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Debatte um Varoufakis-Video
Verwirrspiel um einen Stinkefinger

Die sogenannte Stinkefinger-Affäre schien gelöst – und Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis im Recht gewesen zu sein, als er sagte: "Dieses Video ist gefälscht." ZDF-Moderator Jan Böhmermann wollte Urheber gewesen sein. War er dann aber doch nicht.

19.03.2015
    Moderator Jan Böhmermann beim Corsogespräch im Deutschlandfunk
    Moderator Jan Böhmermann beim Corsogespräch im Deutschlandfunk (Adalbert Siniawski)
    Humor und Satire seien großartige Mittel, "blinden Nationalismus" zu lösen, schrieb Varoufakis bereits bei Twitter – und verwies dort auf das Video, mit dem das Team der ZDF-Show "Neo Magazin Royale" den Streit um Griechenlands Finanzminister aufklären wollte.
    ARD-Talker Günther Jauch hatte am vergangenen Sonntagabend ein Video von einem Varoufakis-Auftritt bei einer Konferenz in Zagreb aus dem Jahr 2013 ausgestrahlt, das zeigen soll, wie Varoufakis Deutschland den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Dieser bezeichnete das Video in der TV-Sendung umgehend als manipuliert. In einem anderen Tweet spricht der griechische Politiker Jauch direkt an und fragt nach einer Entschuldigung für ein "manipuliertes Video", mit dem eine "versöhnliche Stimme Griechenlands" unterdrückt worden sei.
    Varoufakis glaubte also Jan Böhmermann, dem Moderator von"Neo Magazin Royale", der sein Video so beginnt: "Lieber Günther Jauch, liebe ARD, liebe Bild-Redaktion, einmal bitte tief durchatmen, vielleicht nehmen Sie sich mal einen Stuhl und setzen sich hin. Sie müssen jetzt ganz, ganz stark sein." Um dann zu erklären, seine Redaktion habe die umstrittene Varoufakis-Sequenz manipuliert, weil Material für einen Spott-Song über den griechischen Finanzminister gefehlt habe.
    Und nicht nur Varoufakis war überzeugt. Auf der Deutschlandfunk-Facebook-Seite und Twitter, wo die Debatte hohe Wellen schlägt, verwiesen User auf die Hochladedaten des vermeintlichen Stinkefinger-Videos. Das wurde erst vor wenigen Wochen eingestellt, obwohl es aus 2013 datiert. Andere User, wieder, zeigten Schadenfreude und verwiesen auf die Möglichkeiten moderner Technik.
    Es wäre übrigens nicht das erste Mal gewesen, dass Böhmermann einen anderen Fernsehmacher per YouTube reinlegt: Vor knapp einem Jahr zeigte TV-Entertainer Stefan Raab ein Video, das die nicht offiziell autorisierte Kopie einer Idee aus seiner Show "TV Total" aus China zeigte. Später stellte sich heraus, dass das Böhmermann-Team diese erstellt hatte.
    Und wer klärt den Streit nun?
    Und wer klärt nun, ob Böhmermann der nächste, ungleich größere Coup gelungen ist? Oder nicht anders manipuliert hat? Der TV-Moderator selbst. In einer Stellungnahme deutete er zunächst den Fake-Fake an.
    Das ZDF hat inzwischen bekannt geben, dass Böhmermanns Geschichte vom gefälschten Mittelfinger frei erfunden und als Satire gedacht ist. ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler sagte Spiegel Online: "Wir sehen uns gezwungen, das Neo Magazin Royale zukünftig als Satiresendung zu kennzeichnen." Für die Moderation des "heute journals" werde Jan Böhmermann "sicherheitshalber vorerst ausgeschlossen."
    (bor/cc)