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DDR-Zwangsarbeiter
Ausbeutung nach Plan

Politische Häftlinge in der DDR wurden zu besonders harten oder monotonen Arbeiten heran gezogen, die außerhalb der Gefängnismauern niemand machen wollte. Rund 600 DDR-Betriebe ließen von den Haftanstalten die Schmutzarbeit erledigen. Auch westdeutsche Unternehmen profitierten davon. Die meisten Opfer warten bis heute auf eine Entschädigung.

Von Isabell Fannrich-Lautenschläger | 15.06.2014
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    Weibliche Häftlinge im Frauengefängnis Stollberg - Hoheneck bei der Zwangsarbeit in einer Näherei, aufgenommen im Dezember 1989. (picture alliance / ZB)
    Gernot Preuss, 79 Jahre alt, Rechtsanwalt, sucht seine frühere Haftanstalt in Neustrelitz auf, gut 100 Kilometer nördlich von Berlin. Heute stehen die Gebäude leer, und Gras überwuchert den weitläufigen Hof.
    "Hier waren Einzel-, also kleinere Zellen. Oh, wir kommen da direkt hin. Ja, das war meine Zelle."
    Der Hausmeister, der die Gebäude aufschließt, möchte anonym bleiben. Er habe als Kind in der Nähe des Gefängnisses gewohnt, erzählt er. Jeder habe damals gewusst, dass die Häftlinge für die Reichsbahn Gleise und Bahnschwellen bauen mussten.
    Hausmeister: "Die haben doch in Fürstenberg gearbeitet, ne?"
    Preuss: "Zunächst haben wir alles von Hand, diese Strecke aufgebaut, was eine wahnsinnig harte körperliche Arbeit war. Und dann war in Fürstenberg ein sogenannter Jochplatz, da hat man so 25-Meter-Gleisstücke vorgefertigt und die wurden dann verlegt."
    Hausmeister: "Abends um sechs wurden sie wieder zurückgebracht."
    Preuss: "Wir haben zehn Tage zehn Stunden gearbeitet."
    Zwei Jahre und drei Monate saß Gernot Preuss im Gefängnis, nachdem er im April 1962 als Fluchthelfer verhaftet worden war. Neun Monate lang musste er mit anderen politischen Häftlingen und kriminellen Gefangenen für die DDR-Reichsbahn an der Zugstrecke Berlin-Rostock arbeiten - per Hand.
    Nach Tarif bezahlt
    Von Zwangsarbeit möchte Gernot Preuss dennoch nicht sprechen. Er sei froh gewesen, arbeiten zu dürfen, statt in einer Zelle eingesperrt zu sein, sagt er. Die Reichsbahn habe damals nach Tarif bezahlt, die Haftanstalt zog einen Großteil für Unterkunft, Verpflegung und Kleidung wieder ab. Scharfe Kritik übt der aktive Jurist allerdings an den Arbeitsbedingungen.
    "Aber was man eben sagen muss, dass wir Häftlinge natürlich für die schwersten Arbeiten eingesetzt wurden und für die dreckigsten und dazu gehörte natürlich der Umgang mit Teer. Das galt übrigens nicht nur für die Holzschwellen, die ich zum Teil auch noch bearbeitet habe. Und da gab es keinerlei Schutzmittel."
    Die "Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft" (UOKG) will am Montag in Berlin vehement darauf drängen, politische Häftlinge, die in DDR-Gefängnissen Zwangsarbeit leisten mussten, zu entschädigen. Der Opferverband stützt sich dabei auf ein eigenes, soeben beendetes Forschungsprojekt.
    Rainer Wagner, der UOKG-Bundesvorsitzende, möchte einen Teil jener Firmen anschreiben, die von der Häftlingsarbeit profitiert haben, darunter die Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin von DDR-Reichsbahn und Bundesbahn. Ziel sei ein Runder Tisch noch in diesem Jahr.
    "Wir werden in jedem Fall auf die großen westdeutschen Versandhäuser zugehen, die im weitesten Sinne fast alle dort mitgearbeitet haben. Aber uns ist auch bekannt, dass wohl C&A und ähnliche Firmen da mit drin involviert waren, das sind westliche Firmen. Und dann die Nachfolgeunternehmen der großen DDR-Kombinate, bis Braunkohle-Kombinate, in denen wirklich unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit durchgeführt wurde, die heute zu den großen Energieversorgern in Deutschland gehören."
    Ikea bittet um Entschuldigung
    Dass politische Häftlinge - ebenso wie kriminelle - in den Gefängnissen und Arbeitslagern der DDR, aber auch in speziellen Arbeitseinsatzkommandos in den Betrieben selbst unter härtesten Bedingungen arbeiten mussten, ist seit 2012 mehr und mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Damals gab das schwedische Möbelhaus Ikea zu, davon gewusst zu haben, dass Teile seiner Möbel und Lampen von DDR-Häftlingen gefertigt worden sind - und entschuldigte sich dafür.
    Neue Forschungen liefern zusätzlichen Zündstoff. Im März hat Tobias Wunschik von der Stasi-Unterlagenbehörde ein viel beachtetes Buch vorgelegt: "Knastware für den Klassenfeind" beleuchtet insbesondere den Ost-West-Handel mit DDR-Häftlingsware. Am Montag stellt der Politikwissenschaftler Christian Sachse zusammen mit der UOKG seine Forschungsergebnisse über "Das System Zwangsarbeit in der SED-Diktatur" vor.
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    Christian Sachse, Autor des Forschungsberichtes "Zwangsarbeit in der DDR" (picture alliance / dpa)
    Sachse hat akribisch recherchiert, dass die von DDR-Häftlingen erzwungenen Arbeiten alles andere als Einzelfälle waren. Bereits ab 1951 richtete die SED Strafanstalten und Haftarbeitslager systematisch in der Nähe von Betrieben ein. Wollte sie die Gefangenen zunächst nach sowjetischem Vorbild durch Arbeit erziehen, rückte bald deren wirtschaftliche Ausbeutung in den Mittelpunkt. Bis zum Ende der DDR vergaben die Betriebe und Kombinate Aufträge an die Gefängnisse - und wetteiferten darum, eine möglichst hohe Zahl von Häftlingen zugeteilt zu bekommen. Christian Sachse:
    "Das begann so Anfang der 70er Jahre, dass die Zahl der Strafgefangenen geplant wurde, dass die Zahl der Strafgefangenen auf die einzelnen Ministerien aufgeschlüsselt wurde. Und dann jeder Betrieb, jedes Kombinat eine bestimmte Anzahl von Strafgefangenen erhielt. Es ist also eine aufsteigende Linie zu verzeichnen, dass dieses System immer weiter perfektioniert wurde, bis es dann in den 80er Jahren als zentrales System funktionierte."
    Insgesamt rund 800.000 Menschen saßen zur DDR-Zeit in den Haftanstalten und Arbeitserziehungslagern, ein Viertel bis ein Drittel von ihnen aus politischen Gründen. Dieser Teil der Häftlinge wurde zu besonders harten oder monotonen Arbeiten heran gezogen, die außerhalb der Gefängnismauern niemand machen wollte.
    Christian Sachse zeigt das Muster auf, nach dem die Ausbeutung der Häftlinge in den Gefängnissen ablief. Wie überall in der DDR war Arbeit auch hier Pflicht. Wer aber die im Vergleich zu "draußen" überhöhten Normen nicht erfüllte, wurde mit Geldabzug bestraft. Erst recht sanktionierten die Anstalten jene, die die Arbeit verweigerten.
    Unklar, wer Entschädigungen zahlt
    Peter Schneider, der seinen richtigen Namen hier nicht nennen möchte, wurde mit 18 Jahren bei einem Fluchtversuch verhaftet und war einer der jüngsten politischen Häftlinge in der Strafvollzugseinrichtung Brandenburg:
    "Bei der Reichsbahn in Brandenburg hatte das Unternehmen ein sogenanntes Reichsbahnausbesserungswerk, das heißt Güterwagen, teilweise auch Personenwagen, die verschrottet werden sollten, haben wir dort mit vielen anderen Häftlingen zerlegen müssen. Also es bestand da wirklich eine Zwangsarbeit, weil wenn man die Arbeit nicht angenommen hätte, wäre man zusätzlich noch mal bestraft worden dafür. Oder, wie das bei mir damals auch im August '81 passiert war, als ich die Arbeit verweigert hatte, gab es noch mal 21 Tage Einzelarrest."
    Wer eine Entschädigung für solcherlei erlittenes Unrecht finanzieren soll und wer in ihren Genuss kommen würde, sorgt für reichlich Diskussionsstoff zwischen Experten, Politikern und Betroffenen. Ist eine erneute Zahlung oder die Anerkennung von Rentenpunkten berechtigt angesichts der bereits bestehenden SED-Unrechtsbereinigungs-Gesetze? Versuchen diese doch, politische Haft und ihre gesundheitlichen sowie wirtschaftlichen Folgen mit einer einmaligen Kapitalzahlung abzugelten, durch die monatliche so genannte Opferrente oder besondere Leistungen.
    "Wenn für die Inhaftierung, für den möglichen Gesundheitsschaden aus der Haft, wenn für den möglichen Rentenschaden, der durch die Inhaftierung geschehen sein mag, bereits Leistungen im Rahmen der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze schon erbracht worden sind, dann ist die Frage: Was soll überhaupt noch entschädigt werden? Was bleibt denn unentschädigt übrig? Das wäre ja nur der einbehaltene Lohn oder die Ausbeutung selber, also die Gewinne, die damit gemacht wurden. Hier muss man sagen: Das wurde für die NS-Opfer nicht entschädigt",
    kritisiert Günter Saathoff von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Diese hat mehr als vier Milliarden Euro an fast 1,7 Millionen ehemalige NS-Zwangsarbeiter gezahlt. Die Hälfte des Stiftungsvermögens hatten deutsche Unternehmen, die andere Hälfte der Bund eingebracht. Ein Modell für den Fall DDR?
    War es Zwangsarbeit?
    Wie politisch aufgeladen das Thema ist, zeigt bereits die Debatte darüber, als was die Arbeit in den DDR-Gefängnissen bezeichnet werden soll. Manch ein Experte plädiert dafür, von erzwungener Arbeit oder Haftarbeit zu sprechen und den Begriff Zwangsarbeit nur für die Ausbeutung und Vernichtung in den Konzentrations- und Arbeitslagern der Nationalsozialisten zu verwenden.
    Dagegen spricht der Berliner Rechtsanwalt Johannes Weberling von verbotener Zwangsarbeit auch in DDR-Gefängnissen und verweist auf die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation:
    "Zwangsarbeit ist ja eine Sache, die grundsätzlich international rechtlich nicht verboten ist, die nur bestimmte Standards erfüllen muss. Eine Zwangsarbeit, die dazu da ist, Profit zu ziehen aus der Arbeitskraft des Gefangenen, ist eine verbotene Zwangsarbeit, ist
    illegal. Insbesondere hier waren es ja keine Strafgefangenen im klassischen Sinne, es waren politische Häftlinge. Bei politischen
    Häftlingen ist es so, dass sie, die Zwangsarbeit, auf jeden Fall illegal gewesen ist, weil die Haft schon illegal gewesen ist."
    Auch der Wissenschaftler Christian Sachse beruft sich auf diese Konventionen, die Zwangsarbeit mit dem Ziel der Erziehung oder des Profits verbieten und nur unter bestimmten Bedingungen erlauben:
    "Die Arbeitsbedingungen müssen so sein, dass sie denen ziviler Arbeiter absolut vergleichbar sind. Die Überhöhung von Normen, die Verweigerung von Arbeitsschutzmitteln, die fehlenden Erholungsmöglichkeiten und ähnliches führen uns dazu, dass wir sagen, das ist verbotene Zwangsarbeit gewesen. Dort sind die Möglichkeiten des Staates in einer Weise ausgeschöpft worden, dass das Individuum, das der Gefangene ja bleibt, in seinen Rechten absolut beschnitten gewesen ist."
    Viele, das decken die jüngsten Forschungen auf, haben von der Zwangsarbeit im DDR-Knast profitiert. Die Strafanstalten zogen von den Betrieben die Löhne ein, führten aber die Sozialversicherungsbeiträge nicht ab. Inwiefern sie berechtigt waren, den Großteil des Geldes einzubehalten, abhängig auch von der Arbeitsleistung des Häftlings, ist noch nicht geklärt.
    600 DDR-Firmen beschäftigten Zwangsarbeiter
    Rund 600 DDR-Betriebe ließen von den Haftanstalten die Schmutzarbeit erledigen. Und die Kombinate und Außenhandelsbetriebe der DDR erwirtschafteten im In- und Ausland Millionen mit Bettwäsche, Zement und Möbeln. Tobias Wunschik von der Stasi-Unterlagenbehörde nennt nur eines von vielen Beispielen.
    "Beim Ministerium für Elektrotechnik und -elektronik beispielsweise ist der Anteil der Haftarbeit auf 156 Millionen Valutamark, Verrechnungseinheiten, DM Mitte der 80er Jahre zu beziffern. Knapp 5.000 Gefangene waren in diesem Bereich im Einsatz. Wurde in den anderen Industriebereichen ähnlich effizient produziert, dann kommt man zu einer Zahl von mehreren 100 Millionen DM jährlich an Umsatz mit allen westlichen Abnehmern. Das sind also nicht nur große Firmen in Westeuropa, sondern weltweit."
    Rund 6.000 westliche Unternehmen haben mit der DDR Geschäfte gemacht, gesteuert über die "Treuhandstelle für Interzonenhandel", die dem damaligen Bundeswirtschaftsministerium unterstand. Sie bezogen von jenseits der Mauer billige Waren und verkauften sie mit hohem Gewinn weiter. Dass beispielsweise das Versandhaus Quelle über die Häftlingsproduktion im Bilde war, belegen Unterlagen der Staatssicherheit.
    Arnold Vaatz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU und Anfang der 80er Jahre selbst politischer Häftling, warnt jedoch davor, den Blick auf die westdeutschen Konzerne zu verengen.
    "Nee, die Konzerne, die haben vielleicht zwei Prozent von dieser Arbeitskraft abgeschöpft und von den Gewinnen gemacht. Die übrigen 98 Prozent sind DDR-intern verwurstet worden, in der DDR-Wirtschaft genutzt worden."
    Allerdings existieren die früheren volkseigenen Betriebe nicht mehr - oder wenn, dann in neuer Rechtsform. Der frühere "VEB KfZ-Zubehörwerk Meißen" etwa heißt heute UKM und hat mehrere Gesellschafterwechsel hinter sich. Davon, dass zeitweilig mehr als 200 Häftlinge für das Werk schraubten und frästen, habe man bislang nichts gewusst, sagt die Geschäftsführung und verspricht Aufklärung.
    Hoffnung auf Gerechtigkeit
    Horst Kreeter etwa musste von 1956 bis '64 in der Strafvollzugsanstalt Torgau für den Betrieb unter anderem Zylinderköpfe für Busmotoren drehen. 50 Jahre nach seinem Freikauf aus dem DDR-Gefängnis hofft er immer noch auf Gerechtigkeit.
    "Nach meiner Rechnung ungefähr 20.000 Ost-Mark sind damals in die Kasse der DDR geflossen. Da habe ich mir gesagt: Wenn ich also jetzt unschuldig in Haft war und ich habe in der Haftzeit soundsoviel Geld verdient, dann müsste mir eigentlich das Geld zustehen."
    Von 440 Ost-Mark Lohn monatlich hatte die Haftanstalt Horst Kreeter ein Viertel gelassen. Davon gingen noch die Rücklage und das Entlassungsgeld ab, sodass 33 Mark blieben für Lebensmittel und Zigaretten aus dem Gefängnisladen. Den einbehaltenen Lohn versuchte der heute 83-Jährige nach der Wiedervereinigung vergeblich zurückzubekommen:
    "Nachdem ich überall auf Ablehnung und Mauern gestoßen bin, habe ich dann eine Eingabe beim Petitionsausschuss des Bundestages gemacht. Und da ist dann nicht viel bei heraus gekommen. Nachdem das ein Jahr gedauert hat, hat man mir mitgeteilt, dass es dafür keine Gesetze gibt. Nach dem Entschädigungsgesetz und den SED-Bereinigungs-Gesetzen ist das nicht vorgesehen. Das Geld ist also irgendwo weg."
    Eine klare rechtliche Situation besteht dagegen bei der früheren Reichsbahn der DDR. Aus einem Video der Deutschen Bahn AG:
    Die Reichsbahn-Güterzuglokomotive 44 404 der Deutschen Museums-Eisenbahn
    Auch das Staatsunternehmen Bahn hat in der DDR über Jahrzehnte hinweg in erheblichem Umfang von der Zwangsarbeit politischer Gefangener profitiert. (Manfred Rehm, dpa picture-alliance)
    "Im Januar 1994 war es geschafft. Nachdem der Bundestag und der Bundesrat der Reform zugestimmt hatten, wurden die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Bundesbahn vereint und im Handelsregister fortan geführt unter dem Namen Deutsche Bahn AG."
    Rechtsanwalt Johannes Weberling verweist auf die besondere Konstruktion, dass die Vermögenswerte und Schulden der Reichsbahn an den Bund fielen:
    "Dann ist die Reichsbahn in dieses Sondereisenbahnvermögen des Bundes übergegangen 1994. Dort sind alle Ansprüche und alle Vermögenswerte, aber auch die Schulden der Reichsbahn entsprechend gepoolt und man wird an dieses Reichsbahn-Sondervermögen, was heute noch existiert, rantreten können und sagen können: Liebes Reichsbahn-Sondervermögen, ich habe hier einen Anspruch gegen Dich, weil Du, Deine Vorgänger quasi verantwortlich gewesen dafür, dass ich widerrechtlich Zwangsarbeit leisten musste."
    Wäre also der Bund zuständig und die Deutsche Bahn AG moralisch in der Verantwortung? Dokumente über den Einsatz von Häftlingen in den Betrieben der Reichsbahn hat Christian Sachse genug gesammelt. Damit kann er belegen, dass die politisch Inhaftierten bereits Anfang der 50er Jahre Tausende von Uniformen nähen und bis zum Ende der DDR Gleise bauen und Waggons verschrotten mussten. Die Bahn habe sich aktiv um eine große Zahl von Strafgefangenen beworben,...
    " ...die Gleisbauarbeiten erledigen sollten bis dahin, dass so eine völlig absurde Konstruktion installiert werden sollte wie ein zwei Kilometer langer Zug. Und zwar ein Güterzug, in dem Strafgefangene leben sollten. Und dieser Güterzug sollte die Baustellen begleiten."
    Wie ein umfangreicher Briefwechsel zwischen der Reichsbahnbaudirektion und den zuständigen Ministerien zeigt, wurde der Plan aus Sicherheitsgründen nicht umgesetzt. Statt dessen handelten die Beteiligten 1966 eine "Rahmenvereinbarung" aus, nach der zwölf Strafvollzugsanstalten fast 1.200 Inhaftierte bereit stellen sollten "zur "Durchführung von Arbeiten auf den Jochmontage- und Demontageplätzen sowie im Gleisoberbau und Tiefbau".
    Deutsche Bahn spielt auf Zeit
    Die Deutsche Bahn AG spielt erst einmal auf Zeit. Die Frage, ob sie von der Häftlingsarbeit für die Reichsbahn wisse, verneinen die Unternehmenssprecher. Auf die Frage nach der Beteiligung an einem Entschädigungsfonds antwortet das Unternehmen:
    "Die Frage einer gesetzlichen oder freiwilligen Entschädigung für geleistete Häftlingsarbeit in einem Unrechtsstaat wie der DDR kann sicherlich erst vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse beantwortet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Deutsche Bahn AG nicht Rechtsnachfolgerin von Bundesbahn und Reichsbahn ist."
    Johannes Weberling rät von einer Klage gegen die Unternehmen oder den Bund ab. Zu schwierig sei eine lückenlose Beweisführung, zu zeitaufwendig, zu teuer und für die Betroffenen zu belastend ein solches Unterfangen.
    "Deswegen wäre angesichts der vorhandenen Tatsachen einerseits, andererseits der unsicheren Rechtslage für die einzelnen politischen Häftlinge eigentlich das Gebot der Stunde, hier eine politische Lösung zur Wiedergutmachung zu wählen, die so aussehen könnte, dass man einen Fonds auflegt, in den beispielsweise auch dann die Nutznießer der Zwangsarbeit in Westeuropa einzahlen, dass umgekehrt auch der Staat als Nachfolger über die Treuhandanstalt und auch das Bundeseisenbahnvermögen entsprechend sich beteiligt."
    Auch Ex-Häftling Horst Kreeter würde einen solchen Fonds begrüßen:
    "Das ist ja ein bisschen Gerechtigkeit, würde ich sagen. Es geht mir um die Gerechtigkeit dabei. Aber ich habe auch mal ein Schreiben vom Bundespräsidenten bekommen damals. Und da hat er mir geschrieben: Es ist leider so, dass man nicht jedem Menschen recht tun kann."