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Debatte über Polizei in Thüringen
Ein Bild bringt die Linkspartei in Erklärungsnot

Die Polizei hat bundesweit gerade einen schweren Stand und muss sich oft für ihr Vorgehen rechtfertigen. In Thüringen ist das Verhältnis zwischen Politik und Polizei derzeit besonders belastet, was aber nicht an den Ordnungshütern liegt. Vielmehr ist hier die rot-rot-grüne Regierung insgesamt, vor allem aber die Linke in Erklärungsnot.

Von Henry Bernhard | 13.10.2016
    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) spricht am 28.08.2015 in Weimar (Thüringen) beim Festakt zur Verleihung der Goethe-Medaillen 2015.
    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Er versuchte zu retten, was wohl nicht mehr zu retten war. (dpa / picture-alliance / Martin Schutt)
    Das hat der Polizei gerade noch gefehlt. Erst die Pannen bei der versuchten Festnahme des Terrorverdächtigen in Chemnitz, der sich dann auch noch in seiner Gefängniszelle umbringen konnte. Bundesinnenminister de Maizière hat eine schnelle und umfassende Aufklärung gefordert. Andere Politiker sprechen von einem Fiasko.
    Was in Chemnitz und Leipzig passiert ist, verschafft Polizei und Justiz in Sachsen, aber wohl auch bundesweit einen schweren Stand, vor allem wenn es darum geht, sich gegen Angriffe von links zu wehren. In Thüringen ist das Verhältnis gerade besonders schlecht. Dabei steht allerdings ausnahmsweise mal nicht die Polizei schlecht da. Vielmehr sind es die Politiker der rot-rot-grünen Landesregierung.
    "Wir sind als Polizeibeamte gekränkt, wenn wir so etwas sehen", sagt Kay Christ, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Ein Bild ist in Thüringen Stein des Anstoßes.
    "#R2G Für mehr Punk in der Politik" ist darauf zu lesen. Es zeigt die drei fröhlich grinsenden Fraktionsvorsitzenden der Rot-Rot-Grünen Thüringer Regierungskoalition. Die Linke Susanne Hennig-Wellsow, der Grüne Dirk Adams und der Sozialdemokrat Matthias Hey, Letzterer die linke Faust zum Gruß der Arbeiterklasse geballt.
    Diskussion über ACAB
    "Das war eine Situation vor dem Landtag …"
    "… nachdem wir den Gesetzentwurf für mehr Demokratie auf kommunaler Ebene durchbekommen hatten durch den Landtag."
    "… und dann entstand dieses Bild, das aus einer Laune heraus, quasi als reiner Jux, entstanden ist."
    … erinnern sich Matthias Hey und Dirk Adams.
    Und was weder er noch der Grüne Adams wussten: Noch jemand hatte sich einen Spaß gemacht: Ein Mitarbeiter der Linken-Fraktion hatte am Computer-Bild-Hintergrund die Buchstaben "ACAB" platziert, als wäre es ein Graffito an der Landtagsmauer. ACAB aber ist eine Abkürzung.
    "Wir wissen, dass in der Punkrock-Szene und auch in der linken Szene ACAB für 'All Cops Are Bastards' steht."
    "All Cops Are Bastards" aber heißt: "Alle Polizisten sind Bastarde". Das findet Kay Christ, Chef der Gewerkschaft der Polizei in Thüringen weniger witzig. Und auch Matthias Hey war nicht amüsiert, als er auf den kleinen Schriftzug hingewiesen wurde.
    "Also, ich kann sagen, dass ich ehrlich gesagt stinksauer war."
    "Was dort im Hintergrund in der Struktur, in der Fassade versteckt war, hat niemand von uns gesehen."
    … entschuldigt sich der Grüne Adams.
    "Das war die Idee eines jungen Kreativen, das dort einzusetzen, im Hintergrund, in der Struktur. Und das ist bestimmt ein Fehler gewesen."
    CDU findet Äußerungen nicht witzig
    Die Linken-Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow erklärte schriftlich, dass ihre "Satire" missverstanden wurde. Außerdem hieße "ACAB" ja "All Cats Are Beautiful" – "Alle Katzen sind schön". Ihr Parteifreund, Ministerpräsident Bodo Ramelow, frotzelte sich auf Twitter durch andere ACAB-Deutungsvarianten, etwa "Acht Cola, acht Bier" oder "Arme CDU ahnt Blamage". Die CDU aber mochte nicht mit den Linken lachen. Fraktionsvorsitzender Mike Mohring:
    "Wenn man sagt: 'Alle Polizisten sind Bastards', da kommt es nicht darauf an, ob das rechtlich eine Beleidigung ist, sondern darauf, ob die, die regieren, sich vor ihre Polizei stellen oder sagen, wir lassen zu, dass aus der linksextremen Szene bis in die Regierungskreise hinein dieser Tatbestand als Vorwurf im Raum bleibt."
    Rainer Kräuter war 30 Jahre Polizist und ist nun Abgeordneter der Linken im Landtag. Er verweist darauf, dass "All Cops Are Bastards" nach einem Urteil der Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend konkret genug ist, um als Beleidigung zu gelten, versteht aber, wenn Polizisten dennoch sauer sind.
    "Das darf man so sehen und das darf man auch bemängeln, dass das nicht witzig ist. Es ist eine Auseinandersetzung, die sich darum dreht, dass Polizei in der Gesellschaft mehr Achtung, mehr Respekt erfahren muss. Und dieses Verständnis muss auch der eine oder andere Fraktionsmitarbeiter für sich erst erarbeiten. Und da haben wir als Linke Fraktion richtig Arbeit vor der Hütte."
    Kay Christ von der Gewerkschaft der Polizei kann mit den Entschuldigungen für den – wie er sagt – "heftigen Fehltritt" von Rot-Rot-Grün leben, sieht aber ein schwereres, zugrunde liegendes Problem:
    "Ich glaube, die Linke hat immer noch ein ungeklärtes Verhältnis zur Polizei. Und zwar die Linke in ihrer Gesamtheit. Also, ich spreche nicht von den Verantwortlichen in der … nicht von allen Verantwortlichen (lacht) in der Regierung und im Parlament – das glaube ich wohl, das ist noch da! Und die Linke hat, glaube ich, auch noch ein bisschen so ein falsches Verständnis zu 'Wer darf denn Gewalt ausüben, und in welchen Fragen kritisieren wir Gewalt?' Das glaube ich wohl."
    Immer wieder Gewalt gegen Polizisten
    Und die linke Jugend, was sagt sie dazu? Eine Sprecherin (*) vom LandessprecherInnenRat der Thüringer Linksjugend:
    "Ich denke, Gewalteinsätze auf Demonstrationen sind sehr selten gerechtfertigt und kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Was man in letzter Zeit aber oft beobachten kann, ist eine verstärkte rechte Gewalt gegen Polizistinnen, und das verurteilen wir natürlich in aller Schärfe."
    Der Polizist Kay Christ sieht das aus eigener Erfahrung etwas anders. "Flaschen, Steine – die werden von beiden Seiten geworfen. Also, das ist völlig Wurscht, ob das eine rechte oder linke Demo ist. Subjektiv gesehen ist es häufiger bei linken Demonstrationen. Das ist Fakt!"
    Warum die linke Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hier nicht persönlich auftaucht? Weil sie gerade auf Einladung der Kommunistischen Partei in China weilt. Dort geschieht Polizeigewalt wenigstens noch im Namen der Genossen.

    (*) Anmerkung der Redaktion: Der Name ist der Redaktion bekannt.