Donnerstag, 28. März 2024

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Deportiert, ausgebeutet und totgeschwiegen

Sowohl im Deutschen Reich als auch in den besetzten Gebieten wurden Menschen im Dritten Reich unter Druck zur Arbeit gezwungen. Und der Tag der Flucht oder die Befreiung 1945 bedeuteten nicht das Ende ihrer leidvollen Erfahrungen. Viele litten unter Albträumen. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis ihnen Anerkennung und Entschädigung zuteil wurden.

Von Peter Leusch | 01.05.2008
    "Hier in dieser öden Heide ist das Lager aufgebaut,
    wo wir fern von jeder Freude hinter Stacheldraht verstaut.
    Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!"


    Die Häftlinge im KZ-Börgermoor im Emsland haben dieses Lied 1933 selbst gedichtet und gesungen - es war Ausdruck ihres trotzigen Überlebenswillens - ,wenn sie durchs Lagertor marschierten, um täglich zwölf Stunden und länger im Moor Zwangsarbeit zu leisten.

    "In den emsländischen Mooren waren KZ-Häftlinge beschäftigt, und gleichzeitig auch der Arbeitsdienst, also der freiwillige oder Reichsarbeitsdienst, um die Arbeit zu erledigen, Moorkultivierung zu betreiben, zu entwässern."

    Detlev Humann, Zeithistoriker an der Universität Trier, erforscht den Arbeitsdienst und andere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, auf die das nationalsozialistische Regime so stolz war. Humann fragt, wie viel Druck und Zwang es auch in diesen angeblich freiwilligen Einrichtungen gegeben hat. Seine Untersuchung gehört in den größeren Rahmen des interdisziplinären Graduiertenkollegs an der Universität Trier, das die Phänomene Sklaverei, Knechtschaft und Zwangsarbeit von der Antike bis in die Gegenwart in einer Reihe von Forschungsarbeiten thematisiert.

    Geschichte und Gegenwart können sich hier wechselseitig erhellen. Denn diese Formen von Unfreiheit seien keineswegs überwunden, erklärt die Althistorikerin und Sprecherin des Gra-duiertenkollegs, Professor Elisabeth Herrmann-Otto:

    "Es hat schon immer Zwangsarbeit gegeben, auch in antiken Gesellschaften, und es hat zu unserem ganz großen Erstaunen auch heute eine Zunahme von Sklaverei in unserer globalisierten Welt gegeben - so dass man davon sprechen kann, dass es noch nie auf dieser Welt so viele Versklavte und Sklaverei gegeben hat wie heute.

    Und zwar definiert sich heute die moderne Sklaverei überwiegend über die Arbeit, sei es nun als Zwangsprostitution, sei es als Kinderarbeit in den Ländern der Dritten Welt und so weiter. Und da haben wir auch ein Projekt bei uns innerhalb des Graduiertenkollegs, was sich eben mit Verschuldung und Schuldknechtschaft im heutigen Indien beschäftigt, wo eben die Leute über diese Schuldverträge in eine Art Sklaverei hineinrutschen."

    Zur Jahreswende 1932/33 waren in Deutschland sechs Millionen Menschen arbeitslos, ungefähr 30 Prozent - eine Krise, der die Weimarer Republik politisch nicht gewachsen war. Bis heute hallt die nationalsozialistische Propaganda nach, Hitler habe die Arbeitslosigkeit besiegt. Inzwischen hat die Forschung nachgewiesen, dass die Konjunktur schon wieder anzog, bevor die Nazis an die Macht kamen. Allerdings hat Hitler mit seiner militärischen Aufrüstung den wirtschaftlichen Aufschwung zusätzlich angeheizt. Welche Rolle spielten jedoch die eigentlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, auf die die Nazis sich so viel zugute hielten? Es handelte sich dabei, so Detlev Humann, um drei Beschäftigungsformen:

    "Als erstes die Notstandsarbeiten, das waren in der Hauptsache Infrastrukturarbeiten für Erwachsene: Gasleitungen, Wasserleitungen legen, viele Erdbewegungsarbeiten. Dann die zweite Gruppe, der Arbeitsdienst: Das waren in der Hauptsache Bodenarbeiten für Jugendliche, Landeskulturarbeiten, mit denen die Böden verbessert werden sollten, damit die Bauern bessere Erträge erzielen konnten. Die Landhilfe, die dritte Form, das war auch eine Beschäftigungsform für Jugendliche, im Grunde waren sie zum Dienstbotendasein auf dem Bauernhof verdammt bei relativ schlechter Entlohnung."

    Kein Wunder, dass viele arbeitslose Jugendliche sich dieser Ausbeutung entzogen. Die einen versuchten sich mit Hilfe der Eltern und Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten, andere, die schon zur Landhilfe ins ferne Ostpreußen eingezogen waren, liefen einfach vom Bauernhof oder aus dem Sammellager des Arbeitsdienstes weg und versuchten sich in die Heimat durchzuschlagen. Der Staat antwortete mit scharfen Sanktionen, obwohl der Arbeitsdienst bis 1935 offiziell freiwillig war.

    "Da war der erste Schritt, dass man den Leuten die Unterstützung entzogen hat, wenn sie sich geweigert haben zum angeblich freiwilligen Arbeitsdienst zu gehen. Die zweite Eskalationsstufe war dann, dass man mit Schutzhaft gedroht hat. Und die dritte Eskalationsstufe sind dann Zwangslager - zwar keine Konzentrationslager, aber man muss davon ausgehen, dass die Arbeitslosen, die darin gearbeitet haben, nicht einfach weg konnten, sondern die wurden be-wacht und zum Teil auch mit anderen Sträflingen dort untergebracht."

    Die Organisation Todt, vom dem Bauingenieur Fritz Todt gegründet, war ein zentraler Pfeiler der deutschen Kriegswirtschaft. Sie baute überall im besetzten Europa Brücken und Bunker, errichtete Schutzwälle und Industrieanlagen, reparierte Straßen und Gleise nach alliierten Bombenangriffen. Die Organisation Todt, kurz OT, kooperierte dabei mit deutschen und ausländischen Baufirmen, sie beschäftigte 1943 circa 1,5 Millionen Menschen.

    Die militärische und wirtschaftliche Bedeutung der Organisation Todt ist von der Forschung schon länger erkannt. Der Trierer Nachwuchswissenschaftler Fabian Lemmes richtet nun den Blick auf die soziale Dimension dieses gigantischen Apparates, auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Seine Untersuchung ergänzt das Forschungsprojekt von Detlev Humann. Während Humann Formen unfreier Arbeit im Deutschen Reich und vor dem Krieg untersucht, schaut Fabian Lemmes auf die Situation in den besetzten Gebieten. Muss man von Zwangsarbeit sprechen unter der Regie der Organisation Todt?

    "Die Arbeitsverhältnisse hier im besetzen Europa sind sehr unterschiedlich: Es gab sehr viele verschiedene Mittel, Menschen zur Arbeit zu bringen - die von der Werbung Freiwilliger auf der Grundlage hoher Löhne reichte, die man sich als Besatzer erlauben konnte, weil man über die Ausbeutung besetzter Gebiete über große finanzielle Mittel verfügte. Und das hat auch in den Westgebieten eine Zeitlang gut funktioniert.

    Im Osten sah das schon anders aus, da wurde schon sehr früh auf physische Zwangsrekrutie-rung auch ganzer Dörfer zurückgegriffen. Eine solche Radikalisierung ist auch im Westen zu beobachten, in Frankreich und Italien - den beiden Ländern, mit denen ich mich selbst im Rahmen meiner Forschung beschäftige."

    Zunächst hatte es die Organisation Todt leicht, Arbeitskräfte anzuwerben. Denn im besiegten Frankreich war die Arbeitslosenzahl in die Höhe geschnellt, die Menschen mussten für sich und ihre Familien sorgen. So unterschrieben viele bei der Organisation Todt. Aber die Zahl der Vertragsarbeiter reichte nicht aus, spätestens seit Hitler im August 1942 den Bau des At-lantikwalls, dieser gigantischen Befestigungsanlage vom Nordkap bis zu den Pyrenäen befohlen hatte. Die Besatzungsmacht änderte ihre Strategie, so Fabian Lemmes, vom Zuckerbrot hin zur Peitsche.

    "Man erhöht die Arbeitslosigkeit künstlich und lässt die so arbeitslos gewordenen Bauar-beiter dienstverpflichten über die Arbeitsämter. Und wenn sie sich weigern, droht man ihnen, die Lebensmittelkarten zu entziehen oder die Arbeitslosenunterstützung, ein intensives Druckmittel. Und das steigert sich dann über die Einführung der Dienstpflicht, aufgrund derer Menschen nach Deutschland verpflichtet werden konnten, aber auch für die Besatzungsmacht in den besetzten Ländern arbeiten müssen.

    Und das geht dann gegen Ende des Krieges, in Frankreich im Umfeld der Landung in der Normandie in den Sommermonaten 1944 soweit, dass Menschen unter vorgehaltener Waffe aus den Häusern oder aus den Dörfern genommen, werden. In Italien passiert das schon viel früher: Italien ist Frontgebiet, schon seit 1943, und hier geht die Wehrmacht im Süden des Landes und in Frontgebieten systematisch auf Arbeitskräftejagd."

    Schon 1942 beim Bau des Atlantikwalls war die OT dazu übergegangen, Arbeitskräfte, die man überall aus Frankreich und anderen besetzen Gebieten an die Kanalküste geschafft hatte, in Lagern unterzubringen. Ein französischer Arbeiter, der dienstverpflichtet wurde, schildert die Situation in dem bretonischen Lager Caudan:

    "Unser Tagesablauf sieht folgendermaßen aus: 5 Uhr Aufstehen. 5.45 Uhr Abmarsch zum 2 km entfernten Bahnhof; dort nehmen wir einen Zug, der uns zum 10 km entfernten Lorient bringt. Von 7 Uhr bis 18 Uhr Arbeiten mit einer Dreiviertelstunde Mittagspause, in der es eine Suppe gibt - zurück im Lager um 20 Uhr. Wir sind nie vor 23 Uhr im Bett. Die wenigen Stunden Schlaf werden häufig von Fliegeralarm unterbrochen. Unser Lager ist von Stacheldraht umgeben und wird von bewaffneten Posten bewacht. Sonntags ruht die Arbeit erst um 13 Uhr."

    "Die OT und die deutsche Militärverwaltung werden sich bewusst, dass die Leute weniger und weniger gewillt sind, für die Besatzungsmacht zu arbeiten. Und um sie zu kontrollieren, wird die Mobilität eingeschränkt. Ein entscheidendes Moment hierfür ist die Lagerunterbringung. Und von der Lagerunterbringung ausgehend wird ein ganzes System von Kontrollmaßnahmen geschaffen, um zu verhindern, dass die Arbeitskräfte abwandern.

    Denn eines der größten Probleme des Arbeitseinsatzes der OT in den besetzten Gebieten war die Arbeitsflucht. Man hat versucht, die Baustellen zu bewachen, mit Schutzkorps der OT oder auch mit französischer Gendarmerie, die hier auch eingesetzt wurde, und so systematisch Menschen durch Androhung und Anwendung physischer Gewalt zum Arbeiten für die Besatzungsmacht zu bringen."

    Um Militärmaschinerie und Kriegswirtschaft in Gang zu halten, beugte das nationalsozialistische Deutschland im Laufe des Krieges immer mehr Menschen unter das Joch der Zwangsarbeit, im Reichsgebiet ebenso wie in den besetzen Ländern. Es waren mehr als 12 Millionen Menschen, erklärt der Historiker Christoph Thonfeld, die auf unterschiedliche Weise in die Fänge des europaweiten Systems gerieten.

    "Das verteilt sich, es beginnt auf der freieren Seite mit Vertragsarbeitern, die ursprünglich freiwillig nach Deutschland gekommen sind, dann aber mit dem Verbot belegt werden, diesen Arbeitsplatz also nicht mehr verlassen dürfen - wo also ein ursprüngliches Vertragsverhältnis in ein Zwangsverhältnis übergeht. Und auf der anderen, der extremen Seite hin, haben wir eben die Zwangsarbeiter aus den KZs heraus - wo Leute unter den Bedingungen täglich drohender Vernichtung entweder durch Hunger oder durch Ermordung existieren - ,die aufgrund kurzfristiger strategischer Überlegungen für Bauprojekte, zum Beispiel für Industrieverlagerungsprojekte eingesetzt werden."

    Die größte Gruppe im System bildeten die verharmlosend "Fremdarbeiter" genannten Personen, die in besetzten Gebieten einfach verschleppt worden waren. SS, Wehrmacht und Polizeieinheiten veranstalteten Razzien, umzingelten öffentliche Gebäude und Plätze, um manchmal ganze Familien zu deportieren. Die zweitgrößte Gruppe stellten Kriegsgefangene dar - insbesondere aus Frankreich, Polen und der ehemaligen Sowjetunion - die man ebenfalls zur Zwangsarbeit verpflichtete.

    Christoph Thonfeld war am Projekt der Fernuniversität Hagen beteiligt, das ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Interviews nach ihren Erfahrungen befragt hat. Diese Dokumentation der Zeugnisse Betroffener wird inzwischen an der FU Berlin digitalisiert und künftig in einem Internetportal für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Auf der Basis der Interviews arbeitet Christoph Thonfeld nun an einer international vergleichenden Studie, wie nach 1945 mit den Erfahrungen und Erinnerungen von Zwangsarbeitern in unterschiedlichen Ländern umgegangen wurde.

    "In Osteuropa, vor allem in der Sowjetunion, war die Geschichte der Zwangsarbeit im we-sentlichen eine tabuisierte Geschichte. Die Zwangsarbeiter und die Kriegsgefangenen, die Zwangsarbeit geleistet hatten, galten in der offiziellen Meinung als Verräter, weil sie für den Feind tätig waren, und galten im Prinzip zu Hause politisch und auch gesellschaftlich als un-erwünschte Personen. Gleichzeitig aber - weil die Sowjetunion nach dem Krieg ein hochgra-dig zerstörtes Land war und Arbeitskräfte fehlten - hat man Wert darauf gelegt, sie trotzdem zurückzuholen.

    Aber es gab eine politische Überprüfung der Rückkehrenden, und für viele von ihnen eine sogenannte Weiterverpflichtung in Arbeitsbataillone, die auch zwangsarbeitsähnliche Formen darstellten. Ein kleinerer Teil von männlichen Kriegsgefangenen oder ehemaligen jugendlichen Zwangsarbeitern wurde in die Rote Armee weiter verpflichtet, aber ihre Geschichte als Zwangsarbeiter war ein gesellschaftliches Unthema."

    Eine tschechische Zwangsarbeiterin, die wie viele junge Frauen für zehn Monate oder willkürlich länger in Deutschland arbeiten musste, schildert im Interview, wie sie sich nach der Rückkehr in die Heimat von den Landsleuten geächtet fühlte.

    "Mädchen, die im Reich waren - es war, als ob man ihnen ein Zeichen
    auf die Stirn eingebrannt hätte. Sie galten als minderwertig. Auch wenn sie
    sich bestens benahmen. Das hat mich am meisten erniedrigt."


    "Was wir jetzt festgestellt haben, ist, dass weiblichen ehemaligen Zwangsarbeitern generell unterstellt wurde, sie hätten sich in irgendeiner Weise mit deutschen Männern eingelassen und wären von daher nochmal zu bestrafen, zusätzlich zu dem, dass sie für den Feind gearbeitet haben. Und das ist ihnen vielfach in Privatbeziehungen hinterher nachgetragen worden.

    Wir haben in den Interviews Berichte, dass Frauen vom Ehemann dafür diskriminiert oder nicht akzeptiert wurden, weil ihnen vorgehalten wurde, sie hätten diese 'deutsche Vergangenheit’, die auf der Biografie lasten würde. Gerade für Frankreich gibt es Berichte, wo Frauen, denen vorgehalten wurde, sie hätten in irgendeiner Weise Kontakt zu Deutschen gehabt, sozial völlig ausgegrenzt wurden, die öffentlich geschoren wurden."

    Viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter fühlen sich bis heute unter Rechtfertigungs-druck, das zeigen die Interviews. Sie wurden diskreditiert und mit ihrer schwierigen Biografie allein gelassen. Denn das Ende der Zwangsarbeit, der Tag der Flucht oder Befreiung, bedeute-te nicht das Ende ihrer leidvollen Erfahrungen. Viele konnten 1945 das kriegszerstörte Deutschland zunächst nicht verlassen, mussten im Lager bleiben und auf einen Heimtransport warten, von der Frage gequält: Lebten die Angehörigen noch? Gab es überhaupt noch ein Zuhause?

    In den Jahren danach litten Zwangsarbeiter unter Albträumen und Flashbacks ihrer traumatischen Erlebnisse. Und es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis ihnen Anerkennung und Entschädigung zuteil wurde. Für die meisten kam das zu spät - ein millionenfaches Versäumnis:

    "Weil viele Zwangsarbeiter nie eine Form von Entschädigung gesehen haben. Noch am stärksten verankert in unserer eigenen Erinnerung sind die Entschädigungsbemühungen aus dem Jahr 2000 durch die Stiftung 'Erinnerung, Verantwortung, Zukunft' - wo ungefähr eineinhalb Millionen überlebende Zwangsarbeiter eine Entschädigung erhalten haben.

    Wobei auch immer von den Firmen, die in diesen Fond eingezahlt haben - beziehungsweise von der Stiftung - betont wurde, dass es nicht um eine ökonomisch angemessene Entschädigung geht, sondern mehr um eine humanitäre Geste, die man leistet. Was für viele Betroffene zählt, ist, dass es überhaupt diese Geste gibt: Die kommt sehr spät, für viele zu spät, und sie kommt in bescheidenem Maße daher - aber immerhin, sie kommt."

    In den Konzentrationslagern bedeutete Zwangsarbeit für viele jüdische Häftlinge nicht viel mehr als einen Todesaufschub. Manchen hatte sie ermöglicht zu überleben, aber die meisten sind an den enormen Strapazen, verbunden mit Hunger und schlechter Unterbringung, zugrunde gegangen: eine Ermordung auf Raten.

    Esther Béjarano, die als junges jüdisches Mädchen nach Auschwitz deportiert wurde, musste zunächst Steine schleppen. Aufgrund ihrer musikalischen Begabung gelang es ihr, einen Platz im Mädchenorchester von Auschwitz zu bekommen. Esther Béjarano erinnert sich:

    "Die Funktion des Mädchenorchesters in Auschwitz-Birkenau war, am Tor zu stehen und zu spielen, morgens, wenn die Arbeitskolonnen ausmarschierten, und abends, wenn sie ins Lager zurückkamen. Wir alle hatten ein schlechtes Gewissen, weil wir sozusagen halfen, dass die Gefangenen im Gleichschritt, marsch, marsch, nach unserer Musik marschieren mussten."

    Esther Béjarano überlebte, wanderte nach Palästina aus, kam zurück nach Deutschland. Heute lebt sie in Hamburg. In den 80er Jahren gründete sie mit ihrer Tochter Edna und ihrem Sohn Joram die Gruppe Coincidence. Sie spielt antifaschistische jiddische Lieder, zum Beispiel jenes, das vom Überlebenswillen im jüdischen Ghetto Wilna erzählt: "Mir lebn ejbig" - "Wir leben trotzdem".