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Debüt-Album "All We Are"
Wie die Bee Gees auf Valium

"All We Are" sind hierzulande noch weitgehend unbekannt. Nun hat junge Trio aus Liverpool ihr erstes Album veröffentlich. Ihren Stil beschreibt die Band als Psychedelic Boogie - oder auch wie die Bee Gees auf Valium.

Von Florian Fricke | 21.02.2015
    Der Uhrenturm des Royal Liver Building schaut hinter Gebäuden am Canning Dock am Hafen hervor, rechts im Bild das ausgemusterte Feuerschiff Planet.
    Hafen von Liverpool: Die Mitglieder von "All We Are" fanden hier zusammen. (picture alliance / Stephan Goerlich)
    Es klingt wie das Intro zu einem schlechten Witz: Treffen sich ein Brasilianer, ein Ire und eine Norwegerin in Liverpool, um Pop zu lernen. Aber der schlechte Witz ist mittlerweile eine richtig gute Geschichte mit diversen Pointen. Als die jetzige Bassistin Guro Gikling von Norwegen nach Liverpool übersiedelte, traute sie erst mal ihren Ohren nicht:
    "Ich dachte eigentlich, dass ich einigermaßen englisch sprechen kann. An meinem Ankunftstag wollte ich in einem Laden einkaufen. Aber ich habe kein Wort verstanden. Da habe ich gemerkt, dass in einem komplett anderen Land gelandet war als dem, das ich aus dem Fernsehen kannte."
    Mehr als eine gute Geschichte zur Band
    Heute spricht Guro wie ein Liverpoolian. Am Liverpool Institute for Performing Arts, kurz LIPA, lernt Guro Richard 'O Flynn aus Irland und Luis Santos aus Brasilien kennen. Sie verstehen sich auf Anhieb und beschließen, eine Band zu gründen. Zwei Wochen später bekommen sie das Angebot, für drei Wochen als Vorband durch Europa zu touren. Die Sache hat bloß einen Haken. Guro und Richard haben Hauptfach Gesang, ansonsten spielen alle drei Gitarre.
    Richard: "Wir hatten im Auto keinen Platz für einen zusätzlichen Drummer, also habe ich beschlossen, selber Schlagzeug zu spielen."
    Du hast in zwei Wochen Schlagzeug gelernt?
    "Ich hatte schon einmal ein paar Jahre gespielt. Ich liebe es, eigentlich wollte ich schon immer Schlagzeuger werden."
    Guro: "Aber diese Anekdote erklärt, wie sehr wir unbedingt zusammen spielen wollten: drei Gitarristen mit einer gebuchten Tour. Und Luis war der beste Gitarrist, also durfte er weitermachen. Richard zog es zum Schlagzeug, da blieb für mich nur der Bass über. Das erste Konzert war das allerbeste. Nie zuvor hatte ich so viel Angst."
    Über 200 Konzerte bisher
    Mittlerweile haben "All We Are" über 200 Konzerte gegeben. Die Songs entstehen grundsätzlich im Übungsraum, in dem sich die Band immer noch täglich trifft. Und so erklärt sich auch der psychedelische Unterton vieler Lieder, der in endlosen, selbstvergessenen Jamsessions entstanden ist.
    Richard: "Ich lebe in einer verlassenen Schule in Liverpool. Dort können wir spielen, so laut und lange wir wollen. Wir sind dort sehr oft und experimentieren. Luis, unser Gitarrist, hat sich auf diesen atmosphärischen Sound spezialisiert. Er spielt durch drei Verstärker. Guro und ich verständigen uns auf einen Groove, und so kann das ewig gehen."
    Guro: "Dieses eine Mal war krass. Wir haben gejamt und gejamt, als ich langsam hungrig wurde. Ich habe auf die Uhr geschaut und konnte es nicht glauben. Wir hatten sechs Stunden lang einen Groove gespielt."
    Die erste Single "Utmost Good" vor anderthalb Jahren war schließlich der Grundstein für den Sound von "All We Are". In ihm mischen sich R'n'B, Dream Pop und Psychedelica zu einer spannenden und zugleich sehr entspannten Mischung, gewürzt mit komplexen Gesangsharmonien im Falsett. Und wer schon so ziemlich jeden kleinen Klub in Großbritannien bespielt hat, der ist zumindest bestens vorbereitet für die erhoffte Karriere in der Musikbranche, wie groß auch immer sie ausfallen wird. Sie wäre ihnen zu gönnen.