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Debatte über EU-Aussenpolitik
"Uns fehlen oft längerfristige Strategien"

Was kann die EU außenpolitisch gegen Extremismus tun? Diese Frage wurde bei der alljährlichen außen- und sicherheitspolitischen Debatte im Europäischen Parlament diskutiert. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini fordert ein Ende des reinen Reagierens auf Krisen.

Von Anette Riedel | 15.01.2015
    Flaggen wehen vor dem Europaparlament in Straßburg
    Im Europäischen Parlament wurde über die Außen- und Sicherheitspolitik debattiert (Bild: EP)
    Ana Gomes ist sozialdemokratische Europa-Abgeordnete aus Portugal. Ana Gomes war am vergangenen Wochenende mit drei Parlamentskollegen auf einer länger geplanten inoffiziellen Reise im Nordirak, um sich in Gesprächen mit Vertretern von Behörden, Parteien und Religionsgemeinschaften vor Ort selbst ein Bild von der Lage zu machen - keine 10 km vom Einflussgebiet der Terrormilizen des IS entfernt. Wenige Tage nach dem Terror von Paris.
    "Keiner unsere Gesprächspartner vergaß, uns des Mitgefühls wegen der Terrorattacken zu versichern. Sie sahen eine eindeutige Verbindung zwischen dem Terror gegen Charlie Hebdo und dem, was sie in den Händen des gleichen Feindes erleiden: der Terroristen des IS."
    Das Leiden im Nordirak, speziell der Minderheit der Jesiden und ganz besonders der Kinder und Frauen sei schlicht grauenvoll.
    "2000 Menschen wurden ermordet. 5000 Kinder und Frauen wurden von den ISIS-Kämpfern gekidnappt, versklavt, verkauft, sexuell aufs Übelste missbraucht",
    berichtete Cornelia Ernst von den Linken. Mindestens 1,5 Millionen Menschen leiden direkt unter dem Terror der IS, allein im Irak. Menschen, denen es am Nötigsten fehlt: Unterkünfte, hygienische Anlagen, Kleidung. Die EU ist der größte Geber bei der humanitären Hilfe. Aber es sei bei Weitem nicht genug.
    Mogherini fordert stärkeres Engagement der EU
    Dass die EU sich insgesamt weltweit stärker engagieren muss, diese Meinung vertrat auch die EU-Außenbeauftragte Mogherini bei der gestrigen alljährlichen außen- und sicherheitspolitischen Debatte mit dem EU-Parlament.
    "Bei keinem einzigen globalen Thema, in keiner einzigen Region, keinem einzigen Land in der Welt, können wir es uns leisten, unsere Präsenz, unsere Rolle als Akteure für den Frieden nicht zu verstärken."
    Die EU, sagte Mogherini, sei eine Supermacht. Und habe Verpflichtungen als Supermacht.
    "Wir sind eine Supermacht mit Friedensnobelpreis. Die Lektion, die uns die Ereignisse dieser Wochen lehren ist, dass wir die führende Supermacht sein müssen, die sich für Frieden, Respekt und Dialog einsetzt."
    Wie sie das zu tun gedenkt, hat die neue EU-Außenbeauftragte auf 23 Seiten zusammengeschrieben und am Abend mit den Abgeordneten diskutiert. Woran ihr vor allem gelegen sei: auch außenpolitisch aus dem Krisenreaktionsmodus herauszukommen.
    "Wir neigen dazu, auf Vorgänge unmittelbar zu reagieren. Ob wir das dann immer umsetzen, ist eine andere Story - da müssen wir auch über das Funktionieren unserer Institutionen nachdenken. Was uns oft fehlt, sind längerfristige Strategien und Visionen."
    Die Arbeit an der Behebung dieses Mangels müsse mit der Erkenntnis im Hinterkopf angegangen werden, dass das nur ginge, wenn es eine bessere, eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den EU-Ländern gäbe. Und zwischen den verschiedenen politischen Feldern.
    "EU-Außenpolitik nicht Ursache für Terror-Attacken"
    "Wir sind - und das haben uns die Ereignisse von Paris deutlich gezeigt - in einer Situation, wo wir nicht mehr sauber zwischen Außen- und Innenpolitik unterscheiden können",
    sagte CDU-Außenpolitiker Elmar Brok in der Debatte des Europäischen Parlaments. Sein sozialdemokratischer Kollege Richard Howitt verwahrte sich gegen in den letzten Tagen vereinzelt erhobenen Vorwurf, die EU-Länder hätten mit ihrer Politik nach außen die Terrorgefahr im Inneren verstärkt.
    "Außenpolitik ist nicht die Ursache für die Terror-Attacken. Es gibt keine legitimen Gründe für die Terror-Kämpfer. Aber es gibt Gründe, warum sie kämpfen: Konflikte in Jemen, Syrien, Libyen, Irak haben dazu geführt, dass die Bedrohung gewachsen ist. Und sie wird nur dann weniger werden, wenn wir daran arbeiten, diese Konflikte zu beenden."
    Um die Beendung eines Konflikts im Dienste der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen - nicht zuletzt darum geht es auch in der Ukraine und im Verhältnis zu Russland, ebenfalls Teil der gestrigen außen- und sicherheitspolitischen Debatte.
    "In Sachen Ukraine sind wir keine Supermacht, sondern eher ein Zwerg. Wir sind Zahlmeister aber nicht genug Mitspieler",
    kritisierte der Abgeordnete der Volksparteien Jacek Saryusz-Wolski. Auch der SPD-Politiker Knut Fleckenstein forderte mehr Engagement der EU - um die humanitäre Situation in der Ostukraine zu verbessern - aber auch, um Kiew zu mehr Tempo für notwendige Reformen zu bewegen.
    "Den funktionierende Rechtsstaat zu festigen, unabhängige Justiz zu bekommen und vor allem und als allererstes die Korruption zu bekämpfen."