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Dem Tumor keine Chance

Medizin. - Diamanten sind mehr als nur Wertanlage oder Schmuckstück, meinen Forscher aus Chicago. Sie arbeiten mit Nanodiamanten, um die Wirksamkeit der Chemotherapie in der Krebsbehandlung zu verbessern. Über ihre ersten Ergebnisse berichten sie heute in der Zeitschrift "Science Translational Medicine".

Von Volkart Wildermuth | 10.03.2011
    An der Northwestern University in Chicago arbeitet Dr. Dean Ho mit Diamanten, aber in seinem Labor glitzert und funkelt nichts. Chemisch sind seine Nanodiamanten identisch mit den wertvollen Schmuckstücken, aber sie sind so fein gemahlen, dass sie aussehen, wie ein x-beliebiges Pulver. Doch dieses Pulver hat es in sich.

    "Ein Nanodiamant besteht aus Kohlenstoff und ist nur zwischen zwei und acht Nanometer groß, aber er hat ausgesprochen interessante Eigenschaften. Seine Oberfläche kann ganz unterschiedliche Medikamente erst fest binden und dann langsam freisetzen, er ist gut verträglich und lässt sich einfach verarbeiten. Ein bisschen Säure, eine Mühle und etwas Ultraschall reichen, um sehr gleichförmige Partikel zu erhalten. Die Kombination dieser Eigenschaften macht Nanodiamanten so interessant für die Medizin."

    Konkret hat Dean Ho erprobt, ob Nanodiamenten die Wirkung der Chemotherapie verbessern. Deren Effekt lässt häufig nach einiger Zeit nach, die Tumoren werden resistent. Der Grund: die Krebszellen fangen an, molekulare Pumpen zu produzieren, die die Medikamente schnell entfernen. Zurzeit werden neue Wirkstoff erprobt, die einzelne dieser Pumpen spezifisch lahmlegen können. Doch sie verlängern den Effekt der Chemotherapie kaum. Es gibt nämlich über ein Dutzend verschiedene Varianten der molekularen Pumpen, für die Tumorzellen also genug Ausweichmöglichkeiten. Nanodiamanten sind zwar winzig, aber noch immer viel zu groß für die Pumpen. Egal welchen Pumpentyp ein Tumor auch bildet, er kann das diamantgebundenen Medikament nicht entsorgen. Um herauszufinden, ob das die Wirksamkeit der Behandlung verbessert, hat Dean Ho unter anderem Mäuse mit aggressivem Brustkrebs mit dem Wirkstoff Doxorubicin behandelt. Entweder, wie üblich, als freies Molekül, oder gebunden an Nanodiamanten. Ho:

    "Normalerweise wird das Medikament sofort herausgepumpt, es hat gar keine Chance zu wirken. In unserem Modell für Brustkrebs wuchs der Tumor weiter und die Tiere starben. Mit den Nanodiamanten bleib das Medikament viel länger in den Krebszelle und die Mäuse überlebten statt einer guten Woche mehrere Wochen. Das ist eine deutliche Verbesserung, besonders im Vergleich zur Lebensspanne einer Maus."

    Dank der Nanodiamanten entstanden zehnmal höhere Wirkstoffkonzentrationen in den Krebszellen, und nicht nur das: Das Medikament bleib auch deutlich länger im Tumor aktiv. Überraschenderweise kam es dadurch nicht zu mehr Nebenwirkungen, im Gegenteil: Die Nanomedizin war sogar besser verträglich. Das liegt wohl daran, dass Nanodiamanten im gesunden Gewebe schlecht durch die Blutgefäße kommen. Im Tumor dagegen sind die feinen Äderchen viel durchlässiger, und der Wirkstoff erreicht sein Ziel. Wie sicher die Anwendung von Nanomaterialien ist, wird derzeit heftig diskutiert. Dean Ho hat deshalb ganz genau untersucht, ob seine Nanodiamanten im Körper noch etwas anderes machen, als bloß ein Medikament auszuliefern.

    "Wenn man sich die Gesundheit von Leber, Niere, Milz ansieht, dann findet man da selbst bei hohen Dosen keine Spur einer Entzündung. Die Muster der Genaktivierung sind unverändert, es gibt auch keine Leberschäden. Nanodiamanten scheinen gut verträglich zu sein. Allerdings könnten die Effekte von Tierart zu Tierart unterschiedlich sein, deshalb wollen wir sie als nächstes in Hasen untersuchen. Aber diese erste Studie ist vielversprechend."

    Das wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Erst wenn sich die Nanodiamanten in vielen Versuchstierarten als sicher und effektiv erwiesen haben, will Dean Ho den Schritt zu klinischen Studien am Menschen wagen. Die müssten dann nicht auf Tumoren beschränkt bleiben. Denn die Nanodiamanten könnten sich nach Ansicht von Dean Ho ganz generell dafür eignen, die Wirkung von Medikamenten zu verbessern.

    "Wir haben schon viele Medikamente an die Nanodiamenten gebunden, andere Chemotherapeutika, Eiweiße, DNA. Man könnte sie in der Krebsmedizin einsetzen, gegen Entzündungen für die Wundheilung oder die regenerative Medizin. Hier gibt es viele Möglichkeiten."