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"David Cameron ist nicht der allein Bestimmende"

Die EU will ihren Haushalt erhöhen, Großbritannien stellt sich quer: Das Parlament verbietet de facto Premier David Cameron die Zustimmung. CSU-Haushaltspolitikerin Monika Hohlmeier wirft den Briten fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit vor - und verlangt ein Ende der "Rosinenpickerei".

Das Gespräch führte Christine Heuer | 02.11.2012
    Christine Heuer: Besonders schwer hat es in diesen Tagen der britische Premier David Cameron. Beim EU-Gipfel in drei Wochen will er eigentlich darauf drängen, dass der europäische Haushalt bis 2020 faktisch eingefroren wird. Das reicht seiner Partei nun aber nicht mehr aus; gemeinsam mit Labour stimmten viele Konservative vorgestern im Unterhaus gegen den eigenen Regierungschef. Sie wollen ihn zwingen, in Brüssel eine reale Kürzung des Haushaltsplans durchzusetzen, und diesen Plan dafür nötigenfalls auch ganz zu stoppen. In Europa kommt das nicht gut an, wie man sich denken kann. Reißt der EU der Geduldsfaden mit den Briten?
    Am Telefon ist Monika Hohlmeier, CSU-Politikerin im Europäischen Parlament und dort Mitglied im Haushaltsausschuss. Guten Tag, Frau Hohlmeier.

    Monika Hohlmeier: Guten Tag!

    Heuer: Haben Sie allmählich die Nase voll von den Briten?

    Hohlmeier: Es ist zumindest die Zusammenarbeit derzeit ziemlich schwierig. Wir haben viel Kontakt zu den englischen Kollegen, wobei es schon sehr unterschiedlich ist. Es gibt Kollegen von den Tories, also von der Cameron-Partei, die sehr, sehr aufgeschlossen sind und auch intensiv mitarbeiten und sehr konstruktiv sind. Es gibt aber auch diese extrem britisch-konservative Seite, die fast jede Form der Zusammenarbeit am liebsten verweigern würde. Auf Seiten der Labour ist das wiederum etwas anders. Auf alle Fälle ein Problem existiert: Die Rosinenpickerei, nach der die Briten überall mitreden wollen, überall dominieren wollen, aber selbst sich möglichst in nichts einbinden lassen, die stößt auf immer mehr Kritik, und zwar das Ganze auch zurecht. Denn in England ist ein Teil der Wirtschafts- und Finanzkrise in einem erheblichen Ausmaß entstanden, und vielleicht täte da auch einmal ein bisschen Zurückhaltung beziehungsweise eine grundlegende Bereitschaft zur Zusammenarbeit ganz gut.

    Heuer: Das sind deutliche Worte, Frau Hohlmeier. Noch ein bisschen deutlicher ist Haushaltskommissar Janusz Lewandowski geworden. Er hat den Briten geradezu ein Ultimatum gestellt und gesagt, Großbritannien müsse sich jetzt entscheiden, wohin es langfristig gehören will, rein oder raus aus der Europäischen Union. Sollen die Briten gehen?

    Hohlmeier: Ich halte nichts davon, wenn die Briten gehen. Ich halte sehr viel davon, wenn die Briten dabei bleiben. Aber trotzdem kann die Rosinenpickerei nicht angehen und der Kommissar hat recht, wenn er sagt, sie müssen sich irgendwann entscheiden. Man kann beispielsweise nicht bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht mitarbeiten wollen, sich aber sämtlicher Datenbanken aller europäischer Mitgliedsstaaten bedienen wollen und selbst wiederum wenig Informationen liefern wollen. Das kann schlicht und einfach nicht funktionieren. Die Europäische Union beruht auf Gegenseitigkeit, das heißt auf die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen, und ich glaube, dass schwerpunktmäßig das Thema Finanzmärkte im Hintergrund steckt, dass nun einmal David Cameron sehr stark nach wie vor auf die City of London setzt, weil es in England den großen Fehler gegeben hat, nicht mehr auf produzierende Wirtschaft zu setzen, und somit das Haushaltsdefizit eklatant ist. Aber an den Finanzmärkten muss ordnungsgemäß reguliert werden, und dieser Regulierung möchten sich die Briten gerne widersetzen und sind letztendlich innerhalb der Europäischen Union unterlegen, und das liegt ihnen, glaube ich, ziemlich schwer im Magen.

    Heuer: Und jetzt geht es aber um die Haushaltsberatungen. Den Plan, wie er jetzt ist, den kann sich die Kommission eigentlich schon mal abschminken, weil Cameron mit einer Erhöhung des Haushalts ja nicht nach Hause kommen kann. Wie finden Sie das?

    Hohlmeier: Gut. Dass man vernünftig finanziell planen muss und dass man auch Dinge der Vergangenheit wie zum Beispiel Kohäsionspolitik dort, wo sie nicht funktioniert hat, das heißt Infrastrukturmaßnahmen, die nicht geklappt haben, oder die Ziele, dass man nachhaltige, erfolgreiche wirtschaftliche Strukturen begründet, das hat nicht überall funktioniert, sondern es gab auch erhebliche Probleme. Bekanntermaßen in Griechenland, in Rumänien, in Bulgarien ist das alles nach wie vor noch nicht so einfach, und auch Länder wie Portugal und Spanien haben zum Teil sehr einseitige wirtschaftliche Entwicklungen zu verzeichnen. Aus dem Grund wird man aber nicht einfach sagen können, dass man den Haushalt zurückschneiden möchte. Man kann nicht vonseiten der Mitgliedsstaaten viele Aufgaben übertragen und im selben Atemzug dann die Finanzierung nicht überdenken.

    Heuer: Aber ist denn ein Kompromiss jetzt möglich beim Gipfel?

    Hohlmeier: Ob ein Kompromiss möglich ist, das kann ich von jetzt aus nicht sagen, weil letztendlich hängt das mit an David Cameron. Es hängt aber auch mit an der anderen Seite, denn David Cameron ist nicht der allein Bestimmende. Es sind hier 27 beziehungsweise 28 Mitgliedsstaaten, die mitreden, und da braucht sich nicht ein einziger einbilden, dass ein Staat allein das Sagen hat. Man muss die Dinge vernünftig anpacken. Nur man kann nicht zig Aufgaben sich auferlegen, um dann anschließend die Finanzierung nicht wahrzunehmen, und jeder weiß, dass wir für Wirtschaftswachstum auch eine gewisse Finanzierung brauchen. Die Bundeskanzlerin hat ja klipp und klar gesagt, für den Aufbau von Unternehmen, den Aufbau von Arbeitsplätzen, da muss man gerne bereit sein zu helfen, denn am Ende bringt das wirtschaftlich viel Geld auch von den Staaten, die bis jetzt Unterstützung brauchen.

    Heuer: Frau Hohlmeier, ich höre da heraus, Sie glauben doch noch, dass Cameron, dass die Briten sich bewegen, und ich bitte da um eine sehr kurze Antwort?

    Hohlmeier: Ich weiß nicht, ob er sich bewegen kann. Ich habe momentan sicherlich etwas Zweifel daran. Es wird von seiner eigenen politischen Kunst abhängen und davon, ob seine eigene Partei ihn dann noch trägt. Die Frage wird am Ende sein, ob David Cameron diese politischen Verhandlungen tatsächlich in dieser Obstruktion selbst als Premier überstehen kann.

    Heuer: Monika Hohlmeier, CSU-Politikerin im Europäischen Parlament – ich bedanke mich sehr für das Gespräch.

    Hohlmeier: Ich bedanke mich auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.