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Debatte um Fahrverbote
Umweltpolitik aus Gerichtssälen

Für das Umweltbundesamt sind Stickoxide Schadstoff Nummer eins. Diesel-Fahrverbote könnten dabei helfen, die Grenzwerte einzuhalten - doch davor schreckt die Politik zurück. Ein wegweisendes Urteil dazu wird im Sommer erwartet. Gerichte haben bei der Luftreinhaltung bisher schon häufig Umweltpolitik gemacht.

Von Nadine Lindner und Bastian Brandau | 27.03.2017
    Feinstaubalarm in Stuttgart auf der A8
    Feinstaubalarm in Stuttgart - ab 2018 plant die Stadt Fahrverbote für viele Dieselfahrzeuge (Imago)
    Lärm, Abgase, Gestank. Die Lützner Straße im Westen von Leipzig ist kein Ort zum Verweilen: Hier wälzt sich der Verkehr aus der Stadt Richtung Autobahn.
    "Wir stehen auf einer Hauptverkehrsstraße in Leipzig, der Lützner Straße, neben der Feinstaub- oder generell Luftreinhaltemessstation, die Bundesstraße dann raus Richtung Westen."
    Von der Heide ist verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Stadtratsfraktion in Leipzig. Hier, an der Lützner Straße im Stadtteil Lindenau wurden jahrelang die Feinstaub-Grenzwerte überschritten, die die Europäische Union den Städten zum Schutz der Gesundheit ihrer Bürger auferlegt hat. An 35 Tagen maximal darf das der Fall sein.
    "Und dieses Jahr ist jetzt die Situation, dass wir jetzt Anfang März haben und schon die Hälfte der 35 Tage verbraucht sind, wenn Sie so wollen."
    An 20 Tagen wurde der Grenzwert bis heute überschritten. Hauptverursacher der hohen Belastung durch Feinstaub ist laut der Stadt Leipzig der Straßenverkehr, hinzukommen Verbrennungsöfen zum Heizen und die Landwirtschaft.
    Marion Wichmann-Fiebig arbeitet für das Umweltbundesamt, die zentrale deutsche Umweltbehörde.
    "Weil sie so fein sind, atmen wir sie tief in unsere Lungen ein. Und das kann eben bei höheren Konzentrationen zu Beschwerden führen. Asthmatiker sind besonders betroffen, aber wir alle können Lungenbeschwerden bekommen, können Lungenkrebs bekommen."
    Stickoxide - Für das Umweltbundesamt der Schadstoff Nummer eins.
    Die Belastung durch Stickoxide an der Lützner Straße in Leipzig lag im vergangenen Jahr leicht über dem von der EU zugelassenen Mittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter.
    Schild mit der Aufschrift "Schmutzige Diesel raus!" neben einem "Verbotsschild für Dieselfahrzeuge", das von Greenpeace für die Aktion aufgestellt wurde.
    Unter anderem Greenpeace fordert schon seit Längerem Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in bestimmten Bereichen von Innenstädten. (dpa/picture alliance/Lino Marcel Mirgeler)
    Interessant in diesem Zusammenhang: Diesel-Lkw sind wesentlich sauberer als Diesel-Pkw, weil bei ihnen die Abgasreinigung über die Zuspritzung von Harnstoff geregelt wird, das sogenannte AdBlue. Bei Pkw, so argumentiert die Industrie, sei kein Platz für ausreichende Harnstoff-Tanks.
    Marion Wichmann-Fiebig vom Umweltbundesamt erklärt, dass der jahrelange Kampf um den Stickoxid-Grenzwert in der EU noch lange nicht gewonnen ist.
    "Also ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter darf nicht überschritten werden. Der sollte eigentlich 2010 in Kraft treten, weil dann plötzlich ganz viele Mitgliedstaaten Probleme damit hatten, gab es unter bestimmten Bedingungen Ausnahmeregelungen bis 2015. Jetzt haben wir 2017. Und leider halten wird den immer noch nicht ein."
    Für das Umweltbundesamt sind Stickoxide seit langem "Schadstoff Nummer 1". Die Europäische Umweltagentur geht von rund 10.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr in Deutschland durch Stickoxide aus. Durch Unfälle starben noch nicht einmal halb so viele Menschen.
    "Stickstoffdioxid wird als reizendes Gas sehr tief in die Lungen aufgenommen. Im Gegensatz zu anderen giftigen Gasen wird es eben nicht in den Bronchien im Wasser gebunden."
    Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe hat dem Stockoxid deshalb den Kampf angesagt. Atemwegs-Schäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
    "Das kann ganz tief in die Lungenbläschen eindringen, wandelt sich dort auch zu Salpeter-Säure, um und verätzt eben die Atemorgane."
    2009 hat das Land Sachsen die Luftreinhaltung in die Hand der Kommunen gelegt. Die Stadt Leipzig hat daraufhin einen Plan entwickelt und diesen auch umgesetzt. Dessen sichtbarstes Merkmal war die Einführung einer Umweltzone. Die habe sich beim Feinstaub bewährt, sagt der Bürgermeister für Umwelt, Ordnung und Sport Heiko Rosenthal. Aber beim Stickoxid gebe es noch Probleme. Im vergangenen Jahr lag die Durchschnittsbelastung durch Stickoxide in Leipzig an mehreren Messstationen über dem Grenzwert:
    "Wir müssen zunehmend auch weiter mit Restriktionen operieren, die dann wirksam werden, wenn wir insbesondere eine Inversionswetterlage haben und wissen, dass die Grenzwerte an diesen Tagen nicht eingehalten werden.
    Das war etwa zu Beginn des Jahres der Fall, als es wochenlang kaum Luftaustausch über Leipzig gab und auch die Feinstaubbelastung über die Grenzwerte stieg. In solchen Fällen könnte die Stadt Leipzig Fahrer von Dieselfahrzeugen auffordern, ihr Auto stehen zu lassen. Wenn das nicht hilft, drohen Fahrverbote, so Bürgermeister Rosenthal.
    Der Kampf um saubere Luft – egal ob bei Feinstaub oder bei Stickoxiden – wird auf allen politischen Ebenen geführt: in der Europäischen Union, beim Bund, bei Ländern und Gemeinden. Die Grenzwerte bei der Luftreinhaltung werden durch die Europäische Union festgelegt, ausgehandelt von den Mitgliedstaaten und dann in nationales Recht umgesetzt. Die Bundesländer sind für die Umsetzung zuständig. Doch die schieben die Verantwortung oft weiter an die Kommunen. Marion Wichmann-Fiebig vom Umweltbundesamt:
    "Was jetzt einerseits ein bisschen unfair klingt, was andererseits aber sinnvoll ist, denn dort kennt man die Verhältnisse am besten. Also die Kommunen wissen einfach, wie viel Verkehr haben wir?"
    EU-Kommission beanstandet Verstöße in 28 deutschen Städten
    Erstmals in Baden-Württemberg ist eine Wand mit Moosen errichtet worden, um Schadstoffe und Feinstaub aus der Luft zu filtern. Die Mooswand steht an der B 14 / Cannstatter Straße. Bürgermeister Peter Pätzold direkt davor.
    Bürgermeister Peter Pätzold vor der Mooswand, die in Stuttgart Schadstoffe aus der Luft filtern soll. (imago / 7aktuell)
    Doch die Aufgaben-Teilung hat auch Tücken, denn nicht immer funktioniert das politische Zusammenspiel reibungslos. Im Gegenteil, manchmal gleicht es einem Mikado-Spiel, bei dem derjenige verliert, der sich als erster bewegt.
    Das belegen allein die Daten: An mehr als der Hälfte aller verkehrsnahen Messstellen ist der Stickstoffdioxidgrenzwert im vergangenen Jahr im Jahresmittel überschritten worden, berichtet das Umweltbundesamt. Die EU-Kommission hat Deutschland in einem Vertragsverletzungsverfahren seit 2015 Verstöße in 28 Städten und Regionen angekreidet. Besonders schlimm ist es in Stuttgart, München oder auch Düsseldorf. Sie sehen sich bereits mit Klagen vor nationalen Gerichten konfrontiert, denn ihre Luftreinhaltepläne haben nicht die gewünschten Effekte. Das hat auch mit dem höheren Stickstoffdioxidausstoß bei Diesel-Fahrzeugen zu tun. Es ist ein Kampf gegen Schadstoffe, in den deshalb zunehmend auch die Gerichte eingreifen.
    Zurück nach Leipzig. Die Stadt ist bei der Luftverschmutzung eigentlich kein extrem schwerer Fall, hat aber trotzdem eine ganz besondere Bedeutung beim Ringen um saubere Luft. Das hat vor allem mit Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe zu tun.
    Wegweisendes Urteil des BVerwG
    Weil die Politik – und damit meint er durchaus alle Ebenen – nicht entschlossen genug handelt, setzt er nun auf den Rechtsweg, um das Recht auf saubere Luft durchzusetzen. Und da wird das Leipziger Bundesverwaltungsgericht noch in diesem Jahr ein wegweisendes Urteil fällen. Es geht um die Stadt Düsseldorf. Die Deutsche Umwelthilfe hatte wegen dort nicht eingehaltener Grenzwerte das Land Nordrhein-Westfalen verklagt.
    Das dortige Verwaltungsgericht hatte im Herbst vergangenen Jahres eine überraschende Überlegung präsentiert. Nämlich, dass schon jetzt ein Dieselfahrverbot angeordnet werden kann. Jürgen Resch begrüßt die Urteilsbegründung.
    "Das Gericht hat gesagt, dass es nicht angehen kann, dass eine Regierung über Jahre hinweg gegen Artikel 2 Grundgesetz verstößt. Die Nicht-Einhaltung der Luftqualitätswerte führt zu über 10.000 vorzeitigen Todesfällen. Und Artikel 2 des Grundgesetz sagt, Schutz des Lebens ist prioritär und es gibt ein Recht auf körperliche Unversehrtheit."
    Die Deutsche Umwelthilfe einigte sich mit dem Land Nordrhein-Westfalen darauf, die Diesel-Fahrverbote nicht gleich umzusetzen, sondern den Fall direkt von der höchsten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, klären zu lassen, eine sogenannte Sprungrevision. Man wolle Rechtssicherheit, heißt es von beiden Seiten.
    "Mit diesem sehr spektakulären Urteil und der eingeräumten Sprungrevision, das heißt, Entscheidung direkt durch das höchste Gericht, bekommen wir in diesem Sommer eine rechtliche Klarheit, ob der beschrittene Weg von Düsseldorf bundesweit gilt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir eine Bestätigung erfahren."
    Im März trat Stefan Ferber vom Düsseldorfer Umweltamt bei einem öffentlichen Fachgespräch des Umweltausschusses des Bundestags auf. Er geht auf das Urteil von Düsseldorf ein, hält aber Durchfahrtverbote für Diesel im Straßenverkehrsrecht in seiner Stadt schlicht für nicht umsetzbar:
    "Es ist vom Vollzug aus meiner Sicht kaum möglich umsetzbar. Sie können ja einem Auto ja nicht ansehen, hat es jetzt einen Dieselantrieb, einen Benzinantrieb. Sie müssten ja dann den Fahrzeugbrief sich anschauen. Es fehlt eine Etikettierung. Wie machen wir das mit den ganzen Sonderregelungen für Handwerker, für Feuerwehren? Wir sind jetzt alle gespannt, was Leipzig dazu sagt."
    Ein Termin steht noch nicht fest. Nur so viel weiß man: Die Entscheidung fällt noch in diesem Jahr, wahrscheinlich im Sommer.
    Das Recht auf saubere Atemluft ist für Jürgen Resch nicht verhandelbar. Ein Fahrverbot, das nur für Diesel gelten würde, seine Wunschvorstellung:
    "Das ist ein Schutzrecht. Und solche Schutzrechte muss der Staat unmittelbar schützen. Und es gibt ein Abwägungsverbot. Ich darf Schutzrechte nicht gegen Mobilitätsinteressen/ Wirtschaftlichkeitsinteressen abwägen."
    Bereits 16 deutsche Städte und Länder hat die Deutsche Umwelthilfe verklagt, weil trotz Luftreinhalteplänen die Grenzwerte nicht eingehalten wurden. Es ist eine umstrittene Strategie. Kritiker werfen der Deutschen Umwelthilfe vor, bei ihrer Klagetätigkeit ein Geschäftsmodell entwickelt zu haben.
    Diesel-Fahrverbote in Bayern Ende 2017
    Doch oft bekommt die Deutsche Umwelthilfe vor Gericht Recht. Wie Anfang März in München. Für bessere Luft in München muss der Freistaat Bayern nach einer Entscheidung des Obersten Bayerischen Verwaltungsgerichts bis zum Ende des Jahres 2017 Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorbereiten.
    Egal wie das Leipziger Urteil beim Bundesverwaltungsgericht ausgeht, Gerichte haben bei der Luftreinhaltung schon jetzt einen gehörigen Teil Umweltpolitik gemacht. Für die politisch Verantwortlichen in der Bundesregierung, wie Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium, ist das kein befriedigender Zustand:
    "Meine grundsätzliche politische Auffassung ist, dass Entscheidungen in einer Gesellschaft möglichst nicht durch Gerichte, sondern durch politische Prozesse herbeigeführt werden. Das ist ja immer nur die Ultima Ratio dann. Ein Gericht entscheidet ja immer dann, wenn ein Zustand nicht in Ordnung ist und von der Politik nicht in Ordnung gebracht wird. Und insofern müssen wir alle im Augenblick damit leben, dass mit jedem Gerichtsurteil noch Mal wieder dargebracht wird, dass wir unsere Hausaufgaben nicht machen. Und das kann ja nicht befriedigend sein."
    Streitpunkt "blaue Plakette"
    Eine Hand hält am 05.10.2016 einen Designvorschlag des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg in der Innenstadt von Stuttgart (Baden-Württemberg) vor vorbeifahrenden Autos (gestellte Szene).
    Das Thema blaue Plakette für besonders schadstoffarme Autos steht auf der Tagesordnung der zweitägigen Verkehrsministerkonferenz. (dpa/picture-alliance/Bernd Weißbrod)
    Doch wie konnte es so weit kommen? Gerichte entscheiden, weil die Politik nicht entscheidet? Die Bundesregierung jedenfalls ist sich nicht einig. Wenn es nach dem Umweltministerium ginge, dann sollten für die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte besonders schmutzige Wagen über Fahrverbote ausgesperrt werden. Anders gehe es nicht, so das Bundesumweltministerium.
    Ein Instrument dafür sollte die "blaue Plakette" sein, über die Bund und Länder im vergangenen April zum ersten Mal diskutiert haben. Sie sollte besonders saubere Pkw kennzeichnen. Doch dafür gibt es noch kein Bundesgesetz. Im Herbst kassierten die Verkehrsminister von Bund und Ländern das Vorhaben wieder. Fahrverbote wollen sie nicht.
    Der Bundesverkehrsminister lehnt Fahrverbote ab
    Das entspricht auch der Linie von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU. Er lehnt Fahrverbote für Diesel ab. Das Umweltministerium versucht es weiter und legt im Dezember einen neuen Vorschlag vor:
    "Dazu haben wir drei Möglichkeiten. Entweder die Plakette für die besonders sauberen Pkw oder die Einfahrt so zu regeln, dass an bestimmten Tagen oder Wochen nur Fahrzeuge mit geraden oder alternativ mit ungeraden Kennzeichen einfahren dürfen. Die dritte Möglichkeit, schlicht und einfach zwischen Benzinfahrzeugen und Diesel Auch hier zieht das Verkehrsministerium nicht mit.
    "Und jetzt sind wir in einer Stillstands Situation, die wir als Umweltministerium als völlig inakzeptabel halten. Aber an der wir im Moment auch nichts ändern können, weil wir nicht allein Verordnungsgeber sind, sondern das geht nur im Zusammenwirken mit dem Bundesverkehrsminister."
    Seit Monaten gibt es keinen Kompromiss zwischen Umwelt- und Verkehrsministerium. Gefragt, ob die Bundesregierung eine gemeinsame Strategie gegen die gesundheitlichen Luftschadstoffe, vor allem Stickoxide habe, muss Umweltstaatssekretär Flasbarth verneinen und macht den Verkehrsminister verantwortlich.
    "Die Bundesregierung als Ganzes hat so eine Strategie nicht. Aber das BMUB hat eine solche Strategie, aber wir können die nicht umsetzen, weil der Verkehrsminister nicht mitmacht."
    Und was sagt Verkehrsminister, Alexander Dobrindt, CSU, zu diesen Vorwürfen? Das Verkehrsministerium will seinen Standpunkt nicht vor dem Mikrofon erklären. Man äußere sich nur schriftlich, heißt es auf mehrmalige Anfragen des Deutschlandradio Hauptstadtstudios nach einem Interview. In der Erklärung des Verkehrsministeriums, die per Mail kommt, heißt es unter anderem:
    "Fahrverbote sind und bleiben ein falscher politischer Ansatz. Es ist nicht wirkungsvoll, Autos mit Verboten zu belegen, die ein- oder zweimal im Monat in die Stadt fahren. Wirkungsvoller ist, Fahrzeuge die sich ständig im Stadtverkehr befinden, wie Taxis, Busse im ÖPNV und Behördenfahrzeuge mit alternativen Antrieben auszustatten.‎"
    Das Thema bleibt bei an Kommunen hängen
    Und weiter: "Die Verantwortung für Maßnahmen zur Luftreinhaltung liegt bei den Ländern und den Städten."
    Das Verkehrsministerium verweist in seiner Erklärung darauf, dass die Städte schon heute genügend Instrumente hätten, um Fahrverbote zur Luftreinhaltung zu erlassen. Es gebe also keinen weiteren Regelungsbedarf. Zum Beispiel könnten sie die vorhandenen Umweltzonen an bestimmten Tagen sperren. Noch offen ist dabei jedoch, wie Ausnahmegenehmigungen für Krankenwagen oder den Lieferverkehr geregelt werden sollen und ob Dieselfahrzeuge – nach dem Verursacherprinzip - davon besonders betroffen sind.
    Ehrenrettung des Diesels?
    Stichwort Verursacherprinzip. Wie das Verkehrsministerium, lehnt auch der Verband der Automobil-Industrie, kurz VDA, Fahrverbote ab.
    Geschäftsführer Kay Lindemann räumt zwar ein, dass vor allem Dieselfahrzeuge für die Stickoxid-Belastung verantwortlich sind. Die Manipulationen bei VW wurden im September 2015 unter dem Stichwort Dieselgate bekannt. Aber der Diesel habe eine bessere CO2-Bilanz.
    "Wenn wir uns jetzt ausschließlich auf das Thema Stickoxide fokussieren, dann schütten wird das Kind mit dem Bade aus. Und wir sollten hier abwägen."
    Die Städte, die mit den Stickoxid-Grenzwerten kämpfen, müssten erstmal noch andere Methoden ausschöpfen.
    "Das heißt, dass die Städte einfach ihre Verkehrssysteme überprüfen müssen, um optimalen Verkehrsfluss zu ermöglichen, Stop-and-go zu vermeiden. Und wir müssen über Erneuerungsprogramme, Bestandserneuerungen bei den Bussen, bei den kommunalen Verkehrsbetrieben reden. Das sind die Vielfahrer."
    Der VDA formuliert eine Frage an die Städte: "Und warum nehmen wir uns nicht erst dieser Themen an, bevor wir die Keule von Fahrverboten schwingen?"
    Der Ball wird also wieder an die Kommunen zurückgespielt. Sie sollen Grenzwerte durchsetzen, die EU und Bund beschlossen haben, bei Diesel-Autos, die nicht die gesetzlichen Grenzwerte einhalten. Die Städte sehen sich also zunehmend in der Zwickmühle.
    "Sie wissen, dass wir in einem Dilemma stecken. Wir wollen die Luftreinhaltung sicherstellen. Wir wollen den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger sicherstellen. Wir wissen aber auch, wenn wir zu dem Zweck Fahrverbote erteilen, dann werden wir die Städte lahm legen, und das versuchen wir zu vermeiden."
    Beschreibt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags die Lage. In dem kommunalen Spitzenverband haben sich über 3.000 Städte zusammengeschlossen.
    "Das Bundesverkehrsministerium sagt die Straßenverkehrsordnung gibt euch den nötigen Rahmen, um das zu tun. Das stimmt und stimmt nicht. Die Stadt kann einzelne Straßen sperren. Das geht. Aber die Wirkung ist, dass dann natürlich Ausweichverkehre stattfinden."
    Und auch die Forderungen des VDA nach besserem Verkehrsfluss würden vielerorts längst angegangen: "Bei Stickoxiden kommen wir an einen Punkt, wo wir vermutlich mit diesen vorrangigen Maßnahmen, Verkehrsfluss, ÖPNV, Radverkehre, nicht dazu kommen, die Grenzwerte einzuhalten. Und dann sind wir beim Punkt Fahrverbote."
    Der Wunsch des Städtetag-Geschäftsführers: Wenn sich Fahrverbote nicht vermeiden ließen, müssten sie wenigstens bundeseinheitlich geregelt werden.
    "Und dann glaube ich, braucht man etwas mehr Zusammenarbeit und etwas weniger Fingerzeigen auf den anderen."
    Das sagt auch Rita Fleischer von der Industrie-und Handelskammer Leipzig. Kein Unternehmer wolle als Umweltsünder am Pranger stehen. Aber sie bräuchten Sicherheit, Fahrzeuge zu kaufen, deren Umweltwerte nicht geschönt seien
    "Und dazu gehören dann auch öffentliche und neutrale Kontrollen, die sichern, dass das, was als Schadstoffbelastung in den Papieren angegeben wird, auch tatsächlich am Auspuff herauskommt."
    Mit der Einführung der Umweltzone haben in Leipzig auch zahlreiche Gewerbetreibende neue Fahrzeuge angeschafft. Die Debatte um mögliche Fahrverbote beunruhigt, weil:
    "…nun in einem nächsten Schritt in dieser relativ kurzen Zeitspanne wieder erhebliche Investitionen auf die Unternehmen zukommen könnten."
    Einerseits wolle die Bundesregierung Klimaziele erreichen, genaue Vorgaben wie die blaue Plakette aber enthalte sie den Kommunen vor, kritisiert Rosenthal ebenso wie Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.
    "Ja, das ist nicht zufriedenstellend, völlig klar. Das Austarieren dieser europarechtlichen Anforderungen und den Anforderungen an Verkehre in den Städten, das ist eine hochpolitische Thematik und die hätte ich liebend gerne in Plenarsälen und Gesprächen zwischen Bund, Ländern und Kommune und nicht unbedingt in Gerichtsstuben."