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Der Bauplan des Lebens

Seit die Struktur der DNA bekannt ist, haben Wissenschaftler ungeahnte Möglichkeiten, in den "Bauplan des Lebens" einzugreifen. Die Entwicklung der modernen Genforschung ermöglichten James Watson und Francis Crick mit ihrer Veröffentlichung des Doppelhelix-Modells der DNA in der Zeitschrift "Nature" am 25. April 1953.

Von Andrea Westhoff | 25.04.2013
    "Ich erinnere mich vor allem, was andere Leute über uns gesagt haben: Einige Kollegen haben gemeint, wir wüssten gar nicht, was wir täten, wir würden mit einem Problem kämpfen, von dem wir keine Ahnung hätten, ob es eine Lösung gibt oder inwiefern diese Lösung – falls wir eine finden – dann interessant wäre."
    So hat Francis Crick die Stimmung im Cavendish-Laboratorium in Cambridge Anfang der 50er-Jahre beschrieben, kurz bevor er zusammen mit James Watson eine der größten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts machte. Watson, ein hochbegabter und sehr ehrgeiziger amerikanischer Biologe von gerade mal 23 Jahren, und der zwölf Jahre ältere Brite Francis Crick, ein Physiker und Biologe, wollten die Struktur der Desoxyribonukleinsäure ergründen, der DNS oder englisch DNA, die der "Baustein des Lebens aller Organismen" ist, egal ob Mensch, Tier, Pflanze oder Bakterium.

    "Uns war eine gewisse jugendliche Arroganz, Skrupellosigkeit und Ungeduld gegenüber nachlässigem Denken eigen."

    Schrieb Crick in seiner Biografie. Die DNA selbst war zwar schon bekannt. Man wusste, dass das Erbmolekül sich in jedem Zellkern befindet und aus einer Abfolge von vier jeweils paarweise auftretenden chemischen Grundbausteinen besteht, sogenannten Basen. Man wusste auch, dass diese Substanz die Chromosomen bildet und einzelne Abschnitte auf der DNA die Gene, also die spezifischen Erbanlagen für jeden Organismus. Aber wie das alles zusammengefügt ist und wie daraus Leben entsteht, das galt es noch zu erklären.

    Watson und Crick versuchten es nicht mit der damals üblichen Röntgenstrukturanalyse, sondern bastelten stattdessen aus einem Drahtgestell und Holz, Pappe, Klammern und Schrauben verschiedene dreidimensionale Modelle der DNA. Watson beschrieb ihre Zusammenarbeit 1982 in einem Interview:

    "Die Erinnerungen werden unscharf, es ist nun schon mehr als 30 Jahre her – jedenfalls weiß ich noch, dass es mir ein riesiges Vergnügen bereitete, mit Francis zu diskutieren. Es war sehr hilfreich, dass zwei so hoch motivierte Leute an diesem Problem arbeiteten. Und so blieben wir bei der Suche nach einer Lösung, einfach, indem wir weiter mit den Modellen spielten."
    Das Wort "spielen" trifft es eigentlich nicht, denn der Konkurrenzdruck war enorm. Vor allem Forscher in den USA suchten fieberhaft nach der DNA-Struktur, aber auch eine Arbeitsgruppe um Maurice Wilkins und Rosalyn Franklin vom Londoner King's College. Ausgerechnet deren Röntgenbilder von der DNA brachten für Watson und Crick schließlich den Durchbruch: Watson schrieb später:

    "In dem Augenblick, als ich das Bild sah, klappte mir der Unterkiefer herunter, und mein Puls flatterte."

    Die Aufnahmen hatte ihnen Wilkens allerdings ohne Wissen seiner Kollegin Franklin zugespielt.

    Ende Februar 1953 hatten Watson und Crick schließlich jenes Modell gebaut, das heute jeder kennt: eine "Doppelhelix". Die DNA sieht aus wie eine spiralförmig gedrehte Strickleiter, Zucker- und Phosphatmoleküle bilden die Seitenstränge und die paarweise angeordneten Basen die Stufen dazwischen.

    Diese Struktur und die damit verbundene genaue Funktion der DNA beschrieben Watson und Crick in einem Bericht an die renommierte Wissenschaftszeitschrift "Nature", die ihn am 25. April 1953 veröffentlichte. Der Artikel beginnt mit dem Satz:

    "Wir möchten eine Struktur für das Salz der Desoxyribonukleinsäure – DNA - vorschlagen. Diese Struktur hat neue Eigenschaften, die von beträchtlichem biologischem Interesse sind."

    Eine einzige DIN-A4-Seite für eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts: Denn das Doppelhelix-Modell der DNA erklärt das Prinzip der Zellteilung, also wie sich Organismen entwickeln; und es eröffnete den Weg für ungeahnte gentechnische Anwendungsmöglichkeiten. 1962 erhielten James Watson und Francis Crick zusammen mit Maurice Wilkens dafür den Medizin-Nobelpreis. Rosalyn Franklin war bereits 1958 an Krebs gestorben.