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Delikatesse aus Ostfrankreich
Der Käse in der Fichtenrinde

Fichtenrinde umrahmt den Weichkäse Mont d’Or, damit er nicht wegfließt. Auch heute noch wird diese Rinde im Wald für die Käseproduktion geerntet. Auf Weihnachtsmärkten in der ostfranzösischen Bourgogne-Franche-Comté gehört der Mont d'Or zur kulinarischen Grundversorgung.

Von Sabine Loeprick | 17.12.2017
    Mont d'Or-Köse ist ein Weichkäse, der im Französischen und Schweizer Jura hergestellt wird. Seine Besonderheit ist, dass er mit einem Ring aus Fichtenholz angeboten wird.
    Mont d'Or-Köse ist ein Weichkäse, der im Französischen und Schweizer Jura hergestellt wird. Seine Besonderheit ist, dass er mit einem Ring aus Fichtenholz angeboten wird. (imago/Anka Agency International)
    Ein kalter Dezembernachmittag in einem Waldstück bei Malbuisson im ostfranzösischen Départment Doubs. Patrick und Elie Salvi schlagen Zweige von einem meterlangen Fichtenstamm, der erst vor wenigen Tagen gefällt wurde. Dann befestigen sie einen Metallhaken am Holz, mit einer Art Winde können die beiden Männer nun den mehrere Zentner schweren Stamm ganz langsam drehen.
    Langsam bewegt sich der Stamm - sobald er in der gewünschten Position liegt, beginnt die eigentliche Arbeit. Elie, durchgestylte Kurzhaarfrisur und Ohrring, und sein Vater Patrick in dicker Karojacke, sind so genannte sangliers. Sie "ernten" die Rinde frischgefällter Fichten, um diese dann später im heimischen Atelier zu Schachteln für den Mont d’Or-Käse zu verarbeiten. Das aber geht nur, wenn Holz und vor allem die Rinde des Baums eine bestimmte Temperatur haben, erklärt Vater Patrick:
    "Wir sind heute erst nachmittags in den Wald gekommen, nicht, weil es uns zu kalt zum Arbeiten war, sondern weil die Baumrinde bei diesen Temperaturen morgens gefroren ist. Und damit war sie zu fest um bearbeitet zu werden. Also warten wir ein paar Stunden, bis es ein bisschen taut und die Rinde weicher geworden ist."
    Mit einer sogenannten Plumette, einem metallenen Spachtel schaben Patrick und Elie die oberste Rindenschicht vom Stamm, bevor aus der darunter liegenden Schicht die einzelnen "sengles" geschnitten werden.
    "Wie lang die einzelnen Sengles, die Rindenstücke, werden, das hängt natürlich von der Bestellung der jeweiligen Fromagerie ab. Und von der Qualität des Baumstamms, finden sich da viele schadhafte Stellen, dann müssen wir insgesamt etwas kürzere Stücken schneiden."
    Spricht’s und schneidet mit einem anderen Werkzeug, einem Art metallenen Löffel, gleichmäßige lange Streifen von der unteren Rindenschicht.
    Die Rindenstreifen werden schneckenförmig aufgerollt
    Ein paar Stunden später sind wir im Dörfchen Vaux et Chantegrue, ein paar stattliche Häuser gruppieren sich um die imposante Kirche, die für den kleinen Ort deutlich überdimensioniert wirkt. Aus den Schornsteinen steigt Rauch auf- und in der Werkstatt der Salvis ist es gemütlich warm. Die aus dem Wald mitgebrachten Rindenstreifen werden jetzt schneckenförmig aufgerollt oder aufgehängt getrocknet, was mehrere Wochen dauern kann. Erzählt Elie, während er mehrere Bündel mit getrockneten Sengles auf ihre Länge überprüft. Und fügt hinzu, dass es für ihn etwas ganz Besonderes sei, in einem Metier zu arbeiten, das bis auf das 16.Jahrhundert zurückgeht:
    Elie: "Das Metier des Sangliers ist typisch für die Region Franche Comté - gleichzeitig ist es auch ein bisschen Familientradition, denn hier arbeiten mein Großvater, Vater, meine Mutter und ich unter einem Dach. Noch vor kurzem war es eher ein aussterbender Beruf, aber in letzter Zeit interessieren sich auch wieder junge Leute für diese Arbeit."
    Zeit zu schauen, wohin die von Familie Salvi hergestellten Schachteln aus Fichtenrinde eigentlich geliefert werden. Nur etwa eine Viertelstunde dauert die Fahrt nach Metabief, das auf rund 900 Metern Höhe liegt. Am Ortsrand liegt die Fromagerie du Mont d’Or, in der typische Käsesorten der Region wie der Comté hergestellt werden. Die Wintermonate aber sind die Saison für den Weichkäse Mont d’Or, der nämlich nur zwischen August und März produziert wird. Und dessen Geschichte – so Käsereiinhaber Richard – mit der Region eng verknüpft sei:
    "Der Mont d’Or stammt aus dem Foret des Rissoux im Jura-Gebirge, ein Bauer hatte im Spätherbst nicht mehr genügend Milch zur Verfügung, um daraus einen Hartkäse - einen Gruyère beispielsweise - herzustellen. Da dachte er sich, warum nicht aus der restlichen Milch einen Weichkäse produzieren? Dieser nach dem Berg Mont d’Or, dem Goldberg, benannte Käse allerdings war so weich, dass er mit einem Kranz aus Fichtenrinde in Form gehalten werden musste. Das haben wir bis heute beibehalten."
    Die einfachste Form des Käsefondues
    Die Zubereitung ist einfach, in Weißwein getränkt und im Ofen erhitzt, ist der Mont d’or die einfachste Form des Käsefondues. Und gehört somit gerade in der Adventszeit auf den Marchés de Noel, den Weihnachtsmärkten, zur kulinarischen Grundversorgung. So auch auf dem Weihnachtsmarkt von Montbéliard. Kleine Hütten mit Kunsthandwerk und Kulinarischem sind vor der protestantischen Kirche aus dem 16.Jahrhundert im Zentrum der Altstadt aufgebaut. Lichterketten schwingen sich über enge Gassen und sorgen für eine fast märchenhafte Atmosphäre. Und in einem Chalet sitzt man auf Holzbänken bei einem vin chaud, der lokalen Variante des Glühweins, dazu gibt es Schnecken oder einen geschmolzenen Mont d'Or mit Baguette oder Kartoffeln.
    Es sei doch nicht verwunderlich, dass der Marché de Noel von Montbeliard als einer der schönsten Weihnachtsmärkte Frankreichs gelte, sagt Alain. Er gehört zum Festkomitee, das den Markt alljährlich mit rund 100 Ehrenamtlern organisiert und betreut. Viel Arbeit, sicher, aber dennoch für Alain eine Herzensangelegenheit:
    "Unser Weihnachtsmarkt ist nicht groß, aber er hat eine Seele. Ich denke, die Besucher spüren das, kommen gerne wieder, auch weil es hier fast ein wenig familiär zugeht. Und auch für uns gehört es in der Vorweihnachtszeit einfach dazu, hier alle paar Tage vorbeizugehen, ein Glas vin chaud zu trinken, Leute zu treffen. Das macht einfach Spaß."