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Denguefieber - nur scheinbar harmlos

Das Denguefieber verläuft in der Regel so harmlos, dass Erkrankte es oft gar nicht bemerken. Doch genau darin liegt eine Gefahr verborgen: Die Anzahl der Infizierten ist somit wahrscheinlich viele größer, als die Weltgesundheitsorganisation WHO einschätzt. Auf diese Problematik macht nun eine Studie im Fachmagazin "Nature" aufmerksam.

Von Katrin Zöfel | 08.04.2013
    Denguefieber hieß in früheren Zeiten einmal Knochenbrecherfieber. Der Grund dafür:

    "Wenn jemand an Denguefieber erkrankt, bekommt er erst einmal Fieber, und dann meist sehr typische, starke Schmerzen hinter den Augen, im Rücken, in den Gelenken und im Bauch. Man fühlt sich hundsmiserabel. Das ist wirklich nicht angenehm."

    Der Mediziner Jeremy Farrar arbeitet an der Klinischen Forschungsstation der Universität Oxford in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam. Im schlimmsten Fall, sagt er, steigert sich die Infektion so weit, dass sie für den Patienten tödlich endet. Doch die Mehrzahl der Verläufe ist mild. Betrachtet man nur die Todesfälle, die eindeutig durch das Dengue-Virus verursacht werden, könnte man denken, die Krankheit falle im Vergleich zu anderen Infektionen weltweit gar nicht so sehr ins Gewicht. Doch das ist ein Irrtum, sagt Jeremy Farrar:

    "Die Dinge liegen ein wenig subtiler und komplexer. Das Problem bei Denguefieber ist, dass es ganz plötzlich sehr, sehr viele Ansteckungen geben kann. Doch wer von den Angesteckten ernsthaft erkranken und wer nur eine mildere Form durchmachen wird, ist sehr schwer einzuschätzen. Deshalb müssen viele Patienten sicherheitshalber im Krankenhaus behandelt werden, die das eigentlich gar nicht bräuchten. Gerade in den Ländern, wo Dengue vorkommt, ist das Gesundheitssystem mit so einem Ansturm schnell überlastet."

    Dazu kommt, dass Denguefieber schwer zu diagnostizieren ist, also häufig gar nicht erkannt wird. Und schließlich verlaufen etwa drei von vier Infektionen so harmlos, dass die Betroffenen gar nicht merken, dass sie infiziert sind. Andere anstecken können diese Menschen aber sehr wohl. All diese Faktoren haben Jeremy Farrar und seine Kollegen an der Universität Oxford in einer neuen Studie zusammengefasst. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Zahl von Dengue-Infektionen weltweit viermal höher liegt, als bisher von der Weltgesundheitsorganisation WHO angegeben: nämlich bei 390 Millionen Infektionen pro Jahr. Davon verlaufen rund 96 Millionen mit spürbaren Symptomen. Auch diese Zahlen sind Schätzungen, betont Farrar, aber immerhin verlässlichere als die alten Zahlen.

    "Wir haben alles zusammengetragen, was wir finden konnten: veröffentlichte und unveröffentlichte Daten, von Forschern und von Gesundheitsministerien, anekdotische Berichte über Dengue-Ausbrüche und gesicherte Diagnosen von Touristen, die die Krankheit aus dem Urlaub mit nach Europa brachten. Von dieser Basis aus haben wir extrapoliert: welche Regionen weltweit müssten nach diesen Daten noch betroffen sein? Wo überall kommt die Moskitoart vor, die das Virus überträgt? Wo stimmt das Klima, und wo sind die Verhältnisse günstig für die Verbreitung der Krankheit?"

    Das Ergebnis ist eine Weltkarte, die die Risiken für Denguefieber weltweit geografisch aufschlüsselt. Viele Länder, die auf dieser Karte als stark betroffen auftauchen, haben das Problem bisher für sich noch gar nicht erkannt. Indien etwa oder viele Länder Schwarzafrikas.

    Absolut exzellent sei die neue Studie, urteilt Gavin Screaton, der am Imperial College London seit Jahren zu Denguefieber forscht.

    "Die Studie ist kurz und knapp, die Ergebnisse sind sehr deutlich. Wir haben damit zum ersten Mal überhaupt eine ordentliche und detaillierte Schätzung zur Verbreitung von Denguefieber. Sie ersetzt die bisherigen Zahlen, die eher grob über den Daumen gepeilt waren. Die Autoren waren sehr sorgfältig. Das ist wichtig, denn um die Krankheit in Zukunft besser kontrollieren zu können, brauchen wir solche guten, belastbaren Zahlen."

    Die Studie mit allen Details der Methoden sind öffentlich zugänglich. So kann jeder Wissenschaftler die mathematischen Modelle für sich nutzen und weitere, genauere Zahlen zum Gesamtbild beitragen. Das gilt nicht nur für Denguefieber, sagt Jeremy Farrar.

    "In den nächsten zwei, drei Jahren wird diese Art von Studie, denke ich, für alle wichtigen Krankheiten auf der Welt wiederholt werden."


    Links ins Netz:

    Zur Studie in "Nature"