitet, liege bei etwa 55 bis 60 Prozent, sagt der Direktor des renommierten unabhängigen Moskauer Meinungsforschungsinstituts "Levada-Centr", um dann aber einzuschränken:

    "Gleichzeit verstehen aber ebenso viele Menschen, dass eine Rückkehr in die Sowjetzeit ganz einfach nicht mehr möglich ist. Das sind eben in diffuse Richtungen ausstrahlende Stimmungen. Doch als Basis für irgendeine Art "nationaler oder politischer Mobilisierung" sind sie nicht geeignet. – "Ja, klar" - so denken viele – "Russland muss im postsowjetischen Raum die entscheidende Rolle spielen!" - Dergleichen wärmt sicherlich die Seele des russischen Spießers. Aber vor allem die Ukraine wird damit keinesfalls einverstanden sein, ebenso wenig wie der Süd-Kaukasus, der sich ja schon längst abgetrennt hat oder die baltischen Republiken. Auch Zentralasien ist ja schon weg. Und selbst mit Weißrussland gibt's doch Probleme."

    Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit werden regierungsamtlich offiziell zwar verurteilt, indirekt aber kommt die Führung in Moskau diesen zunehmend auch unter jungen Russen populären Einstellungen ganz offensichtlich entgegen. Vor dem Hintergrund des aktuellen Wahlkampfs sei jedoch besonders bemerkenswert, meinte jüngst im Radiosender "Echo Moskvy" der Publizist Nikolaj Svanidze:

    "Zhirinovskijs LDPR und die Kommunisten reißen sich das Nationalismusthema jetzt buchstäblich gegenseitig aus den Händen. Zhirinovskijs Wahlplakate verkünden: "Wir sind für die Russen!" Der Kommunist Sjuganov schlägt vor, den "5. Punkt" im russischen Personalausweis wieder einzuführen - so wie zu Sowjetzeiten, damit dort die Volkszugehörigkeit ersichtlich war: Russe, Ukrainer, Deutscher, Tschetschene, Jude. Geniale Idee, das - so kurz vor den Wahlen! Das kommt so "zivilisiert" daher, so als "weicher" Nationalismus: "Na, wir rufen doch nicht zu Pogromen auf!" - "Wir sind für die Russen! - Na, ich bitte Sie! Wer ist denn gegen Russen?!" So etwas soll nur die Aufmerksamkeit der Menschen weglenken von denjenigen, die "Sieg, Heil"-Gesten zeigen. Kurz: Irgendwo "oben" hat man Sjuganov und Zhirinovskij deshalb erlaubt, das Thema 'Nationalismus' zu instrumentalisieren."

    Ähnlich im Ansatz allerdings noch pointierter in Analyse und Schlussfolgerung, fällt das Urteil von Grigorij Javlinskij aus, Spitzenkandidat von "Jabloko", einer sich als sozial-liberal und bürgerlich-demokratisch verstehenden Partei, deren reformerische Wurzeln tatsächlich noch in der Jelzin-Ära der 90er-Jahre liegen. Javlinskij und seine Mannschaft hoffen darauf, die Sieben-Prozent-Hürde überwinden und nach langen Jahren der außerparlamentarischen Opposition jetzt wieder in Fraktionsstärke in die neue Duma einziehen zu können. Immerhin: Sie haben es - anders als viele ihrer Mitbewerber - geschafft, von den Behörden überhaupt registriert und zur Parlamentswahl zugelassen zu werden. Für Javlinskij sind Putins "Geeintes Russland" sowie die sogenannte "System-Opposition", also Zhirinovskijs LDPR, die im Zweifelsfall bisher stets mit der Putin-Partei gestimmt hat, ebenso wie die Kommunisten ganz einfach "Fleisch vom selben Fleisch":

    "Die Kommunisten und Zhirinovskij liefern mit ihrem Wesenskern die Ideologievorlage für "Geeintes Russland". "Geeintes Russland" ist die Partei des "Business" und der staatlichen Funktionäre, der Beamten. Eine originäre, eigene Ideologie hat sie nicht! Die Ideologien der Kommunisten und Zhirinovskijs füllt das Ideologie-Vakuum von "Geeintes Russland" auf, das in programmatischer Hinsicht ständig zwischen diesen beiden hin und her oszilliert."

    Dennoch ist im "Land der Verschwörungstheorien", wie Russland nicht selten genannt wird, auch Javlinskij gegenüber ein latentes, leichtes Misstrauen zu spüren. Bei aller unbestrittenen Klugheit hat er mit dem nicht unverdienten Ruf zu kämpfen, primadonnenhaft und egozentrisch zu sein. Vor allem aber gilt er vielen als ein "Mann von gestern", als prominente Figur der weithin negativ und chaotisch empfundenen Jelzin-Jahre in den 90ern des vergangenen Jahrhunderts. Immerhin: Man hat ihm und seiner Partei erlaubt, an den Wahlen teilzunehmen. Anders als anderen außerparlamentarischen Oppositionellen wie etwa Boris Nemcov oder Vladimir Ryshkov und deren Anhängern.

    "Mein Name ist Grigorij Jawlinskij. Zu all dem, wie heute schon das ganze Land über die Macht redet, brauche ich nichts mehr hinzufügen. Aber wenn Sie jetzt Ihre Stimme für eine helle kommunistische Zukunft abgeben möchten, werden die Folgen daraus sehr schwerwiegend sein. Russland hat nur einen Weg: Hin zu einem modernen, demokratischen Staat! Schließen Sie sich mit 'Jabloko' zusammen! Gemeinsam werden wir es schaffen, das Land auf diesen Weg zu führen. Noch einmal fünf Jahre ohne Ziel und Sinn zu leben, das ist unmöglich!"

    Einstweilen jedoch wirken wieder einmal die sogenannten "Admin-Ressourcen". Sinngemäß übersetzt bedeutet das: Die Staatsbürokratie auf Föderations-, Landes-, Regional- und Lokal-Ebene ist längst fest unter der Kontrolle der "Partei der Macht", sprich: "Geeintes Russland". Auch die entscheidenden Positionen in Armee, Sicherheitsbehörden, Hochschulen, Medien, im Kulturbetrieb und in anderen gesellschaftlichen Bereichen besetzen Personen, die direkt oder indirekt von "Geeintes Russland" abhängig sind. Oder - netter formuliert: ihm gegenüber loyal sind. Von ihnen erwartet die Moskauer Machtspitze, dass nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend die angepeilte Stimmenzahl stimmt, dass sie idealerweise zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Mandate in der neuen Duma reicht. Neu im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren ist allerdings, dass im Internet zunehmend Mitschnitte kursieren, die Stimmenkauf beweisen sollen, wie etwa kürzlich dieser auf einem Handy mitgefilmte angebliche Auftritt eines Lokalfunktionärs vor örtlichen Geschäftsleuten:

    "Mindestens 50 Prozent Stimmen für 'Geeintes Russland' muss es hier bei Euch geben. Strengt Euch an. 65 Prozent, das wäre natürlich erstklassig. Dann gibt's mehr Geld. Sonst könnt Ihr auch vergessen, hier ans Gasnetz angeschlossen zu werden."

    Schallendes Gelächter der Versammelten im Bezirk "Sokolina Gora". Man hat verstanden und wird wohl entsprechend auf seine Mitarbeiter einwirken, den Druck nach unten weitergeben. Ein Beispiel von vielen. Der Moskauer Wirtschaftswissenschaftler Sergej Aleksaschenko zieht den insgesamt deprimierenden Schluss:

    "Mir scheint, hier wächst in der Gesellschaft etwas ganz schnell und stark heran. Noch nicht einmal so sehr eine Proteststimmung, sondern ein Misstrauen der Macht gegenüber, der Partei unseres "politischen Tandems Putin/Medwedjew". Die Mehrheit der Sitze in der Duma zu verlieren, das wäre für die beiden ganz einfach eine Niederlage. Deswegen werden sie und ihre Leute bis zuletzt dagegen ankämpfen, nach der Devise: "Kriegst Du keine 58 Prozent zusammen, fliegst du von deinem Posten, deinem Arbeitsplatz!" An dieses Szenario denken sie jetzt alle: "Wie können wir uns unsere Macht sichern?!" Das fängt ganz oben an und endet in so einer "Sokolina Gora"."


    ""Der herrschende Clan aus St. Petersburg ist wie eine Herde Gleichgesinnter, die unerwartet an die Macht gekommen sind, und diese bis auf's Blut verteidigen werden","

    hat ihrerseits schon vor knapp zwei Monaten die Politologin Lilja Shevcova im Interview mit der Wiener "Presse" die inzwischen statisch erscheinende Machtkonstellation in Russland umrissen.
    Unabhängige Meinungsumfragen legen tatsächlich nahe, dass seit dem Frühherbst viele Menschen in Russland Putins und Medwedews - laut deren eigener Aussage schon längst geplanten - Alleingang als Bevormundung, Respektlosigkeit und Missachtung empfunden haben. Allein deshalb ist für diese Dumawahlen der Begriff "Generalprobe" durchaus angebracht - für den eigentlich die weitere Entwicklung Russlands entscheidenden Urnengang am 4. März, die Präsidentschaftswahlen. An diesem Sonntag werden wichtige Weichen dafür gestellt, die - geht es nach Wladimir Putin - seine nächste Präsidentschaft untermauern sollen. Eine Präsidentschaft, die dann - theoretisch, aber völlig verfassungskonform - sogar bis zum Jahr 2024 dauern könnte. Dieser Wahlsonntag wird den Mächtigen im Land Aufschluss darüber geben, wie belastbar die Korsettstangen der von ihnen errichteten Strukturen tatsächlich sind. Ob dies die Öffentlichkeit dann aber auch in vollem Umfang erfahren darf und ob die russische Führung daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen bereit und imstande ist, das bleiben Fragen, die heute zuverlässig noch nicht zu beantworten sind.