Donnerstag, 25. April 2024

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Demonstrieren und berichten?
"Journalisten müssen ihre Rolle im Blick behalten"

Gegen die AfD demonstrieren und anschließend wieder über die Partei berichten? Problematisch, findet "Zeit"-Redakteur Martin Machowecz - und löst so auf Twitter eine Debatte unter Journalisten über den Umgang mit politischer Haltung aus.

Hanning Voigts im Gespräch mit Brigitte Baetz / Text von Michael Borgers | 29.05.2018
    Ein Teilnehmer hält während der "Glänzenden Demonstration" gegen die AfD vor dem Brandenburger Tor ein Schild ("Meine Stimme gegen Hetze") in die Höhe.
    Dürfen auch Journalisten auf einer Demonstration ihre "Stimme gegen Hetze" öffentlich bekunden? (picture alliance / Gregor Fischer/dpa)
    Wenn die selbsternannte Alternative für Deutschland (AfD) zu einer Kundgebung ruft, ist Gegenprotest gewiss. So war es auch Wochenende in Berlin. Die Angaben über die Teilnehmerzahlen gehen zum Teil weit auseinander, aber grob lässt sich festhalten: Tausende kamen zur AfD-Demonstration unter der Überschrift "Zukunft für Deutschland", Zehntausende zu diversen Gegenveranstaltungen.
    Und unter den Gegnern waren offenbar viele Journalisten, so war auch der Eindruck von Martin Machowecz. Der Leiter des Leipziger Büros der Wochenzeitung "Die Zeit" stellte am Tag nach den Berliner Kundgebungen auf Twitter fest, er "sehe recht viele Journalisten in meiner Timeline, die gestern offenbar mehr oder weniger privat an einer Demo namens 'AfD wegbassen' teilgenommen haben". Er finde das problematisch, schreibt Machowecz weiter und fragt: "Kann man denn dann am nächsten Tag wirklich wieder glaubwürdig über die AfD schreiben?"
    In einem späteren Tweet präzisiert Machowecz noch, "unjournalistisch" finde er das "Rufe-Mitrufen" und "Plakate-Hochhalten" - und nicht das Beobachten der Demonstration. Letzteres sei "Pflicht für Journalisten".
    Unterstützung erhält Machowecz unter anderem von einem "Zeit"-Kollegen Jochen Bittner. Er bezeichnet es als "Aufgabe und Privileg" von Journalisten, "Schwachsinn jeder Art öffentlich zu demontieren". Meint aber auch , "die Glaubwürdigkeit dieser schönen Mission leidet natürlich, wenn man an Demos teilnimmt, bei denen selbst eine Menge Schwachsinn produziert wird".
    "Es gibt keine unpolitischen Journalist*innen"
    Journalist und Filmemacher Mario Sixtus stellt die Gegenfrage: "Erwarten Sie von Journalisten, dass sie keine Staatsbürger sind, keine Haltung einnehmen, gegen Parteien oder Menschen, in denen sie eine Gefahr für unsere Gesellschaft sehen? Wollen Sie politische Eunuchen als Journalisten?"
    Ähnlich sieht es Jutta Ditfurth. Die Grünen-Mitbegründerin hat selbst als Journalistin gearbeitet und findet, "es gibt keine unpolitischen Journalist*innen". Wer das von sich behaupte, dem traue sie nicht. Was sie erwarte, so Ditfurth, sei eine "Trennung zwischen meinungsklarem Kommentar und sorgfältigem Bericht".
    "Stern"-Autorin Judith Liere verweist auf die USA. Dort dürfe, wer Kommentare schreibe, sonst keine Berichterstattung machen. Auch gebe es Kollegen, die "laut Arbeitsvertrag ein Demo-Verbot haben" und "auch keine Meinungstexte twittern/teilen sollen".
    "Journalisten müssen ihre Rolle im Blick behalten"
    Journalisten müssten an der Qualität ihrer Arbeit gemessen werden, betont Hanning Voigts von der "Frankfurter Rundschau" im Gespräch mit @mediasres. Die Frage dürfe deshalb nicht lauten, ob Journalisten "objektiv und neutral" seien; beides gehe nicht, denn auch Journalisten seien "ganz normale Menschen wie alle anderen auch". Die Frage sei, sagt Voigts, "ob Journalisten ihren Job fair, transparent und vor allem professionell machen".
    So müsse es auch für Journalisten möglich sein, eine Demonstration zu besuchen, "solange sie ihre Rolle im Blick behalten und wissen, dass sie eine große Verantwortung haben". Dazu gehöre dann zum Beispiel auch, über die Demonstration, an der sie teilnehmen, nicht zu berichten.