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Deckname "Antoine"

Auch Frankreich scheint sich in Sachen Steuerfahndung der Hilfe Informanten zu bedienen. Im vergangenen Jahr gelangte der Haushaltsminister der Grande Nation an eine Liste mit Namen von etwa 3000 französischen Steuersündern mit Konten in der Schweiz. Informant war offenbar ein ehemaliger Angestellter der HSBC-Bank. Hat der Mann Geld bekommen?

Von Ursula Welter | 03.02.2010
    Dunkle Augen, schwarzes Haar, Mittelscheitel, grauer Seemannspullover. So sitzt Hervé Falciani den Journalisten der französischen Tageszeitung "Le Figaro" im Dezember gegenüber. Geld ? Nein, um Geld gehe es ihm nicht, sagt der Mann , der einen Anwalt hat und einen Decknamen: "Antoine".

    Ja, ein Idealist sei Falciani, sagt auch der Anwalt. Eben einer, der für Transparenz und gegen Kriminalität im Finanzwesen kämpfe und: gegen Steuerflucht. Freilich jetzt, unter Polizeischutz nahe Nizza, sei er ein Einzelgänger, keine Frau , keine Kinder, viel am Computer. Und: Sehr kooperativ gegenüber den Behörden, betont der Anwalt des Mannes, der im vergangenen Jahr Frankreichs Regierung ins Kreuzfeuer der Schweizer Kritik geraten ließ.

    Im Spätsommer hatte Haushaltsminister Eric Woerth , nicht ohne Stolz, von einer Liste erzählt, die 3000 Namen französischer Steuersünder enthalte, mit Konten bei drei Schweizer Banken und Anlagesummen von bis zu drei Milliarden Euro. Wer einen Wohnsitz in Frankreich habe und ein Konto in der Schweiz besitze, könne nun nur noch bis Dezember in die Reihen braver Steuerzahler zurückkehren, danach drohe Strafverfolgung:

    "Die Frist war gesetzt und sie wirkte, aber woher stammt die Liste?
    War sie, wie der Minister glauben machen wollte, Resultat fleißiger französischer Steuerfahndung und einer "gewissen Kooperation" mit Schweizer Banken? Dass Letzteres nicht der Fall war, stellten Bern und die Banken im eigenen Geschäftsinteresse sogleich klar, Amtshilfe in Sachen Steuerfahndung für die französischen Behörden werde nicht geleistet!"

    Und tatsächlich: Weder Frankreichs Beamte noch eidgenössische Banken hatten nachgeholfen, es war: "Antoine", alias Hervé Falciani, Ex-Angestellter der Genfer Niederlassung von HSBC, nun mit Sitz in Nizza und "kooperativ". Die Zeitung "Le Parisien" deckte im Dezember auf, dass sich die Steuerfahnder auf das von Falciani gestohlene Material stützte , und fortan stand die Frage im Raum: Hat der Mann Geld bekommen ? Keineswegs, beeilte sich der Haushaltsminister zu betonen: eine Gegenleistung habe es nicht gegeben, derlei verkompliziere die Dinge auch nur, in diesem Fall herrsche Klarheit:

    "Es sei in jedem Fall richtig gewesen, das Material zu nutzen, dennoch sei sein Grundsatz: Keine Steuerfahndung auf Basis anonymer oder gekaufter Informationen."

    Der ansonsten diskrete Staatsanwalt von Nizza, Eric de Montgolfier, schlüsselte wenig später auf, wie das war mit den Namen im Computer des Hervé Falciani , des Informatikers aus Genf:

    Im Januar 2009 sei er von Schweizer Behörden in einem Fall von Datendiebstahl angesprochen worden, sagt de Montgolfier, der fragliche Informatiker halte sich in der Region Alpes-Maritimes auf und so sei er als Staatsanwalt von Nizza zuständig gewesen. "Antoines" Festplatten seien untersucht worden, nach der Auswertung stehe der Computerfachmann unter Polizeischutz, denn er sei Zeuge in einem Geldwäscheverfahren. Immerhin, so der Staatsanwalt, seien auf den Datenträgern des Mannes 130.000 Kontoverbindungen weltweit nachzuvollziehen, 3000 davon hätten Franzosen betroffen.

    Franzosen, die sich Dank der "Liste Falciani" nun den Steuerbehörden stellen oder von diesen aufgescheucht werden. Die Datensammlung, die das Ganze ins Rollen brachte, halten inzwischen die Schweizer Behörden in Händen, Paris hat die Unterlagen geliefert, will die Informationen für seine Steuerfahndungszwecke jedoch weiterhin nutzen. Ein Auslieferungsgesuch der Schweiz steht noch im Raum, vorläufig aber ist "Falcianis" alias "Antoines" Adresse ein unbekannter Ort nahe Nizza .