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David Good und seine Yanomami-Herkunft
Die Mutter, die aus dem Dschungel kam

Als Kind wollte es der Amerikaner David Good nicht wahr haben, dass seine Mutter eine nackte, Spinnen und Affen essende Frau im Dschungel ist. Sie ist Angehörige der Yanomami. Doch 20 Jahre, nachdem sie sich von der in den USA lebenden Familie getrennt hat, machte er sich im Amazonas-Regenwald auf die Suche nach ihr. Was er fand, war auch seine eigene Identität.

Von Thomas Reintjes | 19.05.2016
    Im Amazonas-Regenwald lebende Yanomami-Familie, aufgenommen im Frühjahr 2011
    Im Amazonas-Regenwald lebende Yanomami-Familie, aufgenommen im Frühjahr 2011 (Imago / UIG)
    David Goods Mutter hatte ihr ganzes Leben nichts als Dschungel gesehen. Sie muss gedacht haben, die ganze Welt sei ein Urwald und ihr amerikanischer Mann komme aus einem anderen Urwalddorf. Der Umzug in die USA muss sie geschockt haben. Das Leben in New Jersey deprimierte sie. Bei einem Heimatbesuch beschließt Davids Mutter, im Amazonas zu bleiben. David und seine Geschwister reisen mit dem Vater alleine zurück in die USA.
    "Ich habe keine genaue Erinnerung an den Moment, in dem ich Mom zum letzten Mal gesehen habe. Aber ich weiß noch, wie wir zusammen im Dschungel waren, als ich fünf war."
    Als ihm zurück in den USA klar wird, Mom kommt nicht zurück, fühlt er sich verlassen und verstoßen. Als sei er nicht gut genug, um ihr Sohn zu sein.
    "Und deshalb habe ich sie auch verstoßen. Sie war für mich gestorben."
    Aufgrund von Schamgefühl verleugnet er seine Herkunft
    "Die Sache war nur: Obwohl ich sie so sehr hasste, hat sie mir schrecklich gefehlt."
    Hinzu kommt ein noch ein Schamgefühl, das ihn dazu bringt, seine Herkunft zu verleugnen.
    "Meine Mutter, die nackte Frau, die Spinnen und Affen ist. Als Kind war mir das so peinlich!"
    Seine starken und widersprüchlichen Gefühle zerreißen den Teenager beinahe. Er ist deprimiert, trinkt und denkt irgendwann über Selbstmord nach.
    "Aber ich wollte nicht noch tiefer in den Abgrund stürzen. Und dann habe ich Daisy getroffen. Daisy Willis, eine Freundin, die ich im College kennengelernt habe. Sie hat dafür gesorgt, dass ich mich zum ersten Mal wohlgefühlt habe in meiner Haut. Der Heilungsprozess begann. Ich fing an stolz darauf zu sein, dass ich Yanomami bin. Und ich habe Mom vergeben. Und sobald ich ihr vergeben hatte - ich weiß es noch - alles was ich wollte, alles woran ich denken konnte, Tag und Nacht, war: Wie kann ich Mom wieder finden? Wie kann ich sie wieder sehen?"
    "Ich bin zu Hause"
    Es ist nicht einfach, aber es gelingt ihm, seine Mutter im Amazonas-Regenwald ausfindig zu machen. Zwei Jahre, nachdem er beschlossen hatte, sie zu finden, und 20 Jahre, nachdem er seine Mutter zum letzten Mal gesehen hat, hängt David Good seine Hängematte in dem Dorf auf, in dem er seine Mutter treffen soll. Hier lebt die Yanomami-Seite seiner Familie.
    "Dann der große Moment. Mom kam ins Dorf. Ich erkannte sie sofort. Wollte auf sie zu rennen und sie umarmen. Aber die Yanomami kennen keine Umarmungen. Wir gingen aufeinander zu und es war irgendwie unangenehm. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und sagte: Mom, ich bin's, David. Ich bin zu Hause."