Neu im Kino: "The House that Jack Built" von Lars von Trier

Serienkiller ohne jede Kraft

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Szene aus dem neuen Film von Lars von Trier: Matt Dillon als Serienkiller Jack - was hinter dem Vorhang ist, wollen wir lieber nicht wissen. Oder doch?
Matt Dillon als Serienkiller Jack - was hinter dem Vorhang ist, wollen wir lieber nicht wissen. Oder doch? © Concorde Filmverleih / Zentropa / Christian Geisnaes
Jörg Buttgereit im Gespräch mit Max Oppel · 28.11.2018
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Lars von Trier schickt einen Serienmörder auf die Leinwand. Sein Film "The House that Jack Built" erlebte beim Festival in Cannes Standing Ovations wie flüchtende Zuschauer. Unser Kritiker findet: Der Regisseur nimmt sich wichtiger als seine Figuren.
Lars von Trier ist für künstlerische Radikalität und Provokationen bekannt. Keinen seiner bisherigen Filme traf ein einhelliges Urteil. So ist es nicht verwunderlich, dass auch sein neues Werk "The House that Jack Built" umstritten ist - und die Kritik zwischen hohem Lob und totaler Ablehnung hin- und her schwankt. Begeisterung hier, Entsetzen dort.
Seine Weltpremiere feierte "The House that Jack Built" dieses Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes. Von Trier, der einige Jahre wegen Nazi-Äußerungen Persona non grata in Cannes war, tauchte dort mit einem Film über einen Serienkiller wieder auf. Er bekam Standing Ovations. Der Film selbst war aber so schwer auszuhalten, dass viele Zuschauer vorzeitig die Vorführung verließen.
Serienkiller Jack (Matt Dillon) in seinem Element.
Der Serienkiller Jack (Matt Dillon) in seinem Element.© Concorde Filmverleih / Zentropa / Christian Geisnaes
Die Hauptrolle spielt Matt Dillon. Er ist der Serienkiller Jack und sein erstes Opfer Uma Thurman, die eine Wagen-Panne hat und besser nicht zu Jack ins Auto gestiegen wäre.
Mit Bruno Ganz, der Matt Dillon alias Jack später in die Hölle bringen wird, führt von Trier wie schon in anderen Filmen eine Metaebene ein.
Unser Kritiker Jörg Buttgereit, selbst Regisseur von Serienmörder-Filmen und somit Spezialist auf dem Gebiet des seriellen Tötens, ist eigenen Angaben zufolge ein echter von Trier-Fan, war aber vom neuen Werk schwer enttäuscht. Buttgereit sagte im Deutschlandfunk Kultur, von Trier interessiere sich viel zu sehr für sich selbst und zu wenig für seinen Serienkiller.
Es gebe eine Menge gute, tolle und intelligente Serienkiller-Filme, schwärmte Buttgereit. "Aber das findet hier alles nicht statt, weil diese Figur Jack eigentlich Lars von Trier ist, der um Vergebung bittet."
Der von Ganz gespielte Fährmann, der Jack ins Jenseits begleiten soll, stehe stellvertretend für die Kritiker des dänischen Filmemachers, sagte Buttgereit: "Weil er ihn ständig in die Pfanne haut und mit Missachtung straft".
Lars von Trier posiert in Cannes
Lars von Trier in Cannes: Standing Ovations und Zuschauer, die flüchten.© picture alliance / MAXPPP / Frédéric Dugit
"Ich habe mich wirklich bemüht, den Film gut zu finden", gestand Buttgereit: "Aber ich saß da und dachte: Das kann doch nicht sein, dass sich hier ein Filmemacher so wichtig nimmt, dass er sich über seine Figuren stellt."
Der Film wirke deswegen kraftlos. Die Morde im Film ständen nur stellvertretend für Lars von Triers künstlerische Freiheit.
Buttgereit fiel dazu eine Formulierung von Wiglaf Droste ein: "Schimmelige Selbstbetroffenheit".
Nur ein Aspekt hat Buttgereit wirklich an "The House that Jack Built" gefallen. Von Trier greife die ehemalige Debatte um seine Nazi-Äußerungen auf, in dem er Bruno Ganz mitspielen lasse - den Hitler-Darsteller par excellence. "Das ist vielleicht der einzig gute Witz in dem Film."
(ahe)
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