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Dem Öl lauschen

Technik. - Die Havarie der Deepwater Horizon erwischte auch die Wissenschaft auf dem falschen Fuß. So wurde wochenlang darüber debattiert, wieviel Öl und Gas denn nun aus dem Meeresboden schossen und wie es sich danach verteilte. Zu den Konzepten, die in den Wochen nach dem Unfall ausprobiert wurden, zählen akustische Methoden, um das Schicksal des Öls besser eingrenzen zu können.

Von Dagmar Röhrlich | 03.03.2011
    Wochenlang verfolgten Fernsehzuschauer fassungslos, wie Öl und Gas aus dem Macondo-Bohrloch am Grund des Golfs von Mexico herausschossen - und wie auf den Wellen der Ölteppich unaufhaltsam wuchs. Was jedoch in der Tiefsee um das Bohrloch herum passierte - etwa, dass dort ölhaltige Wolken waberten - ließ sich erst nach und nach erahnen. Es fehlten ganz einfach die Überwachungsmethoden. Deshalb hatten einige Geologen und Meeresbiologen die Idee, Sonare einzusetzen, weil man mit ihnen weite Teile des Meeres gleichzeitig im Blick hat:

    "Bislang hat noch niemand versucht, mit seiner Hilfe die Menge an Öl und Gas abzuschätzen, die an einer bestimmten Stelle aus dem Meeresboden sprudeln. Dieser Ansatz ist neu, und nach unseren Versuchen glauben wir, dass das Sonar wirklich helfen kann","

    erklärt Alex De Robertis vom Alaska Fisheries Science Center in Seattle. Für die Erprobung ihrer Idee stand den Meeresforschern zunächst ein eilig umgerüstetes Forschungsschiff zu Verfügung, mit dem normalerweise Karten des Ozeanbodens angefertigt werden. Als die ersten Messungen erfolgreich waren, kamen besser für diesen Zweck ausgerüstete Schiffe zum Einsatz:

    ""Das Sonar sendet einen Ton aus, und der wird von Objekten in der Wassersäule zurückgeworfen. Trifft der Schall auf ein Öltröpfchen, streut es die Wellen ganz charakteristisch. Wir fanden heraus, dass wir Öltröpfchen sehen können, die es auf die Größe eines Bakteriums bringen. Allerdings funktioniert das nur in einem Frequenzbereichs des Sonars, der nicht sehr tief ins Wasser eindringt."

    Deshalb konnten die Forscher die Öltröpfchen selbst nur bis in etwa 150 Meter Wassertiefe ausmachen:

    "Meiner Meinung nach lässt sich diese Schwäche umgehen, indem wir das Sonar beispielsweise an einem Kabel in die Tiefsee hinablassen, so wie wir es auch machen, wenn wir einzelne Fische beobachten wollen."
    Das Sonar sendet seinen Schall aber in einem breiten Frequenzbereich aus. Und so dringen andere Wellenlängen bis zum Meeresboden vor. Mit ihnen ließ sich das zusammen mit dem Öl herausschießende Methan gut verfolgen: Sobald der Schall auf die Methanbläschen traf, "ertönten" sie wie Glocken. Außerdem konnten die Forscher in der Umgebung des Macondo-Bohrlochs viele natürliche Gasquellen am Meeresboden orten. Das Sonar verriet auch die Reaktionen der Tiefseebewohner auf das Öl. De Robertis:

    "Wir konnten in Wassertiefen zwischen 400 und 700 Metern die Zahl der Tiere ermitteln und ihre Bewegungen verfolgen. Zu unserer Überraschung haben sie sich auf den ersten Blick - und diese Einschränkung könnte hier wichtig sein - nicht sonderlich vom Öl beeinflussen lassen. Die Analysen laufen noch, aber große, offensichtliche Verhaltensänderungen sehen wir nicht."

    Sonare könnten also brauchbare Überwachungssysteme für Ölhavarien in der Tiefsee liefern. Deshalb will die US-Wetter- und Ozeanographie-Behörde Noaa ein Gerät entwickeln, das beim nächsten Unfall an einem langem Kabel hinter einem Schiff hergezogen wird, um das gesamte Geschehen im Meer zu verfolgen.