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Dem Lachs droht die Laus

Zoologie.- In Aquakulturen leben Fische zu Tausenden auf engstem Raum zusammengepfercht. Für Parasiten wie der Lachslaus ist ein solches Gewühle ideal. Sie vermehrt sich in der Zucht rasant. Ein internationales Forscherteam berichtet nun im Fachblatt "PNAS", dass die Lachslaus aus der Zucht auch dem Wildlachs schadet.

Von Christine Westerhaus | 23.08.2011
    Der größte Feind der Lachse ist winzig klein. Doch er kann enormen Schaden anrichten. Die eineinhalb Zentimeter große Lachslaus beißt sich an den Fischen fest und ernährt sich vom Schleim, von der Haut und vom Blut der Tiere. Junglachse können an einem Befall sterben. Sitzen zu viele Läuse auf ihrer Haut, haben sie Schwierigkeiten, ihren Salzhaushalt zu regulieren.

    "Wenn die Wildlachse an den Zuchtanlagen vorbei wandern, infizieren sie sich dort mit den Lachsläusen. Sind es sehr viele Läuse, können sie den Junglachs sogar direkt töten. Aber häufiger dezimieren die Parasiten die Wildbestände wahrscheinlich indirekt. Zum Beispiel, weil sie die Tiere schwächen und sie deshalb leichter ihren Fressfeinden zum Opfer fallen."

    Martin Krkosek von der Universität von Otago in Neuseeland. Für ihre Studie haben die Forscher die Daten von zwei verschiedenen Wildlachsarten ausgewertet, die in Kanada heimisch sind. Dabei haben sie die Größe der Wildbestände in Regionen mit und ohne Zuchtanlagen miteinander verglichen. Die Forscher untersuchten einen Zeitraum von vielen Jahren und sie konnten für ihre Untersuchungen auch auf Daten zurückgreifen, die noch vor dem Bau der ersten Zuchtanlagen aufgenommen wurden.

    "In Gebieten mit Lachszuchtanlagen gab es deutlich weniger Wildlachse und die Bestände waren weniger produktiv. Und das hing eindeutig mit der Zahl der Lachsläuse zusammen. Diese Korrelation scheint sehr stark zu sein: Immer, wenn es viele Läuse gab, nahm die Zahl der Lachse ab."

    Damit widerlegen die Forscher die Ergebnisse einer Studie, die im vorigen Jahr veröffentlicht wurde. Deren Autoren hatten bezweifelt, dass sich Wildlachse häufiger mit Läusen infizieren, wenn Zuchtanlagen in der Nähe stehen. Zwar haben bereits andere Studien genau diesen Zusammenhang belegt. Doch er wird immer noch infrage gestellt.

    "Es gibt hier eine politische Dimension, denn einerseits ist Wildlachs eine wichtige Ressource für die Menschen. Andererseits ist die Zuchtindustrie ein wichtiger Arbeitgeber. Daher gibt es eine Reihe von Interessensvertretern, die sich streiten und in den lokalen Zeitungen kann man mehrmals die Woche etwas darüber lesen."

    Auch in Norwegen, dem größten Zuchtlachsproduzenten der Welt, gibt es einen politischen Streit um die Rolle der Lachslaus. Hier sehen Fachleute wie Vidar Wennevik vom norwegischen Meeresforschungsinstitut in Bergen aber noch ein anderes Problem: Sie haben beobachtet, dass die Parasiten zunehmend resistent werden gegen die Chemikalien, die die Züchter gegen sie einsetzen.

    "Das ist unsere große Sorge – wir haben in einzelnen Fällen beobachtet, dass die Läuse sogar gegen mehrere Behandlungmittel resistent waren. In Zukunft kann das dazu führen, dass sich die Anzahl der Läuse in den Zuchtanlagen erhöht. Ein paar Studien deuten auch darauf hin, dass die Läuse durch die intensive Behandlung ihren Lebenszyklus verkürzen und aggressiver werden."

    Langfristig lässt sich das Problem mit der Lachslaus wohl nur durch neue Zuchtanlagen lösen. Geschlossene Systeme, die keinen direkten Kontakt zum Meerwasser haben. Filter könnten dann verhindern, dass die Larven und Eier der Laus in die Umgebung gelangen. Freiwillig werden sich die Betreiber der Zuchtanlagen dazu aber wahrscheinlich nicht verpflichten. Denn geschlossene Systeme sind wesentlich teurer.