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Daumenschrauben für die FIFA

Nach den Korruptionsskandalen um die FIFA reagiert jetzt auch die Politik in der Schweiz. Das ist bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass die Schweiz seit vielen Jahren Geschäftszentrum der olympischen Welt ist.

Von Jens Weinreich | 16.01.2011
    Der Sportmanager Roland Büchel kennt alle Seiten des Geschäfts. Er hat einst für den Schweizer Skiverband gearbeitet. Er war für die FIFA und deren ehemalige Marketingagentur ISL tätig und hat, zum Beispiel, Nachwuchsweltmeisterschaften organisiert. Heute sitzt Büchel für die Schweizerische Volkspartei (SVP) im Nationalrat. Der Kampf gegen Korruption im Sport ist eines seiner Themen. Büchel hat am 2. Dezember, am Tag als die kommenden Fußball-Weltmeisterschaften von der FIFA unter skandalösen Umständen an Russland und Katar vergeben wurden, eine Antikorruptions-Motion eingereicht. Seine Initiative wird von Abgeordneten aller Fraktionen des Nationalrats unterstützt:

    "In der Schweizer Politik läuft jetzt einiges. Der Bundesrat, das ist unsere Regierung, hat jetzt den Auftrag erhalten vom Parlament, bis Ende des Jahres aufzulisten, was in den Verbänden nicht gut gelaufen ist, zu zeigen, was die Verbände gemacht haben, und wenn es nötig ist, dann müssen auch die neuen Gesetze bis Ende des Jahres vorgeschlagen werden im Parlament."

    Sportminister Ueli Maurer hat sich klar dazu bekannt. Es geht um Korruption, Geldwäsche und anderes. Das Bundesamt für Sport arbeitet an einer Analyse, wird dazu unabhängige Experten hören - nicht nur die betroffenen Sportverbände -, und parallel werden Gesetzesnovellen vorbereitet. Nie zuvor standen die Sportkonzerne derart unter Druck. In FIFA, IOC, UEFA und rund dreißig weiteren großen Verbänden, die die Standortvorteile der Schweiz genießen, schrillen die Alarmglocken.

    FIFA-Präsident Blatter attackiert öffentlich nicht nur Journalisten, sondern auch Roland Büchel. Der sagt:

    "Wenn die Sportverbände das nicht machen, was von ihnen verlangt wird, ob das jetzt übers Gesetz kommt oder freiwillig, dann wird der Druck im Parlament größer. Weil, es ist nicht in Stein gemeißelt, dass die großen Sportverbände wie IOC, UEFA, FIFA keine Steuern zahlen. So sind das etwa 500-600 Millionen, je nach Berechnung, die dem Staat in jedem Jahr verloren gehen. Die sind befreit, das muss nicht immer so bleiben. Ich habe sehr viele Leute gehört, die im Parlament einst zugestimmt haben, bevor ich dort war. Damals wussten sie natürlich nicht, was die FIFA für unsaubere Geschäfte führt. Jetzt weiß man das."

    Momentan sieht es nach einer parteiübergreifenden Mehrheit für Gesetzesänderungen aus. Die Sozialdemokratin Anita Thanei zum Beispiel ist Chefin der Rechtskommission im Schweizer Parlament - und wird in dieser Eigenschaft bald verantwortlich sein für das Thema. Sie hat im Dezember eine Initiative im Nationalrat eingereicht, wonach das Strafgesetzbuch geändert werden soll: Sportverbände müssen den endlich den internationalen Organisationen gleichgestellt werden.

    "Das heißt, dass Korruption von Amtes wegen strafrechtlich verfolgt wird.
    Die privaten Organisationen, das sind ja die Fußball-Dachverbände und all die anderen Sportverbände, die haben eine Monopolstellung. Korruption muss auf allen Ebenen bekämpft werden."

    Schluss mit der Straffreiheit für korrupte FIFA-Funktionäre, "die Schmiergelder in Millionenhöhe erhalten haben", sagt Frau Thanei: Die Schweiz dürfe nicht Insel für dubiose Geschäfte bleiben. Da liegt sie ganz auf der Linie Büchels. Doch dessen Ansatz reicht weiter. Denn Büchel will Korruption auch rückwirkend aufarbeiten. Er will beispielsweise die Namen aller Schmiergeldempfänger im bislang größten Bestechungsskandal der Sportgeschichte wissen: Im ISL-Skandal geht es um mehr als 140 Millionen Franken für korrupte Sportfunktionäre in FIFA, IOC und anderen Verbänden.
    Die FIFA versucht seit Jahren die Namen geheim zu halten und hat sogar schon 5,5 Millionen Schweigegeld an die Staatskasse gezahlt.

    Büchel fordert:

    "Die Sachen müssen jetzt auf den Tisch. Nehmen wir die FIFA, da wurden weit über 100 Millionen Euro geschmiert. Und die Namen in neun von zehn Fällen sind noch nicht bekannt. Die müssen jetzt auf den Tisch. Da hat die FIFA jetzt die Wahl. Die müssen das präsentieren. Wenn sie das nicht tun, dann wird der Staat Maßnahmen treffen müssen. Denn so wie es jetzt rauskommt, können die Verbände ein Reputationsrisiko für das Land Schweiz sein."

    In den vergangenen Jahren haben sich immer mal Schweizer Politiker kritisch zum Treiben der Sportkonzerne geäußert. Doch wenn es um Konsequenzen ging, fielen die meisten um. Ließen sich von Lobbyisten besänftigen und von Sportpräsidenten mit allerlei Verlockungen an ihrer Eitelkeit packen. Auch diesmal?

    "Diese Angst habe ich nicht. Ich glaube, Käuflichkeit, wie sie bei Sportfunktionären vorhanden ist, ist bei den Schweizer Politikern nicht da. Dass man dann etwas ein bisschen ruhen lässt, etwa vor Wahlen, das ist in der Politik immer der Fall. Doch meine Angst ist nicht so groß. Weil vor allem der Sportminister, der ist jetzt wirklich dran. Der hat auch ohne Auftrag schon einiges erledigt."

    Bislang hält Sportminister Ueli Maurer Kurs und lässt sich nicht beeinflussen. Doch Ironie der Geschichte: Der SVP-Politiker muss nun ausbaden, was sein Vorgänger und Parteifreund Samuel Schmid mit angerichtet hat. Schmid sagte stets, er sei "stolz auf die FIFA" und andere Sportverbände, und hat zuletzt erneut eine Steuerbefreiung durchgesetzt.

    Quasi als Belohnung hält Schmid bis heute ein Ehrenamt - ausgerechnet als Mitglied der IOC-Ethikkommission.