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Demokratische Republik Kongo
US-Gesetz zu Konfliktmineralien steht infrage

Eigentlich sollte es die Lage im Bürgerkriegsland Kongo verbessern: Mit dem "Dodd-Frank-Gesetz" wollten die USA verhindern, dass sogenannte Konfliktmineralien, die zur Herstellung von Mobiltelefonen benötigt werden, brutalen Milizen und Rebellen als Geldquellen dienen. Doch jetzt stellt ein Gerichtsbeschluss das Gesetz infrage.

Von Heike Wipperfürth | 30.09.2015
    Schwarze Arbeiter sitzen, stehen und laufen auf einer hügeligen Oberfläche am Rande der Mine. Die Luft ist staubig. Einige Arbeiter halten Schaufeln in den Händen.
    Eine Coltan-Mine in der Demokratischen Republik Kongo. (AFP / Junior D. Kannah)
    "Das Ziel dieses Passus ist, Rohstoffverkäufe als Geldquellen für die Gewalttaten, Vergewaltigungen und Kindersoldaten der Milizen und Rebellen im Kongo zu stoppen"
    ... verteidigt Patricia Jurewicz von der US Menschenrechtsorganisation "Responsible Sourcing Network" den Passus zu Konfliktmineralien im Dodd-Frank-Gesetz. Seit 2013 müssen Unternehmen, die in den USA an der Börse notiert sind und Wolfram, Gold und Coltan aus dem Kongo in ihren Handys, Laptops oder Digitalkameras verarbeiten, ihre Zulieferkette bis zum Ursprung zurückverfolgen. Ab 2016 sollen sie auch in den öffentlichen Jahresberichten dokumentieren, ob die Rohstoffe "konfliktfrei" sind.
    Doch ein Gerichtsbeschluss stellt dies infrage. Denn kurz nach der Verabschiedung von "Section 1502" , so heißt der Konfliktmineralien-Passus, reichten die mächtige US-Handelskammer und der US-Herstellerverband eine Beschwerde vor Gericht ein und errangen einen Teilsieg: Zwar müssen Firmen auch weiterhin ihre Zulieferkette zurückverfolgen, brauchen aber nicht öffentlich zu beweisen, dass sie konfliktfrei sind.
    Niederlage für die NGO`s
    Zuzugeben, dass "Blut an ihren Händen klebe", verstoße gegen den Grundsatz der Meinungsfreiheit für Unternehmen, der in der US-Verfassung verankert sei, heißt es in der Urteilsbegründung. Für entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen kommt dies wie ein Sieg der Großindustrie über die Menschenrechte daher.
    "Diese Entscheidung schwächt das Gesetz ab"
    ... sagt Patrick Keenan, ein Juraprofessor an der Universität von Illinois – und Konfliktmineralienexperte.
    Doch während Konzerne darauf warten, ob die US-Regierung ihrerseits Einspruch gegen das Urteil einlegt, kritisieren Menschenrechtler etwas ganz anderes: Die mangelhafte Berichterstattung unter Section 1502. Laut einer Analyse der Tulane Universität haben nur rund 1.300 Firmen bis zum Abgabeschluss Ende Juni dieses Jahres ihre Berichte eingereicht – deutlich weniger als die 6.000 von der US Regierung erwarteten Dokumentationen. Die große Mehrheit der Firmen konnte nicht sagen, ob ihre Produkte konfliktfrei sind oder nicht. Und ein Viertel, darunter die Internetkonzerne Google und Amazon, konnten noch nicht einmal die Herkunft ihrer Mineralien bestimmen. Erbärmlich, sagt der Juraprofessor Patrick Keenan.
    "Das ist ein grosses Problem. Das Gesetz verlangt die Offenlegung von Informationen, aber für die Firmen ist es entweder zu schwierig oder unmöglich, diese Informationen zu bekommen. Sie werden nach Informationen gefragt, die sie nicht haben. Oder sie wissen nicht, wie sie sie bekommen sollen."


    Die Arbeiter blicken mit staubbedeckten Gesichtern in die Kamera.
    In der Mine arbeiten vor allem Kinder und Jugendliche (AFP / Junior D. Kannah)
    Negative Folgen für die Bevölkerung des Kongo
    Oder sie wählen den einfachsten Weg: Viele beziehen einfach keine Rohstoffe mehr aus dem Kongo – auch wenn das US-Gesetz weder ein Handelsverbot vorsieht noch Firmen bestraft, die Blutmineralien verwenden. Das hat negative Folgen für die lokale Bevölkerung im Kongo, die vom Bergbau abhängig ist. Menschenrechtlerin Patricia Jurewicz:
    "Die neue Regel hat tatsächlich zu so einer Art Boykott geführt, weil einige Unternehmen die Gegend einfach verlassen haben, weil sie kein Risiko eingehen wollen. "
    Zu zögerlich gehe die Zertifizierung der tausenden von Minen im Ostkongo vor sich, die in dem abgelegenen Gebiet, das zweimal so gross wie Frankreich ist, kaum aufzuspüren sind. Inzwischen erhielten 140 der Minen ein Gütesiegel. Dieses gewährleistet eine milizfreie Zone, in der weder Kinder noch schwangere Frauen arbeiten - obwohl eine Überprüfung nur schwer möglich ist und die Situation sich nach einem neuen Konfliktausbruch schnell wieder ändern kann. Dennoch sei das Dodd-Frank-Gesetz gut für den Kongo, sagt Charles Riepenhoff, Konfliktmineralienexperte des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG:
    "Der Anfang ist gemacht"
    "Ziel von Dodd Frank war, eine Umgebung zu schaffen, die im Laufe der Zeit die furchtbaren Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen mit legitimen Minen ersetzt. Das passiert nicht von heute auf morgen, aber der Anfang ist gemacht."
    Dass die Offenlegung von Zulieferketten und Zertifizierung von Minen dem Krieg im Kongo ein Ende bereitet, glaubt niemand. Vielleicht könnten diese Maßnahmen dazu beitragen, einzelne Quellen auszutrocknen, die die Konflikte dort auf Kosten der Bevölkerung nähren. Gegen die brutale Entstehungsgeschichte eines kleinen Handy könne aber nur etwas unternommen werden, wenn die internationale Gemeinschaft und die Konzerne eng mit der kongolesischen Regierung und Bevölkerung zusammenarbeiten. Nicht nur beim Kauf von Rohstoffen, sondern im Kampf gegen Armut und Gewalt. Patrick Keenan:
    Als wir das Dodd-Frank-Gesetz verabschiedeten, haben wir viel versprochen. Wir wollten den Kleinbergbauern im Kongo dabei helfen, ihre Produkte international zu verkaufen. Wir wollten ihnen beim Überleben und bei der Jobsuche helfen. Wir haben ein bisschen geholfen, aber diese Versprechen haben wir bis jetzt nicht gehalten."