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Gesundheitsrisiko Weihnachten
Mehr Herzinfarkte an Heiligabend

Stress, Familienkonflikte, zuviel ungesundes Essen und Alkohol, zuwenig Bewegung - laut wissenschaftlichen Studien gibt es an Heiligabend deutlich mehr Herzinfarkte. Wegen der Notbesetzung in den Krankenhäusern steigt an den Feiertagen zudem das Risiko für Komplikationen.

Von Christine Westerhaus | 21.12.2018
    Grüne Christbaumkugel mit aufgedruckter "24" an Tannenzweig als Symbol für Heiligabend | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
    Statistisch gesehen ist das Risiko für einen Herzinfarkt an Heiligabend um zehn Uhr abends fast 40 Prozent höher als an normalen Wochentagen - zumindest in Schweden (imageBROKER)
    "Stilla natt" heißt es so schön auf schwedisch. Doch die Weihnachtsnacht ist alles andere als still. Zumindest in schwedischen Krankenhäusern. Gegen zehn Uhr abends bekommen besonders viele Menschen in Schweden einen Herzinfarkt: Statistisch gesehen ist das Risiko zu dieser Uhrzeit an Heiligabend um fast 40 Prozent höher als an normalen Wochentagen. Diese Korrelation haben David Erlinge von der Lund-Universität und seine Kollegen beobachtet. Sie hatten sich an die 300.000 Herzinfarkt-Fälle aus den Jahren 1998 bis 2013 angeschaut, die in dem schwedischen Register "Swedeheart" gespeichert sind.
    "Diese Beobachtung ist sehr interessant, denn wir haben auch gesehen, dass die Menschen das restliche Jahr über vor allem morgens von einem Herzinfarkt heimgesucht werden - gegen acht, neun Uhr morgens am häufigsten. Aber ausgerechnet Heiligabend verschiebt sich das Maximum auf zehn Uhr abends. Und das deutet darauf hin, dass der Infarkt eine Folge von Ereignissen ist, die während des Tages passiert sind."
    Stressfaktoren Alkohol, Essen, Familie
    Am Heiligabend kommen viele Dinge zusammen. Und auch Menschen, die man lange nicht gesehen hat. Womöglich aus gutem Grund lange nicht gesehen hat. Die Begleitumstände des Herzinfarkts konnten die Forscher anhand des Registers zwar nicht ablesen. Doch David Erlinge geht davon aus, dass der Heilige Abend für viele Menschen nicht wirklich heilig verläuft.
    "Man kann darüber spekulieren, dass es möglicherweise am Zusammentreffen mit den Verwandten liegt. Alte Konflikte, die aufbrechen. Man ist gestresst, dass alles perfekt vorbereitet sein soll, das Essen rechtzeitig fertig und so weiter. Aber man darf auch nicht vergessen, dass viele Menschen an Weihnachten ganz allein sind und auch das kann großen Stress verursachen. Nicht zuletzt wird an Heiligabend aber auch viel gegessen und Alkohol getrunken. Und das ist auch ungesund und kann einen Herzinfarkt auslösen."
    Ein erhöhtes Herzinfarktrisiko gibt es aber nicht nur an Heiligabend. Auch Sportereignisse können den Puls gefährlich in die Höhe treiben.
    "Es gibt eine Studie, die zeigt, dass es während der WM in Deutschland mehr Herzinfarkte gab, wenn die Deutschen gespielt haben. Wir haben das hier bei uns in Schweden nicht gesehen, als wir uns die Fußball WM, EM und die olympischen Spiele angesehen haben. Die Deutschen sind aber wahrscheinlich engagierter bei der WM. Bei Schweden ist ja meist unklar, ob sie überhaupt dabei sind und meist kommen sie ja auch nicht so weit, wie Deutschland..."
    Notbesetzung in Krankenhäusern
    Ob die Schweden engagierter Weihnachten feiern, als die Deutschen, müsste genauer untersucht werden. Klar ist aber inzwischen: Wen es am Heiligabend trifft, der hat womöglich noch zusätzlich schlechte Karten. Kanadische Forscher haben kürzlich in einer ähnlichen Beobachtungsstudie herausgefunden: Wer in den Weihnachtsferien aus dem Krankenhaus entlassen wird, läuft statistisch gesehen eine höhere Gefahr, zu sterben oder aufgrund von Komplikationen erneut behandelt werden zu müssen. Lauren Lapointe-Shaw von der Universität von Toronto, Autorin der Studie, findet das wenig überraschend.
    "Das hat mich nicht wirklich überrascht. Wir haben diese Untersuchung sozusagen aus "klinischer Intuition" gemacht. Ich arbeite selbst als Ärztin im Krankenhaus und hatte auch schon während der Weihnachtsferien Dienst. Deshalb hatten meine Kollegen und ich die Befürchtung, dass Patienten womöglich entlassen werden, ohne eine ordentliche Nachuntersuchung zu bekommen. Zu sehen, dass es mehr Komplikationen gibt, hat uns nicht überrascht. Es hat eher unsere Befürchtungen bestätigt."
    An Weihnachten wollen nicht nur Patienten mit ihrer Familie feiern, sondern auch die Ärzte. Deshalb seien viele Krankenhäuser während der Feiertage unterbesetzt, meint Lauren Lapointe-Shaw.
    "Und dann ist natürlich fraglich, ob die Patienten ebenso sorgfältig behandelt werden, bevor sie entlassen werden, wie außerhalb der Weihnachtsferien."
    Vielleicht werden Patienten aber in dieser Zeit auch früher entlassen. Entweder um möglichst viele freie Betten zu haben. Oder damit sie das Weihnachtsfest zuhause mit ihrer Familie verbringen können. Und damit könnte die Verantwortung auch auf Seiten der Patienten liegen.
    Schlemmen ja - aber auch bewegen
    "Vielleicht gehen die Patienten nicht wie empfohlen zu Nachuntersuchungen, weil viele Kliniken über Weihnachten geschlossen haben. Vielleicht sind es aber dieselben Gründe, die auch das Herzinfarktrisiko an Weihnachten erhöhen: Die Menschen haben viel Stress an den Feiertagen, schlafen zu wenig, trinken zuviel Alkohol und essen ungesundes Essen, mit viel Zucker und Fett. Und das alles kann ihren Zustand verschlechtern."
    Zu viel Fett und Zucker an den Feiertagen führen aber auch dazu, dass manch einer an Weihnachten ein paar Pfunde zu legt. Damit diese schnell wieder verschwinden, haben US Forscher einer Gruppe Freiwilliger ein paar Diät-Tipps zukommen lassen. In einer Broschüre konnten die Probanden lesen, wieviel Kalorien ein Gläschen Glühwein oder ein Stück Fleischpastete hat und wieviel Training nötig ist, um diese Energie wieder loszuwerden. Tatsächlich zeigten diese Tipps Erfolg: Wer sie bekam, nahm über die Feiertage weniger zu. Damit die Pastete nicht ansetzt, sind immerhin 21 Minuten Jogging nötig. Wer am Heiligabend eine Runde laufen geht, anstatt sich mit den Verwandten zu streiten, ist also auf jeden Fall auf der gesünderen Seite.