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Den Opfern einen Namen geben

Nachdem im Dezember 2004 ein Tsunami in Südostasien über 230.000 Todesopfer forderte, wirkten Polizeiermittler aus allen möglichen Ländern an der Identifizierung der Opfer mit. Schwierige Aufgaben wie diese sollen nach dem Willen Interpols künftig leichter werden: durch Vernetzung globaler Datenbanken der Polizei im Projekt FASTID.

Von Volker Mrasek | 06.02.2013
    Man stelle sich den folgenden Unglücksfall vor, rein hypothetisch:

    "Es fällt jemand in der Schweiz, oder sagen wir mal, in Frankreich, Deutschland in den Rhein. Und wird in der Nordsee herausgefischt."

    Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei dem Toten um einen Bürger aus einem der Anrainerländer handelt.

    "Könnte aber jemand sein, der vielleicht aus USA als Rucksacktourist in Europa unterwegs gewesen ist."

    Bei einer angeschwemmten Leiche finden sich oft keine Papiere mehr.

    "Jetzt fangen natürlich die Ermittlungen an. Man würde in den Nachbarstaaten ermitteln, findet aber in den direkten Ermittlungen nichts heraus."

    Solche Fälle würde Peter Ambs gerne in Zukunft einfacher - oder überhaupt - lösen. Der deutsche Kriminalbeamte arbeitet im Generalsekretariat der internationalen Polizeibehörde Interpol im französischen Lyon. Zugleich leitet er ein europäisches Forschungsprojekt mit dem Namen FASTID, das im März ausläuft.

    Ziel ist es, die Identifizierung von Toten zu verbessern - vor allem nach großen Katastrophen mit Opfern aus vielen verschiedenen Ländern. Und zwar durch eine neue, zentrale Datenbank bei Interpol.

    "Das Wesentliche ist, überhaupt ein solches System erstmals zu installieren. Und dann natürlich so viele Fälle wie möglich aufzuklären."

    Wie schwierig das sein kann, zeigte eine der größten Naturkatastrophen bisher: der verheerende Tsunami in Indonesien und Thailand vor fast genau acht Jahren. Er forderte über 200.000 Todesopfer ...

    "Es sind sehr viele Identifizierungskommissionen aus verschiedenen Ländern vor Ort gewesen. Und das Problem war eben die Koordinierung und die Zusammenführung der Daten. Damals hat man eben festgestellt, dass es weltweit kein zentrales System für die Identifizierung von Vermissten und unbekannten Toten gibt."

    Das wird sich durch FASTID ändern. Die neue zentrale Datenbank von Interpol soll den Ermittlungsbehörden aller Mitgliedsländer zur Verfügung stehen. An dem Projekt beteiligt sind auch das Bundeskriminalamt und zwei Fraunhofer-Institute.

    Bis zum Jahresende wird das System noch getestet, spätestens 2014 soll es fertig eingerichtet sein. In der Datenbank werden Ermittler die Merkmale von frisch untersuchten Todesopfern mit denen von vermissten Personen abgleichen können, und das über Grenzen hinweg:

    "Es ist so, dass die Daten, die zusammengeführt werden, einerseits von den Toten stammen, die eben vor Ort ja gefunden werden. Andererseits aber aus den verschiedenen Mitgliedsstaaten kommen. Um dann den Vermissten aus Deutschland mit dem Toten in Thailand zusammenzuführen. Kann aber genauso aus Frankreich oder aus Großbritannien sein. Das wissen Sie ja vorher nicht. Grundlage ist natürlich, dass Sie vermisst gemeldet worden sind. Dann finden natürlich Ermittlungen statt. Wenn Sie nicht vermisst gemeldet worden sind, werden auch keine Daten von Ihnen erhoben."

    Es gibt primäre und sekundäre Merkmale, die die Ermittler bei der Identifizierung von Toten interessieren:

    "Das Wesentliche sind also Fingerabdrücke, DNA und Zahnschema. Da wird der Großteil der Leichen identifiziert. Tattoos oder Narben, Fotos der Personen. Das sind Daten, die werden erhoben, und die werden in das System dann eingegeben."

    Technisch sei das FASTID-Projekt auf einem guten Weg, sagt Peter Ambs. Doch ob das neue Ermittlungssystem auch in vollem Umfang angenommen wird, kann der Projektleiter noch nicht sagen:

    "Das hängt davon ab, wie bereit die Mitgliedsstaaten sind, ihre Daten dort auch einzuspeichern. DNA-Daten sind sehr sensible Daten. Und die Mitgliedsstaaten achten auch darauf, dass die nicht - in Anführungsstrichen - in falsche Hände geraten."

    Diese Befürchtungen muss Interpol noch zerstreuen. Und Regeln finden, die den Schutz der erhobenen Daten sicherstellen. Peter Ambs wünscht sich, dass das gelingt:

    "Wir erhoffen uns zumindest mal, dass die Mitgliedsstaaten das annehmen und dass eben sehr viele Menschen identifiziert werden können. Was für die Angehörigen ja in der Regel sehr wichtig ist. Dass sie wissen, ja - was ist aus meinem Mann, Frau, Kind geworden."