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Denovali Records
"Wir sind pure Idealisten"

Das Programm des Musik-Labels Denovali Records reicht von Electro über Jazz bis hin zu Metal. Erlaubt sei, was gefällt, sagt Timo Alterauge, Mitbegründer des Bochumer Labels im Dlf. Die Arbeit sei eine Suche nach den Extremen. Nur die Qualität müsse stimmen, so Alterauge.

Timo Alterauge im Gespräch mit Frederik Rother | 09.01.2016
    Das Mischpult steht bereit für den richtigen Sound.
    Das Musik-Label Denovali gibt Künstlern eine Chance, die abseits des Mainstreams ihre Passion für Musik leben. (Deutschlandradio / Stephanie Cisowski)
    Frederik Rother: Herr Alterauge, das Stichwort Qualität, ist das der Antrieb hinter Denovali?
    Timo Alterauge: Ja, anfangs war es ein Hobby. Im Laufe der Jahre ist es zu einer Geschichte geworden, hinter der eine klare Haltung steht. Denn nur unser subjektives Qualitätsempfinden kann die Basis sein.
    Rother: Was verstehen Sie denn unter diesem teilweise ja doch sehr stark frequentierten Qualitätsbegriff?
    Alterauge: Prinzipiell geht's darum, dass es meinem Label-Kollegen Thomas und mir gefällt. Das wäre vielleicht der erste Punkt. Zudem sollte es dann schon fordernde Musik sein.
    Wir sind zwar auch in Sachen Pop aktiv, aber es geht eher darum, dass Nischen bedient werden, die von Künstlern musikalisch noch weitgehen unbearbeitet sind.
    Rother: Wie spiegelt sich denn diese Qualitätsidee in der Labelarbeit wider?
    Alterauge: Wir legen beispielsweise sehr viel Wert auf die Verpackung, auf den Sound, dass wir vielleicht eher als andere Labels nicht so sehr auf das Ökonomische achten, sondern darauf, dass wir dem Hörer ein qualitativ gutes Produkt bereitstellen.
    Uns geht's wenig darum, irgendwelche Verkaufsargumente zu liefern. Wir sind pure Idealisten, um es mal so zu sagen.
    Rother: Stichwort Vinyl, die Schallplatte erlebt ja einen neuen Höhenflug, kann man sagen. Allein im letzten Jahr habe ich gesehen, stieg der Absatz um knapp 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und es wurden jetzt wieder so viele Schallplatten gekauft, wie zuletzt 1992. Auch Denovali bringt ja so gut wie alles auf Vinyl raus, von Anfang an, was ist da die Idee dahinter?
    Alterauge: Es war eigentlich immer das Medium, das wir als Hörer auch schon gekauft haben. Dementsprechend haben wir mit Vinyl begonnen. Das CD-Format ist immer noch relevant, insbesondere für Pressearbeit. Dem Digitalen haben wir uns ziemlich lange verwehrt, heutzutage muss man es aber abdecken. Man könnte nicht mehr überleben, wenn man den digitalen Markt nicht bedienen würde.
    Rother: Und wie sieht ein kleines Label wie Denovali diesen Vinyl-Boom?
    Alterauge: Für uns ist es schwierig. Das Problem ist, dass die Major Labels anfangen, alte Platten aus den 70ern, 80ern, 90ern nachzupressen, und dadurch unheimliche Auslastungen in den Presswerken entstehen und dementsprechend die kleineren Labels vier, fünf Monate auf ihre Platten warten müssen.
    Rother: Jetzt betreiben Sie ja Denovali quasi aus einer Wohnung in Bochum heraus, also kein größeres Büro und auch keine größere Organisation dahinter, und Sie haben gesagt, dass auch der Profit Ihrer Arbeit nicht im Vordergrund steht, sondern nur die Musik. Wie funktioniert das?
    Alterauge: Es ist so, dass es auf vielen verschiedenen Säulen fußt. Zum einen natürlich das Label selbst. Das könnten wir allerdings als pures Label gar nicht betreiben, wenn wir nicht nebenbei noch einen Online-Plattenladen hätten, wir veranstalten Festivals, wir organisieren das Booking für unsere Künstler selbst. Mittlerweile haben wir auch einen Verlag gegründet. Mit diesen verschiedenen Bausteinen halten wir das Label am Leben und bestreiten unseren Lebensunterhalt.
    Rother: Und jetzt vertreibt Denovali eher unbekannte Bands, zumindest für das breite Publikum unbekannte Bands aus der ganzen Welt, eher für Musikliebhaber. Worin liegt der Reiz, sich auf ich sag jetzt mal experimentelle Musik einzulassen?
    Alterauge: Bei uns hat sich das durch die Entwicklung unseres Musikgeschmacks ergeben. Wir kommen beide aus verschiedenen Richtungen, sind dann dorthin gewachsen, woraus nach Jahren das Label entstanden ist. Für mich war es immer wichtig, neue Musik zu entdecken, die mich fordert.
    Wenn man dann nach ein, zwei Jahren ein bestimmtes Genre abgehakt hat – ich habe zum Beispiel als ich jünger war relativ viel Punk gehört – hat vielleicht nach neueren, extremeren Möglichkeiten gesucht. Mit den Jahren ist mein Geschmack wieder minimalistischer geworden. Vielleicht könnte man das als Suche nach Extremen beschreiben.
    "Es ist schwierig, das Programm in wenigen Sätzen zu beschreiben"
    Rother: Und wie sehen diese Extreme aus?
    Alterauge: Das kann völlig verschieden geartet sein. Zum einen haben wir mit Celeste eine sehr extreme Metal-Band auf dem Label, dann gibt's aber auch minimalistische Elektronik-Künstler. Es ist schwierig, das Programm in wenigen Sätzen zu beschreiben.
    Rother: Und das geht ja dann bis hin zu Kleinauflagen, oder Kleinstauflagen müsste man ja sagen, von hundert Platten, richtig?
    Alterauge: Ja, je nachdem welcher Künstler das ist, kann es dann auch nur eine Hunderter Vinylauflage geben.
    Rother: Jetzt scheint das Denovali-Portfolio, Sie haben es ja eben angesprochen, wenig Genregrenzen zu kennen und viele Künstler machen sphärische, ruhige Musik, Klangwelten sind dabei, aber auch Pianisten und Jazzmusiker sind an Bord. Gibt es denn so etwas wie einen gemeinsamen musikalischen Nenner über dieses Fordern hinaus?
    Alterauge: Ich würde sagen, dass es eher melancholische Musik ist. Entweder melancholisch oder in die Extreme gehend.
    Rother: Wie kommen denn Denovali und die Künstler zusammen?
    Alterauge: Wir bekommen relativ viele Bewerbungen. Aus diesem Pool nehmen wir zwei bis drei Künstler pro Jahr auf. Aber wir haben auch immer Leute auf Konzerten getroffen oder Freunde haben einem einen Künstler empfohlen.
    Rother: Aber Sie gehen auch auf Künstler richtig zu?
    Alterauge: Ja, das schon. Also das ist eigentlich der primäre Weg. Aufgrund von Demos haben wir nur sehr selten neue Künstler aufgenommen.
    "Wir schreiben den Künstlern musikalisch nichts vor"
    Rother: Und wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus, also wie weit will das Label vielleicht in eine Richtung agieren, musikalisch oder eben doch auch gar nicht?
    Alterauge: Wir schreiben den Künstler musikalisch nichts vor. Es gibt Gespräche über die Artworks, weil das auch ein Markenzeichen des Labels ist, wird da schon der gemeinsame Nenner gesucht, aber wir sind jetzt kein Label, das den Musikern vorschreibt, in welche Richtung die Musik gehen soll.
    Rother: Das heißt, sie haben jegliche Freiheit?
    Alterauge: Ja, völlige künstlerische Freiheit.
    Rother: Und gibt's Verträge, zwischen dem Label und den Musikern?
    Alterauge: Mittlerweile, da wir einen Verlag gegründet haben, haben wir auch Verträge. Vorher lief das alles auf Handschlag-Basis.
    Rother: Und das hat gut funktioniert?
    Alterauge: Teils, teils. Es hing dann auch von den Charakteren der jeweiligen Musiker ab.
    Rother: Inzwischen gibt's ja recht viele Veranstaltungen, die unter dem Namen Denovali stattfinden und mit den eigenen Künstlern stattfinden. Da wären zum Beispiel die Label-Nächte zu nennen, aber auch das Denovali-Festival, das in Berlin und London gastiert und bald auch in New York stattfinden soll. Welche Idee steht denn hinter diesen Veranstaltungen?
    Alterauge: Also die Grundidee vor vielen Jahren war, dass wir das Festival gegründet haben, weil unsere Künstler nirgendwo anders untergekommen sind. Wir wollten den Künstlern einmal im Jahr eine Plattform bieten, vor einem etwas größeren Publikum zu spielen und die ganze Label-Familie zu treffen. Im Laufe der Jahre haben wir dann auch immer Gast-Künstler von anderen Labels, oder aus anderen Musikbereichen eingeladen. Es hat sich quasi sukzessive zu etwas Größerem weiterentwickelt.
    "Es war eher ein Minusgeschäft für das Label"
    Rother: Und sind die Veranstaltungen wichtig für das Label, ist das ein richtiges Standbein geworden?
    Alterauge: Würde ich auch wieder sagen: teils, teils. Die Veranstaltungen in London und Berlin haben von Anfang an sehr gut funktioniert. Vorher waren wir fünf, sechs Jahre in Essen, das hat leider finanziell nie hingehauen, sprich es war eher ein Minusgeschäft für das Label, die Festivals zu veranstalten.
    Rother: Also man sollte nicht den Fehler begehen, diese Musik, die ja vielleicht auch nicht, oder offensichtlich nicht, für das breite Publikum gemacht ist, mit wenig internationalem Erfolg gleichzusetzen?
    Alterauge: Das auf keinen Fall. Gerade durch das Internet gibt es eine weltweite Hörerschaft. Es hat uns selbst erstaunt. Die Leute reisen aus der ganzen Welt zu den Veranstaltungen. Ein Hörer kam beispielsweise jedes Jahr aus Neuseeland nach Essen.
    "Wir sind erst mal froh, wenn wir weiterhin überleben können"
    Rother: Jetzt hat Denovali ja in den letzten knapp 10 Jahren fast 250 Platten veröffentlicht, es gibt eine expandierende und geschätzte Veranstaltungsreihe, weltweites Renommee, wie soll es weitergehen?
    Alterauge: Schwierig. Wir sind in ich erst einmal froh, wenn das Label so weiterlaufen kann. Grade durch den neuen Verlag sind wir besser aufgestellt. Und mittlerweile wird Musik aus unserem Label auch als Filmmusik verwandt. Nichtsdestotrotz ist der Musikmarkt weiterhin sehr schwierig, gerade wenn man Nischenmusik für ein Nischenpublikum bedient.
    Rother: Aber die Leidenschaft ist immer noch da?
    Alterauge: Definitiv, ja.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.