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Debatte um FAZ-Gastbeitrag
Gaulands Gedanken

Ein Gastbeitrag von Alexander Gauland - Kritiker beklagen lautstark, dass die FAZ dem AfD-Vorsitzenden einen prominenten Platz bietet. Sie reagieren damit allerdings wie Pawlowsche Hunde, meint Arno Orzessek in seiner Glosse. Und das dürfte vor allem in einer Potsdamer Villa für stimmungsvolle Momente sorgen.

Von Arno Orzessek | 10.10.2018
    Alexander Gauland steht auf einem Podium und hält seine Brille. Auf dem Bild sind seine Hände sowie sei Bauch zu sehen.
    Bebt die schmucke Wampe? AfD-Chef Alexander Gauland (dpa/ Karl-Josef Hildenbrand)
    Offenbar besitzen wir hellseherische Fähigkeiten. Denn es ist so: Immer, wenn wir an Alexander Gauland denken, sehen wir in unserer Phantasie präzise Bilder aus seinem Privatleben. Sie zeigen den AfD-Vorsitzenden, wie er sich in seiner Potsdamer Villa in einen geriatrietauglichen Relax-Sessel fläzt, die Hände auf die schmucke Wampe legt und kichert wie ein kleiner Junge nach dem Mäusepingeln.
    Denn, bitte schön! Sobald Gauland per Smartphone das Stichwort "Gastbeitrag" googelt, verlinkt Google nicht etwa zu 'ner schlauen Erklärung, was das eigentlich ist, so ein Gastbeitrag, journalistisch und juristisch gesehen. Nein, der User erfährt als erstes, zweites, drittes und viertes: Gauland... jawohl, dieser Gauland!... hat in der "FAZ" einen Gastbeitrag schreiben dürfen, Zeter und Mordio!
    Netztheoretisch gesprochen, hat der AfD-Vorsitzende also mit einem einzigen Text den einst neutralen Such-Begriff "Gastbeitrag" im kompletten deutschsprachigen Google-versum kolonisiert.
    Aber das ist gar nicht die Pointe, die Gaulands Wampe erbeben lässt.
    Zu Diensten wie Pawlowsche Hunde
    Die Pointe ist... denkt sich der Alte..., dass mir meine lieben Feinde wie Pawlowsche Hunde zu Diensten sind, nur halt voll auf 180 und mit dem Schaum der Selbstgerechtigkeit vor dem Mund.
    Gauland sieht ja, was zum Beispiel Christian Jakubetz - Dozent, Berater, Journalist, früher unter anderem beim ZDF - auf Facebook hinausposaunt... Von Sinnen darüber, dass ein Gauland in der "FAZ" schreiben darf. "Mir fällt kein einziger Kommentar ein, wie ich straffrei ausdrücken kann, was ich darüber denke", macht Jakubetz spätpubertär auf dicke Hose.
    Und erst Jutta Ditfurth, die linke Antirassistin mit dem Pegida-Temperament. Sie postet: "Die alten rechtsradikalen Netzwerke der 'FAZ' funktionieren noch."
    Da schwillt dem Mann im Relax-Sessel die Brust.
    Zwar ist ihm klar, dass Ditfurth den Gastbeitrag womöglich gar nicht gelesen hat. Sie verurteilt ja nicht die message, sie verurteilt das Medium. So ähnlich wie früher, als die Überbringer schlechter Nachrichten abgemurkst wurden, grübelt Gauland... Aber hey, Alexander, du bist groß! Ein einziger Artikel von dir, und der "Zeitung für Deutschland" wird ein Braunstich nachgesagt.
    Missbehagen verursacht die "taz"
    Gauland gießt sich kräftig ein, immer noch Ditfurth im Sinn....
    Jetzt mal im Ernst, Jutta, wie leicht wollt ihr Linken es uns denn noch machen? Unterwirft euch andauernd dem Klischee, das wir in die Welt gesetzt haben – dass ihr illiberalen Hochmut pflegt und intolerant gegenüber Andersdenkenden seid. Aber heult dann rum, wenn die AfD bei den Leuten super ankommt? Bescheuert, echt!
    Missbehagen verursacht Gauland dagegen die "taz". Er spürt: Die hat seinen pro-populistischen Erguss studiert und kommt ihm mit einem fiesen Trick. Die TAZ räumt nämlich ein, dass er sich in der "FAZ" "harmlos und überlegt" präsentiert – unterstellt aber, er sei ein "Wolf im FAZ-Pelz" und ein "Rassist", insgesamt also ein vulgärer Heuchler.
    Und da fällt Gauland ein, was kürzlich in "Fremde Federn" stand.
    "Der Anstieg des Rechtsradikalismus und der institutionelle Rassismus sind heute die größten Gefahren für die freiheitlich-demokratische Ordnung der Europäischen Union und ihr Ideal des friedlichen Zusammenlebens von unterschiedlichen Kulturen und Religionen."
    Schreibe ich etwa genauso wie der Erdogan?
    Jau, das war mal ein politisch korrekter Satz! feixt Gauland. Voll Martin Schulz. Oder Sahra Wagenknecht. Oder Antifa. Aber, hihi: Der Autor hieß Recep Tayyip Erdogan!
    Gauland schenkt wieder nach, der Kognak macht ihn nun weichherzig. Habe ich selbst auch so gefrömmelt in der "FAZ"? Schreibe ich etwa genauso wie der Erdogan, dieser Türke? Bin ich sein Bruder im Geiste?
    Er würde das gern mit Alice Weidel besprechen, schläft aber ein.
    Und dann wird es Morgen, heute Morgen. Und siehe da! Niemand unterstellt, Gauland schreibe wie Erdogan, beileibe nicht!
    Der Historiker Wolfgang Benz behauptet, Gauland schreibe so, wie Adolf Hitler 1933 geredet hat. Nicht wörtlich, aber inhaltlich.
    Ich, wie Hitler!... Gauland wird es ganz braun vor den Augen. Einen solchen Vergleich lehnt er ab! Das wäre dann doch zu viel..., na ja..., er überlegt..., der Ehre vielleicht?
    Junge, Junge, er muss sich das jetzt wirklich genau überlegen. Aber erst mal lässt er ausrichten: Bis auf Widerruf kann ich die Rolle als Hitler light beim besten Willen nicht annehmen. Leute, tut mir leid!