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Der Ausstieg aus dem Ausstieg

Dass sich im Voralpenland in naher Zukunft Windräder drehen sollen, ist zahlreichen Bürgerinitiativen ein Dorn im Auge. Die oberbayerischen Windkraftgegner haben sich jetzt zusammengeschlossen, um eine Aufklärungs- und Protestoffensive zu starten.

Von Susanne Lettenbauer | 06.01.2012
    Wenn Catrin Dietl sich vorstellt, dass dieses Geräusch in ihrem kleinen Ort Purfing östlich von München zum Alltag gehören soll, dann wird sie wütend. Fünf Windräder will ein privater Investor in den benachbarten Ebersberger Forst bauen, bis zu 190 Meter hoch, ein Hektar Freifläche um jedes Windrad:

    "Aber das ist bis jetzt nicht offengelegt, die Bürger sind darüber nicht informiert, aber es soll schon entschieden werden über diesen Windpark im Ebersberger Forst. Warum wird nicht erst mal das Ergebnis geliefert und dann entscheiden wir, wo bauen wir was hin."

    Dietls Verein "Landschaftsschutz Eberberger Land" will vorher wissen, welche Planungen hinsichtlich Windkraftanlagen in ihrem Kreis laufen und nicht irgendwann vor vollendeten Tatsachen stehen. Vor allem fehlt ihr, wie allen oberbayerischen Initiativen, die sich jetzt zusammengeschlossen haben, ein Gesamtkonzept Windenergie Bayern. Bislang müssten alle Gemeinden auf eigene Faust und auf die Schnelle sogenannte Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für Windkraftanlagen festlegen, kritisiert Dietl:

    "Jede Gemeinde plant für sich Windräder, die aufgebaut werden können oder sollen, der Bürger weiß nicht, was auf ihn zukommt. Dass es nicht nur fünf sein werden, das steht jetzt schon fest."

    Diese Unsicherheit ist es, die die Windkraftgegner im Alpenvorland mobilisiert. Gegen Windenergie sei man keineswegs, heißt es unisono von Bürgergruppen wie dem Landschaftsschutzverein Ebersberg, der Initiative Windenergie aus Aschering südlich von München, vom Verein zum Schutz der Wadlhauser Gräben am Starnberger See und von Juristen am Ammersee. Aber: Viel zu schnell sollen die Gemeinden seit Beschluss des Energiekonzeptes Bayern im Mai 2011 Standorte ausweisen - ohne genaue Prüfung der Windgeschwindigkeiten oder Effizienzfaktoren. Zusätzlich sei nicht geregelt, wo die Energie letztlich eingespeist werden soll. Die Stromnetze fehlen auch in Bayern.
    Die Energiewerke von Wolfratshausen speisten den Strom aus privaten Photovoltaikanlagen oftmals einfach in die Erde ein, sagt der Initiator der neuen Großoffensive Matthias Gangkofner:

    "Natürlich Fukushima – grauenhaft! Wir wollen das alle überwinden, aber man muss jetzt nicht hysterisch eine neue technische dilettantische Wende machen, die unbedacht gemacht wird und muss nicht unsere Landschaft zerstören. Es gibt vielleicht einige Stellen, wo ein bisschen Wind bläst, aber dafür muss man 200 Metern in die Höhe gehen, wenn wir andere und bessere Möglichkeiten nutzen können."

    Effizientere Wasserkraftwerke, Geothermieanlagen, auch dezentrale Biogasanlagen – im Alpenvorland gäbe es Unmengen an Alternativen zur Windkraft, zählt Gangkofner auf. Diese sollten als privilegierte Bauvorhaben behandelt werden.

    "Ich bin nicht der Meinung, dass man jetzt jeden Fluss hoch stauen sollte, aber man kann doch die alten E-Werke, die zum Teil seit den 30er-Jahren laufen mit besseren Turbinen, die einen Wirkungsgrad haben, der doppelt so hoch ist. Allein da ist schon eine ungeheure Menge gewonnen, ohne dass man die Natur zerstören muss."

    460 Windkraftanlagen drehen sich mittlerweile in Bayern, sie haben einen Anteil von 0,6 Prozent des Energieaufkommens im Freistaat, mit 1500 Windrädern will man diesen Anteil auf 10 Prozent erhöhen. Dafür würden Naturschutzgesetze umgangen, der Denkmalschutz moderat ausgelegt, empören sich die Initiatoren um Gangkofner. Im vergangenen Kreisausschuss von Rosenheim wurde der Regionalplan für Südostoberbayern präsentiert: Im Alpengebiet, am Chiemsee, dem Innhochufer mit Randbereichen und im Simsseebereich sollen demnach keine hohen Windkraftanlagen errichtet werden:

    "Es kommen jedes Mal mehr, ich bekomme jedes Mal mehr Post und E-Mails. Ich merke, da braut sich was zusammen und wir müssen da zusammenhalten. Irgendwann stehen wir dann in München auf dem Odeonsplatz."

    Bayern braucht eine Energiewende auch mit Windkraft, sagt dagegen Daniel Kalteis vom SPD-Ortsverband Vaterstetten im Kreis Ebersberg. Seine Partei stimmte bei der letzten Gemeinderatssitzung für die Windkraftanlage im Ebersberger Forst. Von den Grünen und der CSU steht die Entscheidung noch aus.

    "Wo Energie verbraucht wird muss sie auch produziert werden. Durch die unterschiedlichen Energieträger. Das wird einfach zum Landschaftsbild dazugehören. Wie andere Dinge, die mittlerweile zum Landschaftsbild dazugehören. Also ich sehe da kein Ausschlusskriterium, dass das nicht möglich wäre im Alpenvorland."

    Mehr Info unter:
    www.windradfreies-voralpenland.de

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